Neuinterpretation der EMRK? ÖVP will nichts mehr davon wissen
Erst vor wenigen Wochen hatte ÖVP-Kanzler Stocker einen offenen Brief unterzeichnet, in dem eine Neuinterpretation der EMRK gefordert wurde, um straffällige Drittstaatsangehörige leichter abschieben zu können. Nun ruderte die ÖVP aber zurück.
Zu den Unterzeichnern des Offenen Briefes zählte auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP).
© IMAGO / Steinsiek.chWien. – Im Mai 2025 forderten neun EU-Mitgliedstaaten in einem offenen Brief eine Neuinterpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Ziel bestand darin, straffällige Drittstaatsangehörige leichter abschieben zu können. Obwohl Österreichs Bundeskanzler Karl Stocker das Schreiben unterzeichnet hatte, verweigerte die ÖVP nun die politische Unterstützung für dieses Anliegen, kritisiert die FPÖ.
FPÖ fordert klare Haltung in Rückführungsdebatte
Am Dienstag wurde im EU-Unterausschuss über eine geplante EU-Verordnung zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger beraten. Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst warf der Regierung und insbesondere der ÖVP dabei vor, einen politischen Kurswechsel vollzogen zu haben. Die zuständigen Regierungsmitglieder sollten sich dafür einsetzen, die im Schreiben der neun EU-Staaten skizzierten Forderungen in die Verhandlungen zur Rückführungsverordnung einzubeziehen. „Die Systemparteien haben das abgelehnt und damit wieder einmal die Interessen der eigenen Bevölkerung verraten“, so Fürst.
Die Kritik an der Kanzlerpartei fiel besonders scharf aus: „Die ÖVP hat darüber hinaus ihren eigenen Kanzler als asylpolitischen Heuchler entlarvt“. Denn Stocker war Mitunterzeichner des offenen Briefes, dessen Inhalte die ÖVP am Dienstag abgelehnt hat.
Europäische Gerichtsbarkeit als Hindernis
Laut Fürst liegt das Problem nicht bei bürokratischen Hürden, sondern bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. „Rund 80 Prozent der Personen, welche die EU zu verlassen hätten, weil sie eben kein Recht auf Schutz haben, tun dies schlicht und einfach nicht. Diese Rückführungen scheitern nicht an fehlenden Formularen, sondern am politischen und rechtlichen Rahmen.“
Insbesondere der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gilt der FPÖ als Hindernis. So baue etwa die Auslegung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Hürden auf, deretwegen selbst mehrfach straffällige, nicht schutzbedürftige Personen nicht abgeschoben würden, kritisiert die freiheitliche Nationalratsabgeordnete. Zur Untermauerung dieser Kritik nennt Fürst konkrete Beispiele: „Beispielsweise sei durch den EGMR die Abschiebung eines schwerkriminellen Nigerianers aus Großbritannien verhindert worden, weil dieser in seinem Heimatland entwurzelt sei. Ebenso durfte ein somalischer Terrorist aus ähnlichen Gründen nicht in sein Heimatland verbracht werden.“
Kritik an europäischer Rechtsprechung
Fürst sieht in den Entscheidungen internationaler Gerichte eine Gefahr für die staatliche Souveränität. „Tatsache ist: Internationale Gerichthöfe wie der EGMR untergraben mit derartigen Entscheidungen die Souveränität der Nationalstaaten und das berechtigte Interesse der eigenen Bevölkerung an einer restriktiven Asyl- und Migrationspolitik, die das Wohl der eigenen Bürger in den Vordergrund stellt – statt selbst straffälligen Asylanten quasi den Rücken zu stärken.“