Brüssel fordert: Deutsche sollen länger schuften
Die Europäische Union nimmt die deutsche Rente ins Visier. Um die Stabilität des Systems zu sichern, fordert Brüssel ein längeres Erwerbsleben und weniger Anreize für den vorzeitigen Ruhestand.
Brüssel/Berlin. – Die Debatte um die Zukunft der Altersversorgung in Deutschland wird immer schärfer. Im Mittelpunkt steht dabei besonders die Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter. Katherina Reiche (CDU), Bundesministerin für Wirtschaft und Technologie, erklärte zuletzt, die Lebensarbeitszeit müsse steigen, um einen Kollaps des Rentensystems zu verhindern.
Aktuelle Lage: Renteneintritt steigt bereits
Bereits heute wird die Altersgrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Einige Jahrgänge können zwar unter bestimmten Voraussetzungen früher aus dem Berufsleben ausscheiden, dann jedoch mit Abschlägen. Doch während die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, schrumpft die Zahl der Beitragszahler – das Umlagesystem gerät zunehmend unter Druck.
Neben einer Anhebung des Eintrittsalters diskutiert die Politik über Anreize für längeres Arbeiten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will mit der sogenannten Aktivrente solche Anreize schaffen. Demnach sollen Senioren 2.000 Euro pro Monat steuerfrei hinzuverdienen dürfen, wenn sie auch im Ruhestand arbeiten.
Brüssel fordert längere Erwerbstätigkeit
Auch die Europäische Union beschäftigt sich mit der deutschen Rentenpolitik. Im Juli 2025 haben die Wirtschafts- und Finanzminister der Mitgliedstaaten Empfehlungen vorgelegt. Darin heißt es, Deutschland solle den Bundeszuschuss kürzen und zugleich ein längeres Erwerbsleben fördern sowie die Anreize für einen vorzeitigen Renteneintritt verringern, um die Tragfähigkeit des Systems zu sichern.
In ihrem Länderbericht kritisieren die Minister, dass viele qualifizierte und gesunde Beschäftigte zu früh ausscheiden. Rund die Hälfte von ihnen verlasse den Arbeitsmarkt vor Erreichen des gesetzlichen Rentenalters, fast ein Drittel davon ohne Abzüge. „Entsprechend wird die Empfehlung ausgesprochen, die Anreize für den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand zu verringern. Neben der ebenfalls empfohlenen Anpassung der Rentenindexierung und Überarbeitung der Beitragsobergrenzen würde dies die Tragfähigkeit des Rentensystems verbessern“, heißt es in einer Mitteilung der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSV).
Umfragen: Viele würden länger arbeiten
Doch wie sehen die Beschäftigten die Lage selbst? Laut einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Postbank wären 54,3 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit, über das gesetzliche Rentenalter hinaus tätig zu bleiben – meist in Teilzeit und höchstens bis zum 70. Lebensjahr. Viele gehen davon aus, dass ihre Altersbezüge nicht ausreichen werden. Jeder Fünfte aus dieser Gruppe (19,8 Prozent) würde allerdings nur dann länger arbeiten, wenn er dadurch mehr verdienen könnte. Ein Drittel lehnt eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit hingegen kategorisch ab.
Pläne der Bundesregierung
Die Koalition will Hürden abbauen, damit ältere Menschen, die möchten, weiter beschäftigt bleiben können. Zudem plant Sozialministerin Bärbel Bas (SPD), das Rentenniveau bis 2031 mit einem Aufwand in Milliardenhöhe bei 48 Prozent zu sichern.
Viele Bürger halten es für den richtigen Weg, mehr Geld aus dem Bundeshaushalt für die Rentenkasse zu nutzen. Laut einer Umfrage aus dem Mai unterstützen 63 Prozent die Verwendung zusätzlicher Steuermittel. Gleichzeitig zweifeln 57,3 Prozent daran, dass sich damit die Höhe der Renten dauerhaft stabilisieren lässt.