Führende SPÖ-Politiker wollen nun ebenfalls Reform der EU-Menschenrechtskonvention
Was bisher nur die FPÖ forderte, rückt nun auch bei der SPÖ in greifbare Nähe: Führende Sozialdemokraten stellen die Europäische Menschenrechtskonvention nun offen infrage.
In die Debatte um die EMRK schalteten sich führende SPÖ-Politiker wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ein.
© IMAGO / SEPA.MediaWien. – Die Debatte um die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) hält die österreichische Politik in Atem – und sie nimmt überraschende Wendungen. Während die FPÖ die EMRK bereits seit Jahren als Hindernis für konsequente Abschiebungen kritisiert, stößt nun auch die SPÖ ins gleiche Horn: Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und sein Kärntner Amtskollege Peter Kaiser stellen die Konvention offen infrage.
Schreiben an EU-Kommission
Ende Mai hatten neun europäische Regierungschefs, darunter ÖVP-Kanzler Christian Stocker, ein Schreiben an die Europäische Kommission unterzeichnet, in dem sie mehr Möglichkeiten für die Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber in ihre Herkunftsländer forderten. Später schaltete sich auch der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser ein und erklärte, dass er über eine Änderung der EMRK diskutieren wolle.
Es sei „legitim“, darüber zu diskutieren, ob die EMRK in einer veränderten Welt noch greift, erklärte Kaiser. Doskozil legte nach: „Wir haben in Österreich viel zu lange Placebo-Diskussionen geführt, die von den Menschen durchschaut wurden und viele in die Arme der FPÖ getrieben haben.“
Kritik an der ÖVP und eigene Verantwortung
Doskozil übte scharfe Kritik an der ÖVP: Das Innenministerium sei in den vergangenen 25 Jahren fast durchgängig in ÖVP-Hand gewesen und die Kanzlerpartei habe seit acht Jahren versagt. Die Folge seien die höchsten Asylquoten in Österreich und gleichzeitig eine „beschämend niedrige“ Abschiebequote. Auch europäische Initiativen zur Verbesserung der Situation seien ausgeblieben. In Richtung Kanzler Christian Stocker sagte er: „Mich erinnert Stockers Vorgehen sehr an das langjährige Märchen von der ,geschlossenen Balkanroute‘, das gerade von denen verbreitet wurde, die keinen Finger für eine konkrete Veränderung in Europa und Österreich gerührt haben.“
Zugleich betonte Doskozil, dass „alle ernsthaften Initiativen“ zu begrüßen seien, womit er auf die Vorstöße seines Parteikollegen Kaiser anspielte. In der Bundes-SPÖ stößt der Kurswechsel jedoch auf Widerstand. Petra Bayr, die Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Parlament, distanzierte sich deutlich von den Aussagen ihres Landeskollegen. Gegenüber der APA sagte sie: „Ich finde den Vorstoß sehr problematisch, weil er in letzter Konsequenz die Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten unterminiert.“
NEOS uneins, FPÖ fühlt sich bestätigt
Auch bei den NEOS gibt es keinen einheitlichen Kurs. Nach einem Gespräch mit Kanzler Stocker erklärte Klubobmann Yannick Shetty, die Sache sei nun „erledigt“ und man wolle sich künftig besser abstimmen. Gleichzeitig lobte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger die Initiative zur Änderung der EMRK laut einem Krone-Bericht ausdrücklich.
Die FPÖ sieht sich hingegen in ihrer langjährigen Kritik an der EMRK bestätigt. Bereits 2019 hatte FPÖ-Chef Herbert Kickl als Innenminister entsprechende Reformen angeregt und war dafür scharf kritisiert worden. Nun sieht sich die Partei im Aufwind.
FPÖ: SPÖ will Wähler „für dumm verkaufen“
In einer gemeinsamen Presseaussendung machten die FPÖ-Politiker Erwin Angerer und Josef Ofner deutlich, was sie von den Vorstößen der SPÖ halten: nichts. Angerer bezeichnete Kaisers Vorgehen als den „Versuch eines billigen Stimmenfangs“. Die SPÖ wolle „die Wähler für dumm verkaufen“. Jahrzehntelang habe sie alle Initiativen der FPÖ für eine Verschärfung des Asylrechts und Abschiebungen abgelehnt und die FPÖ als rechte Hetzer bezeichnet.
Ofner sprach von einem „peinlichen, öffentlichen Schuldbekenntnis der SPÖ“ für das „jahrzehntelange Totalversagen in der Asyl- und Migrationspolitik“. Die angebliche Kurskorrektur sei reine Heuchelei. „Wäre diese Kurskorrektur ehrlich gemeint, wäre mit etwas Anstand eine Entschuldigung bei der Bevölkerung angebracht, sich mehr als 30 Jahre lang der Realität verschlossen zu haben.“
Steger: Gerichte verhindern Abschiebungen
Die FPÖ-EU-Abgeordnete Petra Steger kommentierte die Debatte ebenfalls und betonte gegenüber der Krone, dass europäische Gerichte „nicht erst seit gestern“ durch eine „ultra-exzessive“ und „ideologisch aufgeladene“ Auslegung der Menschenrechtskonvention wirksame Abschiebungen illegaler Einwanderer verhindern würden. Sie sprach von einem „längst überfälligen Schritt“ in Richtung Reform.
Auf der Plattform X fügte sie hinzu: „Jahrelang hat man uns für unsere Kritik an der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) diffamiert – jetzt beginnt sogar die SPÖ zu wackeln.“ Ein funktionierendes Asylsystem brauche klare Regeln und „echten Schutz“ für die eigene Bevölkerung, so Steger.
Die Freiheitlichen erinnerten zudem daran, dass Innenminister Kickl im Jahr 2019 für seine Kritik an der EMRK heftig angegriffen worden sei. Sogar ein Misstrauensantrag sei damals von der SPÖ eingebracht worden. Nun frage man sich, ob der Bundespräsident – wie damals – auch gegen Kaiser intervenieren werde, wenn dieser „am Grundkonsens der 2. Republik rüttelt“.