Freilich #36: Ausgebremst!

„Agitator der sozialen Marktwirtschaft“: Warum ich die AfD nicht unterstütze

Viele ehemalige Linke sehen in der AfD die einzige politische Kraft, die sich den Fehlentwicklungen der Gegenwart entgegenstellt. Doch Konstantin Schink bleibt trotz vieler Übereinstimmungen auf Distanz und erklärt, warum.

Kommentar von
10.11.2025
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4 Minuten Lesezeit
„Agitator der sozialen Marktwirtschaft“: Warum ich die AfD nicht unterstütze

Zwischen sozialpatriotischen und liberalen Kräften: Alice Weidel steht für jenen Kurs der AfD, über den Konstantin Schink in seinem Kommentar nachdenkt.

© IMAGO / Political-Moments

Wie viele andere Linke bin ich in den vergangenen Jahren politisch heimatlos geworden. Die Linkspartei stellte sich im großen geopolitischen Konflikt unserer Zeit auf die Seite der Transatlantiker, als sie im Frühjahr 2022 die Wirtschaftssanktionen gegen Russland unterstützte. Das BSW bot sich als Alternative an, koalierte dann aber in Thüringen und Brandenburg mit den Altparteien, ohne etwas Substanzielles zu erreichen. Es wirkt fast so, als sei es nur gegründet worden, um ein paar Kadern aus der Linkspartei die Fortsetzung ihrer politischen Karriere zu ermöglichen.

In den beiden Ostländern, wo das BSW nun mitregiert, bietet sich die AfD als Alternative an. Sie fordert ein Ende der NGO-Korruption, eine Zerschlagung der Öffentlich-Rechtlichen, ein Ende des Verfassungsschutzes und einen klaren Oppositionskurs gegen die vom Kartell geschaffenen Machtstrukturen. Von außen wird sie durch die Brandmauer, andauernde Diffamierung in den großen Medien und staatliche Repressionen, die Karrieristen fernhalten, vor Degeneration und Anbiederung an die Mächtigen geschützt.

Die AfD als einzige Oppositionskraft

Die AfD ist eindeutig die Partei, die sich, was Migration, Meinungsfreiheit, Außenpolitik und Kulturpolitik angeht, am deutlichsten gegen die falsche Richtung stellt, in die Deutschland in diesen Bereichen steuert. Auch meine persönlichen Erfahrungen sowohl mit Politikern als auch mit Leuten aus dem Vorfeld sind fast durchweg positiv. Warum unterstütze ich die AfD also nicht?

Dafür gibt es einen zentralen Grund: Die Wirtschaftspolitik der Partei. Die AfD setzt sich weitgehend aus westdeutschen Liberalen zusammen. Diese neigen aufgrund ihrer politischen Sozialisation, ihrer Netzwerke und materieller Anreize zu einer neoliberalen Politik, die auf Steuersenkungen für wohlhabende Menschen und niedrigere Löhne für die übrige Bevölkerung setzt.

Ein klares Beispiel hierfür ist Alice Weidel. Von 2016 bis 2021 war sie Mitglied der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft, einer der radikalsten neoliberalen Lobbyorganisationen in Deutschland. Im Jahr 2024 wurde Milei, der argentinische Präsident, von der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft für die Deindustrialisierung seines Landes und den Verkauf an den IWF und die US-Regierung ausgezeichnet. Weidel sieht Margaret Thatcher als ihr politisches Vorbild, welche in Großbritannien wie niemand Anderes die Macht des Finanzkapitals und globalistische Institutionen ausweitete. Thatchers Politik führte zum Verlust von 1,6 Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie. Das durch Steuersenkungen und Deregulierungen ausgelöste Wachstum konzentrierte sich auf die City of London, wo eine kleine Elite aus Managern und Finanzkapitalisten es zu deutlich mehr Reichtum und so auch zu mehr politischer Macht brachte.


Ein Foto zur Bebilderung

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Neoliberale Prägungen und falsche Vorbilder

Diese Bewunderung für US-Marionetten, die die Souveränität ihres Landes zerstören, zieht sich durch die ganze Partei. Man schaue sich dazu jede beliebige Wortmeldung aus der AfD zu Javier Mileis Wirtschaftszerstörungsprogramm an, das die Industrieproduktion Argentiniens schlimmer hat einbrechen lassen als die Politik der Ampel in Deutschland. Gleiches gilt für die Verflechtung mit neoliberalen Lobbyorganisationen. Neben Weidel sind in der Hayek-Gesellschaft auch noch Beatrix von Storch und Peter Boehringer Mitglied.

Hinzu kommt die grundsätzliche Ablehnung von zusätzlichen Staatsschulden, die in einer Welt sparender Unternehmen ohnehin von jeder Regierung gemacht werden müssten. Die AfD bewegt sich finanzpolitisch in einer Welt, in der die privaten Haushalte Ersparnisse bilden und die Unternehmen in entsprechender Höhe investieren und so für Wachstum sorgen. Diese Welt gibt es aber schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr. Seit Beginn der 2000er sind die Unternehmen in Deutschland Nettosparer, was eine Nachfragelücke schafft, die nur vom Staat oder vom Ausland gefüllt werden kann. Deutschlands Strategie unter Schröder und Merkel bestand darin, unsere Handelspartner in der Eurozone zu Nettoschuldnern zu machen, indem man deren Exportindustrie durch niedrige Löhne niederkonkurrierte.

Die AfD will diesen Exportkanal nun durch einen Austritt aus dem Euro zerstören, ohne eine Strategie zu haben, wie die deutsche Wirtschaft dann noch weiter wachsen soll. Ganz im Gegenteil: Sie befürwortet die Schuldenbremse, die die Handlungsfähigkeit der Regierung, in Rezessionen gegenzusteuern, in einer nicht zu rechtfertigenden Art und Weise einschränkt. Sowohl im Bundestag als auch in den Landtagen kritisiert die AfD die Regierungen nicht wegen ihrer Sparpolitik, die mittlerweile zur längsten Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik geführt hat, sondern dafür, dass sie zu viel Geld ausgeben würden.

Fehlende wirtschaftliche Strategie

Es ist dabei vollkommen egal, ob man Björn Höcke, Ulrich Siegmund oder Alice Weidel zuhört. Sie alle haben keinen Plan, wie sie dieses Land wirtschaftlich wieder auf die Beine bekommen wollen. Weder Lohnpolitik noch staatliche Investitionsprogramme noch Vorschläge für eine neue europäische Währungsordnung werden diskutiert. Was man dagegen überall findet, ist eine prinzipielle liberale Staatsfeindlichkeit, mit der man sich selbst nach der eigenen Machtübernahme jeder Handlungsfähigkeit berauben würde.

Der relevante Unterschied zwischen den Lagern in der Partei besteht darin, dass der sozialpatriotische Flügel die Sozialversicherungen erhalten will und weitere Steuersenkungen für die Reichen ablehnt. Damit sind die Sozialpatrioten wesentlich vernünftiger als die Liberalen, aber auch sie haben kein schlüssiges Gesamtkonzept, das spätestens dann erforderlich wäre, wenn man eines Tages einen Ministerpräsidenten stellen sollte.

Vasallentum im Nahost-Konflikt

Was noch hinzu kommt, ist, dass viele Liberale im Nahost-Konflikt die Propaganda des Mainstreams nachplappern und diesen an Vasallentum gegenüber Israel sogar zu überflügeln versuchen. Ich sehe dieses Verhalten als absolute Red Flag, um eine kontrollierte Opposition zu erkennen. Schon Konrad Adenauer begründete die Vertiefung der Beziehungen zu Israel damit, dass es darum ging, sich mit den USA gutzustellen. Wer Israel die Treue schwört, bekundet damit implizit, dass er Deutschland auch weiter unter der Knute des US-Imperiums halten will.

Mein größtes Problem mit der AfD ist also nicht, dass sie zu radikal wäre oder sonst etwas, was ihr der Mainstream vorwirft. Mein Problem ist der in der Partei allgegenwärtige Liberalismus, den sie mit den Parteien des Kartells teilt. Der sozialpatriotische Flügel, der in Ostdeutschland glücklicherweise den Ton angibt, sollte sich einen Plan überlegen, wie eine gute Wirtschaftspolitik aussehen könnte, aber auch, wie man die liberale Hegemonie an den Universitäten bricht, wenn man die Kontrolle über diese erlangt. Das gilt sowohl für die sozialwissenschaftlichen als auch für die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Konstantin Schink

Konstantin Schink, Jahrgang 2001, ist ein deutscher Videoblogger. Auf seinem YouTube-Kanal „Agitator der sozialen Marktwirtschaft“ setzt er sich mit politischen und wirtschaftlichen Themen auseinander. Er studiert Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft.

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