Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

Wer für die Ukraine kämpft, hat in Deutschland aufgegeben

Die deutsche Rechte ringt um ihren außenpolitischen Kompass: zwischen antirussischer Orthodoxie, transatlantischer Hoffnung und nationaler Selbstvergewisserung. Ludwig Lange fordert eine geopolitische Nüchternheit, die die deutschen Interessen in den Mittelpunkt stellt.

Kommentar von
12.7.2025
/
4 Minuten Lesezeit
Wer für die Ukraine kämpft, hat in Deutschland aufgegeben

Lange fordert: kein Russlandsfetisch, kein Transatlantizismus, keine geopolitische Ersatzreligion, sondern Deutschland zuerst.

© IMAGO / photothek

Ein Gespenst geht um in der deutschen Rechten – das Gespenst des „Russenstusses“. Wer seit 2023 die Entwicklungen in der patriotischen Sphäre aufmerksam verfolgt hat, konnte es kaum übersehen. Der Ton gegenüber Russland ist rauer geworden. Wo einst Verständnis, strategische Sympathie oder zumindest pragmatische Zurückhaltung herrschten, ertönt heute immer lauter der Chor einer neuen Allianz gegen Moskau – selbst in Kreisen, die sich einst betont neutral oder gar russlandfreundlich gaben. Dieses Phänomen – nennen wir es ruhig beim Namen – ist eine Art Anti-Russland-Föderation (ARF): ein digitaler Block aus X-Accounts, Blogs und Meinungsmachern, deren stärkste Waffe nicht die Argumentation, sondern die Denunziation ist.

Der Begriff „Russenstuss“, einst ein schillernder Spottbegriff aus den dunkleren Ecken der Verschwörungsszene, ist zum Kampfbegriff aufgestiegen. Und wer ihn verwendet, dem geht es oft weniger um politische Klarheit als um ideologische Disziplinierung. Wer Fragen stellt, Komplexität zulässt oder sich nicht zur bedingungslosen Unterstützung der Ukraine durchringen kann, gilt schnell als „Russenstusser“. Dabei offenbart sich die Absurdität dieser Haltung gerade in ihrer selektiven Empörung: Was auch immer gesagt wird, es könnte ja Russland nützen – und das reicht als Verdachtsmoment?

Von Benesch bis Benimm: Wie ein Schimpfwort den Diskurs lenkt

Die Ironie dabei ist, dass der Begriff selbst aus einer Verschwörungserzählung stammt – aus dem Umfeld des exzentrischen Kommentators Alexander Benesch, der einst russische Einflussnetzwerke in der westlichen Rechten imaginierte. Aus dieser Schimäre wurde ein Narrativ, aus dem Narrativ eine Waffe. Heute ist „Russenstuss“ kein klarer Vorwurf mehr, sondern ein diffuser „Vibe“, eine moralische Kategorie, die zur Grenzziehung innerhalb der Rechten dient.

Und dennoch: Vielleicht ist es nicht nur der „Russenstuss“, der gerade weggeräumt wird, sondern ein ganzer geopolitischer Irrweg. Die Zeiten ändern sich. Mit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 und dem globalpolitischen Rückschwung des woken Universalismus erodieren auch alte Gewissheiten. Der rechte Soziologe Neema Parvini prophezeite, dass der Westen seine groteskesten Ideologieauswüchse zumindest taktisch zurückfahren würde. Ähnliches ließe sich für die deutsche Rechte sagen: Der naive Russophilismus der letzten Jahre beginnt zu bröckeln.

Dass Russland kein Bollwerk gegen den globalen Liberalismus ist, sondern selbst ein dysfunktionaler, multikultureller und im Inneren repressiver Staat ist, ist keine neue Erkenntnis. Doch lange wollte man dies nicht hören. Jetzt aber erkennen immer mehr Akteure, dass strategische Neutralität nicht gleichbedeutend mit Sentimentalität gegenüber dem Kreml sein muss. Die Welt ist multipolar, die Bedrohungen sind komplex – und zwischen EU-Globalismus und Moskauer Imperialphantasien gibt es mehr als eine binäre Entscheidungsmöglichkeit.

AfD zwischen Trump-Hoffnung und transatlantischer Versuchung

Diese Neuausrichtung betrifft auch die AfD, die sich in der Ära Trump 2.0 zwischen alten Loyalitäten und neuen geopolitischen Optionen wiederfindet. Der ehemalige US-Präsident, dem viele Rechte bis heute überdimensionale Hoffnungen entgegenbringen, könnte – im Konjunktiv – Schutz bieten. Doch bisher bleiben seine außenpolitischen Signale vage, sein Fokus liegt klar auf der Innenpolitik und auf der Unterstützung Israels. Die AfD-Spitze, die von Elon Musk und JD Vance mit wohlklingenden Gesten bedacht wurde, muss nun entscheiden, ob sie sich als willfähriger Statthalter eines amerikanischen Machtprojekts neu erfinden oder an ihrem Anspruch auf echte europäische Souveränität festhalten will.

Die Versuchung, sich anzubiedern, ist groß. Doch wer Remigration will und nationale Selbstbestimmung ernst nimmt, kann sich nicht auf Gedeih und Verderb an Washington ketten. Eine strategische Distanz zu allen Großmächten – ob Moskau, Brüssel oder Washington – wäre das Gebot der Stunde. Krahs Rückzug aus der Remigrationskampagne mag parteitaktisch motiviert sein, er offenbart aber auch eine strukturelle Schwäche: die Angst, mit echten Positionen in offene Konflikte zu geraten.

Zeit für Souveränität

Die Aufgabe der echten Rechten ist es daher nicht, sich vorauseilend in Lager einzureihen, sondern Kontersignale zu setzen. Gegen die neue Orthodoxie der Anti-Russen-Föderation. Gegen die Suggestion, dass man sich den Zutritt zur „westlichen Elite“ durch Ukrainetreue erkaufen könne. Und gegen jede Illusion, es gäbe geopolitische Abkürzungen zum nationalen Erwachen.

Weg mit dem Russenstuss – ja. Aber ebenso weg mit dem antirussischen Furor, der sich zum neuen Passierschein innerer Rechtgläubigkeit aufschwingt. Der Feind steht nicht im Osten. Und er steht auch nicht nur im Westen. Er steht dort, wo nationale Selbstbestimmung unterdrückt, ethnische Identität diffamiert und die Völker Europas demografisch zersetzt werden – von wem auch immer.

Die hohe Kunst des Kontersignalisierens

Ukraine dies, Russland das. Ach, wie aufregend sind Internetdebatten. Aufregend – aber müßig, wenn sie sich im geopolitischen Sandkasten abspielen. Die wahre Kunst besteht darin, sich über diese Ebene zu erheben. Nicht durch Belehrung, sondern durch Transzendenz. Statt den „Ukraineshills“ geduldig ihre Widersprüche aufzuzeigen, genügt ein trockener Konterspruch: „Me ne frego – mach erst einmal millionenfache Remigration.“

Das ist keine Respektlosigkeit, sondern Prioritätensetzung. Denn so mancher Ukraineunterstützer ist kein transatlantischer Untertan, sondern schlicht ein frustrierter Nationalist, der in Deutschland keinen Hebel sieht – und sich deshalb in eine ferne Front flüchtet, an der es zumindest eine klare Linie gibt. Man sollte sie nicht unnötig verprellen. Die Regeln des Engagements lauten daher: Beleidigt wird nur, wer zuerst beleidigt.

Aber genau darum ist der Ukrainekrieg nicht unser Krieg. Nicht, weil wir keine Ukrainer wären – das ist sekundär. Primär ist: Der deutsche Kampf ist härter, diffuser, unglamouröser. Aber es ist unser Kampf. Und ihn kann uns keiner abnehmen – kein Russe, kein Amerikaner, kein Ukrainer.

Deshalb: kein Russlandfetisch. Kein Transatlantizismus. Keine geopolitische Ersatzreligion. Nur ein Ziel: Deutschland an erster Stelle. Und Deutschland ausschließlich. Die Zeit des Lagerdenkens ist vorbei. Es ist Zeit für Souveränität.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Ludwig Lange

Ludwig Lange ist ein rechter Solitär aus Westdeutschland, der vor allem auf der Plattform X aktiv ist.

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