Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

Die doppelte Brandmauer: Wie CDU/CSU in einem politischen Gefängnis gefangen sind

Die doppelte Brandmauer gegen konservative Politik zwingt die Union zu ungleichen Koalitionen und lähmt jede inhaltliche Erneuerung. Jurij Kofner sieht sie als strategisches Machtinstrument, durch das die Union an links-grüne Partner und EU-Vorgaben gebunden wird.

Jurij Kofner
Kommentar von
29.7.2025
/
5 Minuten Lesezeit
Die doppelte Brandmauer: Wie CDU/CSU in einem politischen Gefängnis gefangen sind

„Gefangen zwischen Brandmauer und Brüssel“: Laut Kofner verhindert die Union durch ideologische Selbstfesselung eine echte konservative Wende.

© IMAGO / Frank Ossenbrink

Vor einigen Wochen führte ich ein vertrauliches Gespräch mit einem hohen CSU-Funktionär, in dem es natürlich auch um die viel diskutierte „Brandmauer“ ging. Ich erklärte meinem Gesprächspartner: Die Brandmauer ist ein undemokratisches politisches Konzept, das primär die Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und der AfD verhindern soll. In der öffentlichen Wahrnehmung, geprägt von Medien und etablierten Parteien, wird sie als Bollwerk der „demokratischen Mitte“ gegen die AfD stilisiert. Doch das ist nur die viertelte Wahrheit. In erster Linie dient die Brandmauer als Kontrollinstrument gegen die CDU/CSU selbst. Sie hindert die Union daran, konservative Politik im Sinne der sozialen Marktwirtschaft umzusetzen, und zwingt sie in ein Gefängnis aus Koalitionen mit links-grünen Parteien wie SPD und Grünen.

Der Mechanismus ist perfide: Immer dann, wenn die Umfragewerte der AfD steigen oder CDU/CSU-Politiker eine Zusammenarbeit andeuten, reagieren etablierte Akteure – Medien, politische und kulturelle Eliten sowie der weisungsgebundene Verfassungsschutz – mit inszenierten Skandalen oder negativen Kampagnen gegen die AfD. Insbesondere, wenn die AfD die auf Landes- oder Bundesebene regierende Partei in Umfragen überholt, stuft der Verfassungsschutz die AfD regelmäßig hoch, etwa von einem Prüffall über einen Verdachtsfall bis hin zu „gesichert rechtsextrem“. Das bekannteste Beispiel ist wohl die Potsdam-Ente aus dem Januar 2024, ein medial aufgebauschter Vorfall von einem vermeintlichen „Geheimtreffen“, der die AfD diskreditieren sollte. Diese inszenierten Skandale sollen den CDU/CSU-Funktionären suggerieren, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD moralisch verwerflich und politisch unmöglich sei. Das Ergebnis: Die Union distanziert sich von konservativen Positionen und wird in Koalitionen mit links-grünen Parteien gedrängt, deren Politik sie umsetzen muss.

Die Linksverschiebung der Union

Die Brandmauer wäre natürlich nicht so wirkungsvoll, hätte sich die CDU/CSU nicht selbst in den letzten 30 Jahren laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung inhaltlich um etwa 20 Prozent nach links verschoben. Diese Entwicklung zeigt sich auch in der innerparteilichen Sozialisation, die ich zum Beispiel im Bayerischen Landtag beobachten kann: Während ältere CSU-Abgeordnete unter der Hand noch konservative Werte vertreten, sind jüngere Funktionäre auffallend grün-ideologisch geprägt. Dies äußert sich unter anderem im lockeren Umgangston, etwa durch Duzen oder Begrüßungs-Bussis zwischen CSU-, SPD- und Grünen-Abgeordneten. 

Warum die SPD von der Brandmauer profitiert

Der Spieltheorie-Experte Prof. Dr. Christian Rieck erklärt nachvollziehbar, warum die CDU/CSU in Koalitionen mit der SPD stets benachteiligt ist. Trotz höherer Wahlergebnisse bei der letzten Bundestagswahl (CDU/CSU: 28,5 Prozent, SPD: 16,4 Prozent) wird die SPD durch die Brandmauer zum gleichberechtigten Partner. Spieltheoretisch sind beide Parteien voneinander abhängig: Ein Koalitionsbruch würde die SPD in die Macht- und Bedeutungslosigkeit stürzen, während die CDU/CSU nur die AfD als Partner hätte – eine Option, die eben die Brandmauer verhindert. So entsteht ein „50:50“-Machtverhältnis, obwohl die SPD der große Wahlverlierer ist. Mein CSU-Gesprächspartner stimmte zu: Die Brandmauer ist ein Gefängnis, das die Union in eine ungleiche Partnerschaft zwingt.

Die zweite Brandmauer: EU-Vorgaben als Fessel

Noch gravierender ist die zweite, weniger als solche erkannte Brandmauer auf EU-Ebene, die ich meinem Gesprächspartner erläuterte. Sie ergibt sich aus der Verpflichtung, EU-Vorgaben in Deutschland umzusetzen, unabhängig von der politischen Ausrichtung einer Regierung. Selbst wenn die CDU/CSU die nationale Brandmauer überwinden und mit der AfD koalieren würde, müsste sie links-grüne EU-Vorgaben wie die Energiewende, Dekarbonisierung oder Energiepreissteigerungen umsetzen. Diese stehen im Widerspruch zu konservativen Werten und schränken die Handlungsfreiheit der Union ein.

Die Ursache dieser zweiten Brandmauer ist die „EU-Hörigkeit“ der CDU/CSU, eine ideologische Unterwerfung gegenüber Brüssel: „eine heilige Religion der EU“. Viele Unions-Funktionäre verwechseln eine pro-europäische Haltung, welche die AfD vertritt, mit der unkritischen Akzeptanz der EU als politisches Konstrukt. Im Gegensatz dazu fordert die AfD, nationale Interessen über EU-Vorgaben zu stellen und eine Reform der EU hin zu einer „Europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft“ (EWIG). Ein Dexit bleibt für die AfD ein letztes Drohmittel, während die CDU/CSU diese zweite Brandmauer bisher nicht hinterfragt.

Vom Enthusiasmus zum Zwang

Die CDU/CSU hat selbst aktiv an EU-Richtlinien mitgewirkt, etwa beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder der CO₂-Bepreisung, und diese oft früher als die EU eingeführt beziehungsweise verschärft umgesetzt, um sich als besonders „europäisch“ und „klimapolitisch verantwortungsvoll“ zu präsentieren. Doch diese EU-Hörigkeit wird zum Bumerang: Die Union ist gezwungen, Maßnahmen umzusetzen, die sie nun vor Wahlen ablehnt oder zumindest öffentlich kritisiert. Fünf Beispiele verdeutlichen dies:

- Heizungszwang (GEG vs. EU-EPBD/RED III): Das deutsche GEG verlangt 65 Prozent erneuerbare Energien bei Neubauten, die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) emissionsfreie Gebäude ab 2030. Selbst bei einer Abschaffung des GEG müsste die CDU/CSU EU-Vorgaben umsetzen, die ähnliche oder schärfere Regeln vorschreiben. Die Kosten: 1,5 Billionen Euro bis 2050.

- CO₂-Abgabe (BEHG vs. ETS2): Die nationale CO₂-Abgabe wird 2027 ins EU-ETS2 überführt, mit Preisen bis 235 Euro pro tCO₂. Dies treibt Kraftstoff- und Heizkosten in die Höhe, belastet Haushalte mit 440 Euro jährlich und wurde von der CDU/CSU mitbeschlossen.

- Lieferkettengesetz (LkSG vs. CSDDD): Das deutsche LkSG, von der Union mitgestaltet, wird durch die strengere EU-CSDDD ab 2028 ersetzt. Die Kosten belasten die Wirtschaft mit 77,3 Mrd. Euro jährlich.

- Energieeffizienzgesetz (EnEfG vs. EED): Beide Gesetze setzen ähnlich gravierende Energie-Einsparziele, die das BIP um etwa einen Prozent senken. Die EU-EED geht weiter und wurde von der CDU/CSU mitverhandelt.

- Bundesklimaschutzgesetz (KSG vs. Green Deal): Das KSG (88 Prozent Emissionsreduktion bis 2040) wurde von der CDU/CSU verschärft, der EU-Green Deal verlangt 90 Prozent. Die Kosten: fünf bis sechs Billionen Euro bis 2045.

Ein Umdenken wird unvermeidlich

Die immensen Kosten der EU-Vorgaben – Energiewende, Dekarbonisierung, steigende Lebenshaltungskosten – werden in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre enormen Druck auf die CDU/CSU erzeugen. Ebenso verstärken Kernprobleme wie Masseneinwanderung, Islamisierung, Überfremdung und Bevölkerungsaustausch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die diese Belastungen nicht mehr hinnehmen wird. Selbst Entscheidungsträger der Union werden höchstwahrscheinlich gezwungen sein, die Zusammenarbeit mit der AfD zu erwägen, trotz des Widerstands des links-grünen Establishments. Doch eine Koalition mit der AfD wäre nur dann glaubwürdig, wenn die CDU/CSU auch die zweite Brandmauer – die EU-Hörigkeit – überwindet. Dies erfordert eine Neuorientierung hin zu nationalen Interessen, ähnlich den Positionen von Viktor Orbán oder Robert Fico. 

Sollte es nicht bald zu einer „Revolution von oben“ in der CDU und CSU kommen, die die Union nicht nur rhetorisch wieder nach rechts zieht und grün-gesinnte Parteimitglieder konsequent parteiintern kaltstellt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Union zerbricht. Es könnte sich ein grüner Mehrheitsflügel und ein konservativer Minderheitsflügel bilden, wobei letzterer bereit wäre, eine blau-schwarze Regierungskoalition, dann bereits unter AfD-Führung, einzugehen.

Aber auch die AfD muss sich der zweiten Brandmauer bewusst werden. Würde sie als Koalitionspartner die oben genannten EU-Vorgaben umsetzen, verlöre sie ihre Glaubwürdigkeit bei ihren Wählern. Eine Reform der EU hin zu einer Gemeinschaft, die nationale Interessen priorisiert, könnte (und müsste) durch den Druck der Bevölkerung und eine Koalition mit der AfD in den kommenden Jahren realistisch werden.

Ausweg aus dem Gefängnis

Die doppelte Brandmauer – die nationale, die die CDU/CSU in links-grüne Koalitionen zwingt, und die europäische, die sie an EU-Vorgaben bindet – verhindert konservative, freiheitliche Politik. Die Union muss beide Brandmauern überwinden, indem sie ihre EU-Hörigkeit hinterfragt und nationale Interessen in den Vordergrund stellt. Die steigenden Kosten der EU-Agenda werden die CDU/CSU zwingen, ihre Position zu überdenken. Eine Koalition mit der AfD und eine EU-Reform könnten in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre zur Realität werden, wenn die Belastungen für die Wähler nicht mehr zu ignorieren sind. Nur so kann die Union ihre Identität zurückgewinnen und den Vertrauensverlust bei ihrer Wählerschaft stoppen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Jurij Kofner

Jurij Kofner

Jurij C. Kofner ist gebürtiger Münchner und arbeitet als Ökonom beim Miwi Institut. Zudem ist er als Fachreferent für Wirtschaft, Energie und Digitales bei der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag angestellt.

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