Paralleljustiz statt Staat? Krah will Migranten zu Ordnungshütern machen
Mit seinen ungewöhnlichen Vorschlägen zur öffentlichen Ordnung sorgt Maximilian Krah für Diskussionen. Der AfD-Politiker plädiert für eine stärkere Rolle gesellschaftlicher Milieus und somit für mehr „Sozialkontrolle”.
Mit seinen Aussagen sorgt Krah seit Wochen für Schlagzeilen in den Medien und für Aufregung im rechten Lager.
© IMAGO / RevierfotoDer AfD-Politiker Maximilian Krah sorgt mit seinen Äußerungen bereits seit Wochen für Aufsehen und damit vor allem im eigenen Lager für massive Irritationen. Erst kürzlich machten Aussagen von ihm bei einem AfD-Bürgerdialog in den Sozialen Medien die Runde. Darin vertrat er ungewöhnliche Vorstellungen zur öffentlichen Ordnung und Integration. In einem späteren Beitrag auf X legte er noch einmal nach. Anstelle eines stärkeren Polizeiapparats forderte er mehr soziale Kontrolle und eine stärkere Einbindung von Milieus und Gemeinschaften.
Krah will auf „Sozialkontrolle“ setzen
Auf X erklärte Krah: „Die Lösung vieler Probleme der öffentlichen Ordnung liegt nicht nur in besserer Polizei, sondern auch in sozialer Kontrolle.“ Seine Idee veranschaulichte er an dem Beispiel von Schülern. „Wenn Hans in der Schule ein Bully ist, aber ein begeisterter Fußballspieler, der regelmäßig trainiert und aufs Sportgymnasium will, dann wird ein kluger Lehrer den Jugendtrainer kontaktieren und nicht die Polizei rufen oder zum x-ten Male die überforderte Mutter einbestellen“. Das Problem bei den Migranten sei oft, dass keine solchen Ansprechpartner bekannt seien und diese auch nicht kooperieren würden. Das zu ändern sei aber keine „Selbstaufgabe“, sondern der Weg, um die „ständigen und sinnlosen Polizeieinsätze“ in Schulen zu verringern, so Krah. Die Ordnung müsse gelebt und in der Gesellschaft hergestellt werden, „Polizei und Justiz sind immer nur ultima ratio und das Eingeständnis eines vorangegangenen Ordnungsverlustes“.
Zuvor äußerte Krah sich schon bei einem Bürgerdialog direkt zu seinem gesellschaftspolitischen Ansatz. Man werde die „Guten“ von den „Schlechten“ trennen. Und die Guten würden dann dabei helfen, Probleme in den Schulen zu klären, indem man es zurückspielt und sagt: „Da ist einer von euch, der macht Ärger. Klärt das und pfeift ihn zurück. Und ich verspreche euch, das wirkt besser als jede deutsche Polizei“, so Krah zum Publikum.
Seitdem haben Krahs Äußerungen zahlreiche Kritik hervorgerufen. „Jetzt dreht Krah völlig frei“, schrieb der Nutzer, der den Ausschnitt aus dem Bürgerdialog teilte. In den Kommentaren darunter finden sich viele ähnlich kritische Wortmeldungen. Krah selbst verteidigt seinen Vorschlag: „Das nennt man Sozialkontrolle. Ist das Gegenmodell zur völligen Atomisierung der Gesellschaft“. „Versuchen Sie einfach mal, Ihre Vorurteile gegen Einwanderer zu zügeln, in dem Sie den Fall innerhalb der deutschen Ethnie durchspielen“, sagte Krah und verwies dabei auf das Beispiel mit dem Schüler Hans.
Während ihm ein Nutzer vorwarf, damit „komplett am Thema vorbei“ zu sein, zeigten sich andere besorgt darüber, dass Krah künftig noch weiter gehen könnte: „Der nächste Schritt ist dann die offizielle Anerkennung von Sharia-Gerichten“, so ein X-Nutzer.
Strategiewechsel als Notwendigkeit
In den letzten Wochen hatte Krah in mehreren Beiträgen auf X sowie in Gesprächen mit Medien und anderen Akteuren des rechten Lagers betont, dass er einen Strategiewechsel für notwendig hält. Während er früher für Maßnahmen wie „millionenfache Remigration“ eintrat, setzt er heute auf subtile Separierung innerhalb des Staatsrechts. „Wir werden unser Ziel auf anderem Weg erreichen“, so Krah.
Sein Lösungsansatz: Einwanderer sollen in eigenen Strukturen leben, statt in die Mehrheitsgesellschaft integriert zu werden. Assimilation bezeichnet Krah als „ein Synonym für Melting Pot“. Um sein Ziel zu erreichen, reicht es laut Krah, keine neuen Migranten mehr ins Land zu lassen und alle Maßnahmen zu unterlassen, die auf eine „Durchmischung der Ethnien“ zielten. Auch eine Migrantenquote in Schulen lehnt er ab. Die Gruppen verschiedener Einwanderer wollten, so zitiert ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung, „unter sich“ bleiben und sollten daran nicht gehindert werden. Die AfD-Bundestagsfraktion wollte sich auf FREILICH-Anfrage nicht zu Krahs Aussagen und der von ihm formulierten Linie zur gesellschaftlichen Ordnung und Integration äußern. „Bitte haben Sie Verständnis, dass die Fraktion nicht jede Äußerung ihrer Mitglieder kommentiert, die diese in Ausübung ihres freien Mandats tätigen“, hieß es aus der Pressestelle.
Multikulturalismus der Altparteien
Unterdessen bleibt unklar, wie erfolgversprechend Krahs Pläne überhaupt sind. Martin Sellner, Verfechter des Remigrationskonzeptes, erklärte gegenüber FREILICH, dass Krahs Positionen nicht neu seien, sondern „schlicht der radikale Multikulturalismus, der bereits von Altparteien vertreten wird“. Migranten würden dazu ermutigt – trotz Einbürgerung – ihre alten Loyalitäten und ethnoreligiösen Strukturen zu erhalten. „Auch in Belgien und England wird der Rechtsstaat bereits an Schariagerichte ausgelagert“, so Sellner. Bei Clankriegen in Deutschland würden arabische Scheichs aus Syrien via Zoomkonferenz vermitteln. „Das hat mit einem Rechts- und Nationalstaat wenig zu tun“, so die Kritik.
Nach Sellners Auffassung müsste die Aufgabe einer rechten Opposition vielmehr darin bestehen, das zu kritisieren und dagegen anzukämpfen. „Wir müssen zeigen, dass dieser Multikulturalismus gescheitert ist – ein klarer Beleg, dass es ohne Volk keine Demokratie gibt“. Statt Deutschlands Abstieg in einen islamisch geprägten Vielvölkerstaat zu verwalten, müsse eine rechte Partei alternative Wege aufzeigen. „Das scheint immer noch der Konsens in der AfD zu sein“, so Sellner. „Krahs Versuch, den Multikulturalismus in der Partei zu popularisieren, dürfte scheitern“, ist er sich sicher.
Hinweis: Der Beitrag wurde um die Stellungnahme von Martin Sellner ergänzt.