Kampferprobt und radikal: 40 Prozent der ausgereisten Islamisten wieder in Deutschland
Rund 40 Prozent der ausgereisten Islamisten sind nach Deutschland zurückgekehrt. Die Sicherheitsbehörden sehen darin ein wachsendes Risiko für Anschläge im Inland.
Unter den IS-Ausreisern befanden sich immer wieder auch Frauen. (Symbolbild)
© IMAGO / ZUMA Press WireBerlin. – Nach der Festnahme eines 22-jährigen mutmaßlichen Islamisten in Berlin-Neukölln warnte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erneut vor einer wachsenden Gefahr durch islamistischen Terror. Die Bedrohung sei „abstrakt“, aber dennoch hoch, zitiert Euronews den Minister. Erst wenige Tage zuvor war in Augsburg ein weiterer mutmaßlicher IS-Anhänger festgenommen worden.
Zahl der Islamisten steigt erneut
Dem aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes zufolge lebten 2024 insgesamt 28.280 Personen in Deutschland, die einer vom Verfassungsschutz beobachteten islamistischen Organisation angehören. Dies ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr, als es 27.200 Personen waren. Von diesen werden 9.540 als gewaltorientiert eingestuft. Der Verfassungsschutz warnt: „Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland ist anhaltend hoch.“
Rückkehrer: 40 Prozent wieder in Deutschland
Seit 2011 sind 1.150 Personen aus Deutschland ausgereist, um sich islamistischen Gruppen in Syrien oder im Irak anzuschließen. Etwa 40 Prozent von ihnen, das sind rund 472 Menschen, leben inzwischen wieder in Deutschland. Laut Verfassungsschutz stellen sie ein besonderes Risiko dar, da viele von ihnen ideologisch indoktriniert und militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult worden sein könnten. Laut dem Bundeskriminalamt gibt es zu etwa 65 Prozent der gereisten Personen konkrete Anhaltspunkte, dass sie aufseiten des Islamischen Staates (IS) an Kampfhandlungen teilgenommen oder diese unterstützt haben.
Rund drei Viertel der ausgereisten Islamisten sind Männer und 25 Prozent Frauen. Mehr als die Hälfte von ihnen besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, teilweise in Kombination mit einer zweiten. Mindestens 30 Rückkehrer haben Deutschland inzwischen wieder verlassen, teils nach Abschiebungen oder freiwillig in Drittstaaten.
Ermittlungen gegen Rückkehrer
Gegen 312 zurückgekehrte Personen laufen derzeit Verfahren wegen Straftaten, die sie im Zusammenhang mit ihrer Ausreise nach Syrien oder in den Irak begangen haben sollen. „Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden bisher 111 Personen verurteilt; 119 Ermittlungsverfahren sind aktuell noch anhängig und 122 Verfahren wurden vorläufig eingestellt“, berichtet Euronews weiter.
Bis 2011 führten die ersten islamistischen Ausreisen überwiegend in die pakistanisch-afghanische Grenzregion, ab 2012 zogen jedoch verstärkt Kämpfer nach Ägypten und Libyen. Ab 2014 wurden Syrien und der Irak zu den Hauptzielen. Heute gilt die sogenannte „Islamische Staat Provinz Khorasan“ laut dem Verfassungsschutz weiter als der „relevanteste IS-Regionalableger“.
Mit rund 11.000 Personen ist die salafistische Szene die zahlenmäßig bedeutendste islamistische Strömung in Deutschland. Sie umfasst Personen mit islamistischem Gefährdungspotenzial. Das Bundeskriminalamt warnt: „Die Gefahr für jihadistisch motivierte Gewalttaten ist weiterhin hoch.“ Deutschland befinde sich im „unmittelbaren Zielspektrum terroristischer Organisationen“, insbesondere des IS.
Neue IS-Taktik: Anschläge im Alltag
Inzwischen setzt der Islamische Staat verstärkt auf Einzeltäter. „Ab 2017 hat der IS seine Taktik geändert“, erklärt Schindler im Gespräch mit Euronews. Der IS rekrutiere über das Internet, was zu „Attentaten mit vielen kleinen Anschlägen“ führe. Ein Beispiel hierfür ist der Messerangriff in Solingen im August 2024, bei dem der Syrer Issa al H. drei Menschen tötete. Der IS reklamierte die Tat für sich.
Auch der Messerangriff von Mannheim im Mai 2024 geht mutmaßlich auf islamistische Motive zurück: Der Afghane Sulaiman A. verletzte dabei sechs Menschen, darunter den Islamkritiker Michael Stürzenberger. Ein verletzter Polizist erlag später seinen Verletzungen. Zudem bekannte sich der IS bereits im Jahr 2016 zu dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, bei dem zwölf Menschen starben und über 50 weitere verletzt wurden.
31 Anschläge verhindert – Gefahr bleibt
Seit dem Jahr 2000 konnten in Deutschland 31 islamistische Anschläge verhindert werden. „In einer Vielzahl weiterer Fälle konnten Tatvorhaben bereits in einem frühen Stadium unterbunden werden“, erklärte das Bundesinnenministerium gegenüber Euronews. Zuletzt wurde in Berlin ein 22-jähriger Verdächtiger festgenommen, bei dem in der Wohnung Sprengstoff gefunden wurde.
Laut dem Bundeskriminalamt hat sich die Zahl der laufenden Ermittlungsverfahren wegen islamistischer Straftaten seit 2014 mehr als verdoppelt. „Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Beschuldigten insgesamt sowie mit Bezug zur Konfliktregion Syrien/Irak, denen die Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird oder wurde“, heißt es weiter.
Ein Grund sei die rasante Online-Radikalisierung. In Zeiten von zum Teil schnellen „Online-Radikalisierungen“ sowie von Online-Kontakten zwischen terroristischen Organisationen und Anschlagsaspiranten würden die rechtlichen wie technischen Möglichkeiten zur (Online-)Aufklärung eine entscheidende Rolle spielen, erklärte das Innenministerium. Das BKA fordert deshalb eine Entbürokratisierung und eine „praxisnahe, moderne und effiziente Ausgestaltung der erforderlichen Datenschutzregelungen“.





