Fünf wichtige Fakten zur neuen Migrationswelle 2023

Europa ist ein Magnet für Einwanderer. Das bestätigt sich auch, wenn man auf die aktuellen Entwicklungen in und um Europa blickt. Krieg im Osten, Migration aus Afrika, explodierende Asylanträge, fragwürdige Entscheidungen rechter Politiker und Täuschungsmanöver von EU-Parlamentariern. FREILICH hat sich fünf Vorgänge genauer angesehen.

/
/
5 Minuten Lesezeit
Fünf wichtige Fakten zur neuen Migrationswelle 2023
Migranten bei ihrer Anlandung in Salerno© IMAGO / Antonio Balasco

Ukrainer bleiben in Deutschland und Österreich

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 hat eine Flüchtlingswelle nach Europa ausgelöst, von der Länder wie Deutschland, Polen und Tschechien am heftigsten getroffen wurden. Wie aktuelle Zahlen zeigen, haben Deutschland mit 1,7 Millionen und Polen mit 992.670 die höchste Zahl an registrierten Flüchtlingen aus der Ukraine zu verzeichnen. Dahinter folgt weit abgeschlagen Tschechien mit 341.745 Flüchtlingen. Auch nach Österreich sind viele Ukrainer gekommen – laut Zahlen von Statista wurden mit Stand Juni 2023 insgesamt 90.110 ukrainische Flüchtlinge im Land registriert. Dass ein Teil dieser Menschen irgendwann wieder in die Ukraine zurückkehren wird, ist vorstellbar. Zwar hat in einer vom deutschen Bundesamt für Migration durchgeführten Umfrage fast die Hälfte, konkret 44 Prozent der befragten, derzeit in Deutschland lebenden Ukraineflüchtlinge angegeben, langfristig im Land bleiben zu wollen. Gleichzeitig können sich etwa 71 Prozent nicht vorstellen, für immer in Deutschland zu leben. Innerhalb dieser Gruppe möchten 38 Prozent nach dem Kriegsende in ihre Heimat zurückkehren, weitere 30 Prozent wollen einen engen Kontakt zu Deutschland halten und zumindest zeitweise hier leben.

In Österreich ist die Situation ähnlich. Laut einer vom UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR durchgeführten Umfrage denken lediglich vier Prozent der Ukraineflüchtlinge, dass sie in den nächsten drei Monaten in ihr Land zurückkehren werden. Für das österreichische Sozialsystem könnte das deshalb problematisch sein, weil die Flüchtlinge aus der Ukraine gleichzeitig in die Armut abzurutschen drohen. Über ein Drittel der 533 befragten Flüchtlingshaushalte (rund 38 Prozent) gaben im Rahmen der Umfrage an, dass sie ihre Grundbedürfnisse in den letzten drei Monaten in Österreich kaum mehr decken konnten. Alarmierende 17 Prozent konnten ihre Grundbedürfnisse gar nicht mehr decken.

Asylanträge in Deutschland explodieren

Die Flüchtlingswelle aus der Ukraine schlägt sich in Deutschland auch in den Asylantragszahlen nieder. Im vergangenen Jahr wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 244.132 Asylanträge gestellt, das sind 27,9 Prozent mehr als im Vorjahr 2021. Bis zum Jahresende 2022 wurden in Deutschland außerdem 1.045.185 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst. Damit sind im Jahr 2022 etwa 80 Prozent der Schutzsuchenden, die nach Deutschland gekommen sind, aus der Ukraine geflohen.

Im aktuellen Jahr ist die Ukraine bei den Ländern, aus denen die meisten Antragssteller kommen, jedoch nicht unter den Spitzenreitern. Von den 162.271 Personen, die im Zeitraum Januar bis Juni einen Asylantrag gestellt haben, kommen die meisten aus Syrien (44.394), Afghanistan (28.635) und der Türkei (19.587). In Hinblick auf die gestiegenen Asylantragszahlen zeigt sich damit eine dramatische Entwicklung. Denn während im Vergleichszeitraum des Vorjahres 84.583 Erstanträge gestellt wurden, waren es in der ersten Hälfte dieses Jahres 150.166 Erstanträge, das entspricht einem Anstieg um 77,5 Prozent.

Über die Kanarischen Inseln nach Europa

Über welche Routen Migranten nach Europa kommen, konnte die Welt in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gut beobachten. Neben der Balkan- und Mittelmeerroute kommt der westafrikanischen Route in letzter Zeit immer mehr Bedeutung zu. So begibt sich eine steigende Zahl von Migranten aus Marokko, der Westsahara, Mauretanien, Senegal und Gambia vermehrt auf gefährliche Reisen entlang der westafrikanischen Küste, um von dort aus die Kanarischen Inseln und im weiteren Verlauf Europa und damit Deutschland zu erreichen.

Die neue Migrationsroute entstand im Zusammenhang mit der ungeklärten Anerkennung der Westsahara als einer von Marokko kontrollierten Zone. Spanien hatte die umstrittene Herrschaft lange nicht anerkannt. Das führte zu Unklarheiten, etwa bei der Zuständigkeit für die „Seenotrettung“ an der westafrikanischen Küste. Besonders während der Coronapandemie nutzten Schlepper diesen Zustand aus. Damit gelang im Jahr 2020 23.271 illegalen Migranten die Einreise, 2021 waren es mit 22.316 etwas weniger. Für 2022 liegt die Schätzung laut Statista bei 15.682. In diesem Jahr kamen bereits 7.231 Migranten auf die spanische Inselgruppe. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Zahl der Ankünfte in diesem Jahr jene vom Vorjahr übersteigen wird.

Meloni will halbe Million Arbeitsmigranten ins Land holen

Menschen kommen aber nicht nur als Kriegsflüchtlinge oder als illegale Migranten nach Europa. Neben den zwei genannten Gruppen kommen jährlich auch zahlreiche Arbeitsmigranten nach Deutschland, Österreich oder Italien. Besonders in Italien könnte die Zahl der Arbeitsmigranten in den kommenden Jahren jedoch dramatisch steigen. Schuld daran ist ausgerechnet die rechte italienische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Diese hat in einem neuen Dekret beschlossen, bis 2025 rund 450.000 Einwanderern eine Arbeitserlaubnis zu erteilen – ein historischer Höchstwert. Weitere 40.000 Zulassungen sind im laufenden Jahr vorgesehen, um den unmittelbaren Bedarf von Saisonarbeitern in der Landwirtschaft, im Tourismus und im Hotelgewerbe zu decken.

Viele werfen Meloni deshalb vor, ihre eigenen Positionen verraten zu haben. Im Wahlkampf hatte Meloni selbst sogar eine militärische Seeblockade gegen die Migrantenboote in Aussicht gestellt; und ihr Schwager, Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, hatte noch vor kurzem erklärt, dass es nicht sein könne, dass offene Arbeitsstellen in Italien mit ausländischen Arbeitskräften besetzt würden. Das käme einer „ethnischen Ersetzung“, einem „Austausch“ gleich.

Das Brüsseler Migrationsabkommen als Täuschung

Ähnlich kritisch wie das Dekret zur Arbeitsmigration wird auch das Brüsseler Migrationsabkommen betrachtet, auf das man sich unlängst mit Tunesien geeinigt hat. Vor allem die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war es, die auf eine Vereinbarung drängte, um die von Tunesien ablegenden Migrantenboote auf deren Weg nach Süditalien und damit in die Europäische Union früh zu stoppen. Tunesien ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf dem Weg nach Europa. Vor allem in Italien wird seit geraumer Zeit über die Ankunft Tausender Migranten diskutiert. In diesem Jahr stiegen die Migrationszahlen über die Mittelmeerroute massiv.

Allein bis Freitag (14.07.2023) zählte das Innenministerium in Rom mehr als 75.000 Bootsmigranten, die seit Jahresbeginn an Italiens Küsten ankamen – im Vorjahreszeitraum waren es rund 31.900. Auch wenn das Migrationsabkommen gut gemeint ist, ist es fraglich, ob die Migrantenzahlen dadurch wirklich nennenswert reduziert werden können. Denn von den 900 Millionen Euro, die als langfristiges Darlehen an Tunesien angedacht sind, sollen gerade einmal 100 Millionen Euro in das „Grenzmanagement“ fließen. Dabei geht es aber nicht nur um echten Grenzschutz und Rückführungen, sondern auch um von den Europäern finanzierte „Such- und Rettungsaktionen“. Da die Details noch nicht öffentlich sind, könnte das auch bedeuten, dass die EU weitere Missionen finanziert, um Schlepperboote zu retten.