Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Union nur noch Partei der Besserverdiener, AfD punktet bei sozial Schwachen

Die Union hat sich zunehmend als Partei der Besserverdienenden etabliert, während die AfD immer mehr Zuspruch aus sozial schwächeren Bevölkerungsschichten erhält. Sie findet auch bei Wählern mit Migrationshintergrund Zuspruch.

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Union nur noch Partei der Besserverdiener, AfD punktet bei sozial Schwachen

Die Union als „Partei der Mitte“ scheint inzwischen bei den sozial schwächeren Schichten abgeschrieben zu sein.

© IMAGO / IPON

Berlin. – Die politischen Verschiebungen in Deutschland sind unübersehbar. Eine genauere Analyse des Wahlverhaltens bei der Bundestagswahl zeigt deutlich: Die „Parteien der Mitte“, insbesondere CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP, verlieren zunehmend den Kontakt zu ärmeren Bevölkerungsschichten, während die AfD vor allem von sozial schwächeren Wählern unterstützt wird.

Unterschiede zwischen armen und reichen Vierteln

In einer umfassenden Untersuchung des Wahlverhaltens in 60 sozial schwachen und 30 wohlhabenden Stadtteilen und Gemeinden hat die Welt bemerkenswerte Ergebnisse zu Tage gefördert. Besonders auffällig sind die starken regionalen Unterschiede. Bei der Bundestagswahl erhielt die AfD in Pforzheim im badischen Westen 25,4 Prozent der Stimmen.

Noch aufschlussreicher ist jedoch die Betrachtung der Wahlbeteiligung auf der Mikroebene. In der Pforzheimer Oststadt, einem sozial schwachen Stadtteil, stimmten 33,5 Prozent der Wähler für die AfD. In den Neuköllner Bezirken Rollbergviertel und Schillerkiez, in denen ein hoher Anteil sozial benachteiligter Menschen lebt, erhielt die Linke 40,7 Prozent der Stimmen.

Immer größerer Graben zwischen Arm und Reich

Die größten Verlusten erleiden die „Parteien der Mitte“ im Osten, aber auch im Westen zeigen sich die Auswirkungen: In den sozial schwachen Stadtteilen stimmten im Westen rund die Hälfte (50,5 Prozent), im Osten sogar nur etwa ein Drittel (34,1 Prozent) der Wähler für CDU, SPD, Grüne oder FDP.

Es wird zunehmend deutlich: Diese Parteien vertreten in vielen Regionen nicht mehr die Interessen der unteren Schichten, sondern repräsentieren nur noch in Westdeutschland unter den Wohlhabenden einen Großteil der Wähler, während sich die Ärmsten zunehmend der AfD zuneigen.

AfD als starke Kraft in sozial schwachen Vierteln

Demnach konnte sich die AfD vor allem in den ärmeren Stadtteilen etablieren. In Westdeutschland erreichte sie in diesen Stadtteilen 22 Prozent der Stimmen und lag damit knapp vor den Sozialdemokraten (20,1 Prozent). In Ostdeutschland hingegen liegt die AfD mit 38,2 Prozent deutlich vor der CDU (15,7 Prozent) und der SPD. Insbesondere in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern erreichte sie in sozial benachteiligten Stadtteilen beachtliche 47,4 Prozent (in Altenburg-Nord). Diese Zahlen verdeutlichen die große Unterstützung der AfD unter sozial benachteiligten Wählern.

CDU/CSU als Partei des Großbürgertums

Die CDU/CSU hat sich eindeutig als Partei der Besserverdienenden etabliert. In Westdeutschland erreichte die Union in einigen wohlhabenden Stadtteilen sogar mehr als 50 Prozent der Stimmen, etwa im Kölner Nobelvorort Hahnwald, wo Prominente wie Stefan Raab wohnen. In den sozial schwachen Gebieten Westdeutschlands ist ihr Wahlergebnis jedoch auf nur noch 18,1 Prozent gesunken – ein dramatischer Verlust. Noch schlimmer sieht es im Osten aus: Nur 15,7 Prozent der Wähler in den sozial benachteiligten Stadtteilen stimmten für die Union.

AfD und Migrationshintergrund: Neue Wählergruppen?

Ein weiterer bemerkenswerter Befund der Analyse ist die Zunahme der AfD-Unterstützung in Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil, etwa in Duisburg-Marxloh oder der Pforzheimer Oststadt. Dort wählten auch viele Bürger mit Migrationshintergrund die AfD. Dies widerspricht der gängigen Annahme, dass die Partei vor allem von „einheimischen“ Wählern unterstützt wird, und unterstreicht, wie breit ihre Wählerschaft inzwischen aufgestellt ist. In der Pforzheimer Oststadt, in der viele Russlanddeutsche leben, erreichte die AfD 33,5 Prozent der Stimmen.

SPD-Verluste in den ärmeren Vierteln

Die SPD hat in den letzten Jahren vor allem in ärmeren Stadtteilen dramatische Verluste hinnehmen müssen. In vielen westdeutschen Stadtteilen ist die Zustimmung zur SPD im zweistelligen Prozentbereich zurückgegangen. In Saarbrücken-Burlach beispielsweise verlor sie 18,2 Prozentpunkte und erreichte nur noch 19,5 Prozent der Stimmen. Auch im Osten konnte die SPD ihre Position nicht halten und fiel in vielen sozial schwachen Gebieten unter 15 Prozent. Dies zeigt, wie sehr die traditionelle Arbeiterpartei den Kontakt zu ihrer ursprünglichen Klientel verloren hat.

Das Wahlverhalten der ostdeutschen Eliten zeigt ein ähnliches Bild: In den gut situierten ostdeutschen Stadtteilen liegt die CDU mit nur 22 Prozent weit hinter der AfD, die dort die politische Landschaft dominiert. Bemerkenswert ist, dass die Union trotz ihrer konservativen Ausrichtung in diesen Regionen kaum noch Wähler gewinnt, während die AfD zunehmend die Oberhand gewinnt.

Benedikt Kaiser zur gesellschaftlichen Spaltung

Benedikt Kaiser, Politikwissenschaftler und FREILICH-Autor, fasst die Entwicklung zusammen: „Klassenpolitik ist zurück. Die harten Brot- und Butterthemen, Herzstücke der sozialen Sicherheit, sind die Themen der Stunde. Selbstverständlich neben dem weiterhin großen und schlecht bearbeiteten Thema Migrationspolitik“. Seiner Ansicht nach werden beiden Themen, also soziale Sicherheit und Massenzuwanderung, die zudem beide miteinander zusammenhängen, in naher Zukunft die entscheidenden Schlüsselthemen sein.

Daher sei es wichtig, „dass die AfD als klassenverbindende und klassenüberschreitende Volkspartei-im-Werden endlich das überwältigende Vorschussvertrauen der Volksklassen – das sind Arbeiter, Angestellte, Kleinunternehmer – ummünzt und dieses Vorschussvertrauen mit substanzieller sozialpatriotischer Programmarbeit beantwortet“.

Derzeit bestünden hier noch deutliche liberale Mängel, so Kaiser: „Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen, dass die breiten Volksklassen von Unter- und Mittelschichten derzeit gegen ihre eigenen materiellen Interessen wählen. Sie tun das aus Verzweiflung über die Unfähigkeit aller Altparteien. Das muss nicht so bleiben.“

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