Freilich #36: Ausgebremst!

Regierung gesteht: Keine belastbaren Daten zu möglichen Betrugsfällen im Asylcoaching

Trotz massiver staatlicher Ausgaben kann die Bundesregierung nicht mit Sicherheit sagen, ob Asyl- und Arbeitsmarktcoachings systematisch missbraucht werden.

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Regierung gesteht: Keine belastbaren Daten zu möglichen Betrugsfällen im Asylcoaching

Wie die Bundesregierung nun einräumte, führt die Bundesagentur für Arbeit keine systematische Erfassung von Betrugsfällen im Coachingbereich durch.

© IMAGO / NurPhoto

Berlin. – In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion bestätigt die Bundesregierung erhebliche Lücken in der Kontrolle von steuerfinanzierten Einzelcoachings für Arbeitslose und Migranten. Nach einem groß angelegten Betrugsfall in Berlin zeigt sich: Die bestehenden Systeme können nicht verhindern, dass hohe Summen missbräuchlich abgerechnet werden – und die Regierung weiß selbst nicht, wie häufig dies tatsächlich geschieht.

Betrug erschüttert Grundannahmen

Ausgangspunkt ist ein Ermittlungsverfahren der Berliner Generalstaatsanwaltschaft. In 140 Coaching-Fällen sollen fast 900.000 Euro erschlichen worden sein. Vonseiten der Bundesregierung heißt es dazu, man könne „nicht endgültig ausschließen, dass es durch vorsätzliches strafbares Handeln Einzelner oder Mehrerer zu Schädigungen zu Lasten von Agenturen für Arbeit oder von Jobcentern kommen kann“.

Die AfD-Fraktion erinnerte die Regierung an eine frühere Bundestagsdrucksache, in der es bezüglich der Missbrauchsanfälligkeit von Coaching-Gutscheinen hieß: „Es können diesbezüglich keine Aussagen getroffen werden, entsprechende Daten werden von der BA nicht erhoben. Da Maßnahmekosten regelmäßig im Nachhinein auf Rechnung der Maßnahmeträger beglichen werden, dürfte es zu keinen Missbrauchsfällen kommen.“ Auf Nachfrage hat die Bundesregierung nun faktisch bestätigt, dass diese Annahme nicht haltbar war.

Abrechnungen von 6.000 Euro pro Fall

Im Berliner Fall wurden für ein „Coaching“ mehr als 6.000 Euro abgerechnet, was deutlich über dem üblichen Orientierungswert von 57,87 Euro pro Stunde liegt. Die Bundesregierung verweist auf individuelle Förderumfänge und Kostenkalkulationen der Träger, kann aber keine Aussage zur Relation zwischen den üblichen Kosten und dem entstandenen Schaden machen. Offensichtlich gebe es vielmehr „das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zum Nachteil des Steuer- und Beitragszahlenden“. Laut Bundesregierung gibt es keine Kenntnis dazu, „dass sich strafrechtliche Ermittlungen gegen gegenwärtige oder frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA bzw. der Jobcenter richten“. Offen bleibt damit, wie der mutmaßliche Abrechnungsbetrug so lange unbemerkt bleiben konnte.

Besonders brisant ist, dass die Bundesagentur für Arbeit keine systematische Erfassung von Betrugsfällen im Coachingbereich durchführt. Zwar liegen den Ermittlungsbehörden bekannte Verdachtsfälle vor, diese sind jedoch „derzeit noch nicht bestätigt“. Gleichzeitig gibt die Bundesregierung zu, dass Hinweise auf systematische Betrugs- oder Missbrauchsverdachtsfälle vorliegen. Das Enterprise Fraud Management der BA gehe diesen nach.

Millionenförderung ohne präzise Kontrolle

Zwischen 2015 und 2024 wurden jährlich zwischen 245.000 und 444.000 Coaching-Gutscheine ausgegeben. Davon wurden jeweils zwischen 178.000 und 315.000 eingelöst. Auch die Kosten differieren stark: Im Bürgergeldbereich (SGB II) lagen die Ausgaben je Förderung zuletzt bei 2.357 Euro, im Rechtskreis des SGB III dagegen bei 961 Euro.

Warum viele Maßnahmen so teuer sind, bleibt unklar. Die Regierung verweist lediglich darauf, dass eine statistische Auswertung nicht möglich sei, da die Jobcenter Freitextfelder verwenden. So sei es beispielsweise nicht möglich, zu erheben, wie viele Coaching-Maßnahmen Einzel- oder Gruppencoachings sind, oder deren Inhalte systematisch zu erfassen. Eine solche Auswertung sei „nicht möglich“.

Erfolgsquoten bleiben niedrig

Die Bundesregierung nennt auch Wirksamkeitszahlen. Die Eingliederungsquote lag 2024 insgesamt bei 39,9 Prozent, im SGB III bei 56,6 Prozent und im Bürgergeld-System (SGB II) bei 27,1 Prozent. Für Coaching-Gutscheine ist die Quote mit 26,9 Prozent sogar noch niedriger. Daten zur Lohnentwicklung nach Coaching-Maßnahmen existieren nicht.

Erst seit dem Bekanntwerden des Berliner Skandals wird das Prüfvolumen erhöht. Für 2025 sind 190 Prüfungen vorgesehen, für 2026 (vorbehaltlich) 216. Zusätzlich sollen interne Hinweise in den Weisungen der BA ergänzt werden. Auf die Frage, ob die Bundesregierung Konsequenzen ziehen wolle, hieß es lapidar: „Die Bundesregierung wird eine Bewertung nach Abschluss der laufenden Ermittlungen vornehmen.“

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