Gesichert reformbedürftig: Wie der Verfassungsschutz reformiert werden könnte
Das ehemalige Mitglied des Bundesvorstandes und der Arbeitsgruppe Verfassungsschutz, Dr. Alexander Wolf, AfD-Bundestagsabgeordneter und Rechtsanwalt, macht angesichts der politischen Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes grundlegende Reformvorschläge.
Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD jüngst als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hatte, fordern Kritiker die Abschaffung des Amtes – nicht so Wolf.
© IMAGO / Panama PicturesDer sogenannte Verfassungsschutz (VS) verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit. Spätestens mit der Einstufung der AfD, der derzeit erfolgreichsten Partei der Bundesrepublik, als „gesichert rechtsextremistisch“ auf Geheiß der Gerade-noch-Ministerin Nancy Faeser (SPD) wird die Kritik am VS immer lauter, erst recht, als er nun, kaum eine Woche später, zurückrudern musste. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte er gegenüber dem Gericht zu erklären, an dieser Einstufung vorläufig nicht festzuhalten.
Ex-VS-Chef Hans-Georg Maaßen (WerteUnion) fordert, dem VS die Beobachtung von politischen Parteien und Oppositionellen zu untersagen, andere wie FREILICH-Autor Bruno Wolters fordern inzwischen immer lauter dessen Abschaffung. Diese Position ist nicht nur auf der rechten Seite populär – auch aus dem linken politischen Lager wurde dies zumindest in der Vergangenheit immer wieder gefordert. Die Begründungen ähneln sich, denn der Verfassungsschutz hat ein strukturelles Problem: Er ist nicht nur formal dem Bundesinnenministerium unterstellt und damit weisungsgebunden und abhängig, sein Auftrag ist auch explizit politisch.
Abschaffung ist zu kurz gedacht
Denn Verfassungsschutzarbeit nach deutschem Verständnis hat immer auch die Komponente, politische Meinungen zu klassifizieren, zu bewerten und auf ihre Ächtung hinzuwirken. Es widerspricht aber diametral den Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie, es ist ein skurriler deutscher „Sonderweg“, wenn sich eine Behörde anmaßt, Gesinnungspolizei zu spielen, Meinungen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ zu denunzieren und Bürger einzuschüchtern.
Im Folgenden wird nicht für eine „Abschaffung des VS“ plädiert, sondern für eine grundlegende Strukturreform. Eine „Abschaffung“ und ein Verweis auf die Polizei (so zum Beispiel eine Forderung von Wolters) greifen unseres Erachtens zu kurz. Es gibt gute rechtsstaatliche Gründe, zwischen den Aufgaben und Befugnissen der Polizei und denen des Inlandsnachrichtendienstes zu unterscheiden.
Eine Reform in fünf Punkten
Die Polizei hat die Aufgaben der Gefahrenabwehr einerseits und der Strafverfolgung andererseits und ist mit exekutiven Befugnissen ausgestattet. Ein Inlandsnachrichtendienst hat demgegenüber andere Aufgaben und Befugnisse. Seine Aufgabe ist – oder sollte sein – Auslandsspionage abzuwehren und terroristische und andere auf gewaltsamen Umsturz gerichtete Bestrebungen aufzudecken. Er hat selbst keine exekutiven Befugnisse, kann also zum Beispiel niemanden verhaften, sondern ist auf Informationsbeschaffung – auch mit „verdeckten“ nachrichtendienstlichen Mitteln – und Analyse beschränkt, die er den staatlichen Organen (und nur diesen) zur Verfügung zu stellen hat.
Die hier geforderte grundlegende Reform des „Verfassungsschutzes“ zielt darauf ab, die Behörde dem Schutz des Staates vor Sabotage, Terrorismus und gewaltsamen Umsturzversuchen zu widmen und sie vollständig zu entpolitisieren. Ein solcher auf Gefahrenabwehr reduzierter Inlandsgeheimdienst hätte mit dem heutigen Gesinnungs-VS einer Faeser/Haldenwang-Behörde namens „Verfassungsschutz“ aus guten Gründen nichts mehr zu tun. Dazu möchte ich die folgenden fünf Vorschläge in die Diskussion einbringen, die in den nächsten Monaten sicherlich sowohl innerhalb der AfD als auch in der politischen Öffentlichkeit an Fahrt gewinnen werden.
1. Führungspersonal ohne Parteibuch
Das Führungspersonal der Verfassungsschutzämter muss nach dem Kriterium größtmöglicher parteipolitischer Neutralität ausgewählt werden. Die bisherige Praxis, Personen mit einschlägigen Parteibüchern auszuwählen, ist gescheitert. Parteimitglieder als Präsidenten von Verfassungsschutzämtern senden ein verheerendes Signal nach außen, nämlich das Signal der Parteilichkeit in einer Behörde, die als „unabhängig“ wahrgenommen werden will und nur durch wirkliche Unabhängigkeit auch Glaubwürdigkeit erlangen kann.
Tiefpunkt dieser Parteilichkeit war der letzte VS-Präsident Haldenwang, der nicht nur „die Umfragewerte der AfD senken wollte“, sondern auch in seiner Funktion als Verfassungsschutzpräsident für die CDU im Bundestagswahlkampf auftrat. Die AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft hat unter meiner Federführung im vergangenen Jahr einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, wonach Neubesetzungen im Amt des Hamburger Verfassungsschutzpräsidenten öffentlich auszuschreiben und mit dem Zusatz zu versehen sind, dass Bewerber, die in der Vergangenheit nicht parteipolitisch aktiv waren, bevorzugt einzustellen sind.
2. Keine Beobachtung von Oppositionsparteien
Oppositionsparteien dürfen nicht im Fokus stehen, sondern gewaltbereite Gruppierungen und Extremisten. Die Bespitzelung friedlicher Oppositionsparteien oder von Einzelpersonen wie dem ehemaligen VS-Chef Hans-Georg Maaßen ist einer pluralistischen, streitbaren Demokratie unwürdig. Sie bindet zudem wertvolle Ressourcen, die im Kampf gegen gewaltbereite Terroristen dringend benötigt und sinnvoller eingesetzt werden könnten.
3. Information der Öffentlichkeit nur über gewaltbereite Gruppen
Die Information der Öffentlichkeit muss radikal eingeschränkt werden. Es darf nicht länger Aufgabe der Inlandsnachrichtendienste sein, die politische Opposition „an den Pranger“ zu stellen. Insbesondere darf der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit keinesfalls über sogenannte „Prüf- oder Verdachtsfälle“ informieren, da deren Verfassungsfeindlichkeit zum Zeitpunkt solcher Einstufungen bisher nicht feststeht. Bei gesicherten Erkenntnissen über terroristische oder subversiv-gewaltsame Umsturzversuche kann – nicht muss – der politisch verantwortliche Minister die Öffentlichkeit informieren, nicht aber ein Vertreter des Nachrichtendienstes.
4. Parlamentarische Kontrolle des VS
Die Kontrolle der Verfassungsschutzämter in den Kontrollgremien muss sich an der Zusammensetzung der Fraktionen in den Parlamenten orientieren. Dabei müssen die Fraktionen selbst entscheiden können, wen sie in diese Gremien entsenden. Eine Wahl der Mitglieder durch die Abgeordneten birgt hingegen die Gefahr, dass betroffene Oppositionspolitiker – wie im Fall der AfD – von den anderen Parteien von der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ausgeschlossen werden. Dieser undemokratische Akt trägt in besonderem Maße zum dramatischen Vertrauensverlust in die Unabhängigkeit und Objektivität des Verfassungsschutzes bei.
5. Umbenennung in „Amt für Terrorismus- und Spionageabwehr“
Der Verfassungsschutz ist entsprechend seinen tatsächlichen Aufgaben in „Amt für Terrorismus- und Spionageabwehr“ umzubenennen. Nach zahlreichen Skandalen und einem massiven Vertrauensverlust ist der Name „Verfassungsschutz“ verbrannt und die Behörde in ihrer Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit irreparabel beschädigt. Eine Umbenennung böte die Chance, die dringend notwendige Entpolitisierung zu dokumentieren und neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen.
Gelingt es nicht, den „Verfassungsschutz“ nachhaltig zu entpolitisieren und grundlegend zu reformieren, ist sein Glaubwürdigkeits- und Bedeutungsverlust nicht mehr aufzuhalten. Schon seit einigen Jahren zeigen die Wahlergebnisse der AfD, dass die „Einstufungen“ und Begründungen der Verfassungsschutzbehörden kaum noch Einfluss auf die Wahlentscheidungen der Bundesbürger haben. Das sollte den „Verfassungsschutz“ eigentlich alarmieren. Ob die Verantwortlichen noch merken, dass sie die Geisterfahrer sind?