Das BSW laviert sich in Richtung AfD – Wählertäuschung mit Ansage?
Öffnet sich das BSW aus taktischen Gründen der AfD – oder steckt mehr dahinter? Bruno Wolters bleibt skeptisch und warnt in seinem Kommentar vor einem taktischen Wahlmanöver.
BSW-Chefin Wagenknecht und die AfD-Vorsitzende Weidel bei einem TV-Duell im Jahr 2024.
© IMAGO / dts NachrichtenagenturSeit einigen Wochen ist ein neuer Ton aus dem Umfeld des BSW zu vernehmen. Zunächst zaghaft, dann mit wachsender Selbstverständlichkeit werden Gesprächsangebote an die AfD nicht mehr brüsk zurückgewiesen. Anstatt sich reflexhaft vom „Rechtsextremismus“ zu distanzieren, signalisieren führende BSW-Vertreter wie Wagenknecht und Thüringer Vertreter nun eine gewisse Offenheit für den Dialog. Für manche ist dies ein hoffnungsvolles Signal, für andere – mich eingeschlossen – ist es jedoch Anlass zur Skepsis.
Denn was hier als „neue politische Vernunft“ inszeniert wird, könnte sich bei genauerem Hinsehen als klug zeitlich aufeinander abgestimmte taktische Finte entpuppen. Das BSW kämpft mit einem strukturellen Problem: Der rasante Anfangserfolg nach der Gründung im Jahr 2023 hat sich nicht dauerhaft stabilisieren lassen. Der mediale Wirbel ist verflogen, die Zugewinne stagnieren. Mit dem Nichteinzug in den Bundestag bei der letzten Wahl im Februar ist das BSW in ein großes Loch gefallen. In vielen ostdeutschen Regionen, vorwiegend in ländlichen Räumen, konkurriert das BSW direkt mit der AfD – und zieht in dieser Auseinandersetzung oftmals den Kürzeren. Offensichtlich dient der Flirt mit der AfD jetzt dazu, dieses Kräfteverhältnis vor den entscheidenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt im Jahr 2026 aufzubrechen.
Ist der kalkulierte Schulterschluss ein Wahlmanöver?
Die Methode ist nicht neu: Durch gezielte Gesprächssignale werden bei einem bestimmten Wählersegment Erwartungen erzeugt, insbesondere bei jenen, die eine echte politische Wende in der Migrations-, Wirtschafts- und Energiepolitik fordern. Man suggeriert: Mit dem BSW könnte endlich Bewegung ins verkrustete Parteiensystem kommen – vielleicht sogar in Form eines rot-blauen Bündnisses der Vernunft. Für viele enttäuschte Wähler ist das eine verlockende Perspektive.
Doch diese Öffnung ist wohl nur ein Lockruf. Es ist ein Wahlkampfinstrument, um jene Bürger zu mobilisieren, die bislang zwischen AfD und Nichtwahl geschwankt haben. Stimmen, die man sich soeben einfangen möchte, um sie nach der Wahl wieder abzustreifen, sobald das Mandat gesichert ist.
Ein besonders irritierendes Beispiel für diese Inkonsistenz ist die Regierungszusammenarbeit des BSW mit der CDU in Thüringen. Hier zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit der angeblich „neuen“ Kraft.
Die CDU in Thüringen ist keine konservative Partei im klassischen Sinne mehr. Sie betreibt eine Politik, die von einer Mischung aus Feigheit und Angepasstheit geprägt ist. Sie grenzt sich wortreich von der AfD ab, biedert sich zugleich aber links der Mitte an, wenn es um den Machterhalt geht. Dass ausgerechnet das BSW, das sich selbst als Anwalt der „kleinen Leute“ und als kraftvoller Gegner des Parteienkartells inszeniert, mit dieser CDU gemeinsame Sache macht, ist nicht nur ein politischer Widerspruch, sondern auch ein strategisches Eigentor.
CDU-Koalition in Thüringen: Der Lackmustest
Die CDU-BSW-Koalition in Thüringen ist keine Koalition der Veränderung, sondern ein Zweckbündnis zur Aufrechterhaltung des Status quo. Sie dient der Stabilisierung einer politischen Mitte, die sich längst vom Souverän entfernt hat. Wer ernsthaft behauptet, mit dem Establishment brechen zu wollen, kann nicht gleichzeitig mit dem Establishment regieren und sich dabei noch als glaubwürdige Alternative verkaufen.
Ein Schulterschluss mit der CDU bedeutet in Thüringen: keine Rückführungspolitik, keine kritische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, keine energiepolitische Wende, keine echte Opposition gegen den grünen Zeitgeist. Das BSW macht sich in dieser Koalition zum Helfer einer Politik, die es rhetorisch verurteilt. Dieser Spagat ist nicht auf Dauer tragfähig.
Wer Veränderung will, muss klare Grenzen ziehen
Wenn das BSW tatsächlich daran interessiert ist, neue politische Bündnisse zu schmieden, muss es klare Bedingungen formulieren. Dazu gehört auch, die Zusammenarbeit mit der CDU in Thüringen zu beenden, bevor ernsthafte und möglicherweise tiefergehende Gespräche mit der AfD überhaupt glaubwürdig geführt werden können. Wer gleichzeitig mit der CDU regiert und der AfD die Hand reicht, handelt nicht visionär, sondern taktisch – und am Ende unaufrichtig.
Selbstverständlich darf man Gespräche nicht dogmatisch ausschließen. Wer dauerhafte politische Veränderungen will, muss gesprächsbereit sein – auch über Gräben hinweg. Doch ebenso klar muss sein: Gespräche sind kein Selbstzweck. Sie dienen nicht der politischen Theaterinszenierung, sondern müssen einem erkennbaren Ziel folgen. Wähler verdienen Ehrlichkeit und keine Simulation von Offenheit.
Gespräche ja, aber mit offenem Visier!
Es braucht keine endlosen Treffen, informellen Runden und wechselseitigen Beteuerungen bis ins Frühjahr 2026, nur um am Ende festzustellen, dass man wieder dort angekommen ist, wo man gestartet ist: bei antifaschistischen Parolen und taktischer Abgrenzung.
Fazit: Das BSW steht am Scheideweg. Wenn es ein neues Kapitel in der deutschen Politik aufschlagen will, muss es mehr bieten als vage Gesprächsangebote. Es braucht klare Entscheidungen, glaubwürdige Partner und den Mut, bestehende Machtverhältnisse zu hinterfragen. Andernfalls bleibt es ein Phänomen der politischen Mittelmäßigkeit – mit einem guten Gespür für Stimmungen, aber ohne Kraft zur Veränderung.