Studenten in den Schlagzeilen – Studentenverbindungen in der Öffentlichkeit
Hinter hohen Zäunen und verschlossenen Türen liegt die Welt der Studentenverbindungen, die für viele ein lebenslanges Rätsel bleibt. Doch dann und wann treten Verbindungsstudenten gewollt oder ungewollt in die Öffentlichkeit – drei medienwirksame Auftritte.
Burschenschafter beim Burschentag auf der Wartburg in Eisenach. (Symbolbild)
© IMAGO / photo2000Bonn. – Am 3. Juni hielt der AfD-Europaabgeordnete Alexander Jungbluth einen Vortrag bei der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn (DB). Jungbluth war während seines Studiums selbst Mitglied der Verbindung, die seit Jahren Ziel von Übergriffen aus dem linken Spektrum ist. Die Burschenschafter aus Bonn konnten auch andere prominente Redner gewinnen, darunter der AfD-Politiker Maximilian Krah, der Anwalt Björn Clemens (ebenfalls Burschenschafter) und der AfD-Abgeordnete Matthias Helferich. Laut Medienberichten bedrohten Clemens’ Sicherheitsleute ein ARD-Team am Rande einer früheren Veranstaltung.
Jungbluth ist nicht nur innerhalb seiner Partei gut vernetzt, sondern auch Mitglied im Bundesvorstand der AfD. So gratulierte er dem niederländischen Politiker Geert Wilders zum Koalitionsbruch wegen verschärfter Asylforderungen und unterstützte öffentlich den rechten YouTuber „Shlomo“, der 2020 wegen Volksverhetzung und Beschimpfung von Religionsbekenntnissen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung – viele kritisierten das als unverhältnismäßig – verurteilt worden war. Die Raczeks präsentieren sich online als „nonkonforme“ Gemeinschaft abseits „linker Denkzwänge“. Sie sind ein zentraler Treffpunkt für nicht-linke Akteure in Bonn und Umgebung.
Konflikt auf Papier und Mensurboden
Wien/Berlin/Graz. – Ein interner Streit zwischen den Studentenverbindungen Corps Vandalia Graz und Corps Normannia Berlin hat eine Debatte über die Nähe zu rechten Positionen und das Selbstverständnis der Verbindungen innerhalb des Kösener Senioren-Convents-Verbandes (KSCV) ausgelöst. Auslöser war ein Stiftungsfest der Grazer Vandalia am 1. Juni 2024, bei dem Berliner Mitglieder rassistische und antisemitische Äußerungen bemängelten.
Die Auseinandersetzung gipfelte im Mai 2025 in Berlin in einer sogenannten Pro-Patria-Suite, einem Fechtduell mit ideologischem Hintergrund. Eine geplante Rückrunde in Graz wurde von der Vandalia aus „medizinischen Gründen“ abgesagt. Ein zentrales Element des Konflikts ist ein internes Positionspapier des ehemaligen FPÖ-EU-Abgeordneten Andreas Mölzer, der ein Alter Herr der Vandalia ist. Darin bezeichnet er das Corps als „deutsches Corps in Österreich“ mit „kulturdeutscher Orientierung“. Bewerber müssten dem „europäisch-abendländischen Kulturkreis“ entstammen. Mölzer lehnt eine „Abgrenzung gegen rechts“ mit Verweis auf politische Korrektheit und „spätlinke Wokeness“ ab. Der Vorfall erinnert an frühere ideologische Spaltungen in der Deutschen Burschenschaft, etwa beim Streit um einen sogenannten „Ariernachweis“. Auch damals spaltete sich der Verband entlang politischer Linien.
Aufregung um angebliches Netzwerk von Verbindungsstudenten
Laut einem Bericht des ARD-Magazins „Report Mainz“ soll ein weitverzweigtes Netzwerk zwischen der AfD und Burschenschaften offengelegt worden sein. Demnach sollen über 50 Abgeordnete der AfD im Bundestag, in den Landtagen und im Europaparlament Verbindungen zu Studentenverbindungen, überwiegend zu Burschenschaften, unterhalten. Hinzu kommen rund 60 Mitarbeiter mit vergleichbarem Hintergrund, die im Umfeld der Partei tätig sind. Auch prominente Parteivertreter wie der EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah oder die Fraktionschefin Alice Weidel beschäftigen Personen mit Burschenschaftsbezug. Besondere Beachtung schenkten Medien dem Fall rund um den bayerischen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba, der wegen mutmaßlich rechtsextremer Fundstücke in seinem Verbindungszimmer strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt ist. Der Report greift jedoch die Wirkungsrichtung der Betätigung von Verbindungsstudenten in Parteien nur unzureichend auf. Prägt der Burschenschafter die Partei oder umgekehrt? Sind sie verwaltend oder gestaltend im Sinne thematischer Prägung tätig? Diese Fragen sind zentral für die Einschätzung der „Gefahr“ angeblicher Netzwerke, die zumeist nur auf Basis loser Bekanntschaften und Hörensagens konstruiert werden.
Burschenschaften und die zweischneidige Öffentlichkeit
Die Burschenschaften blicken auf eine mehr als 200-jährige Geschichte zurück. Sie verstehen sich als traditionsbewusste Studentenverbindungen, die für lebenslange Freundschaft, wissenschaftlichen Austausch und ein freiheitlich-nationales Selbstverständnis stehen. In der öffentlichen Wahrnehmung sind sie jedoch zunehmend von Missverständnissen und pauschalen Vorurteilen geprägt.
Die Öffentlichkeit begegnet Burschenschaften oft mit Skepsis – nicht zuletzt, weil einige Medien sie in die Nähe rechtsextremer Strömungen rücken. Auch der sogenannte „Schmiss“, also die Narbe aus der Mensur, wird oft missverstanden. Er ist kein Zeichen von Gewalt, sondern Ausdruck einer jahrhundertealten Fechttradition, die Disziplin, Mut und Standhaftigkeit symbolisiert. Innerhalb der Verbindungen gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Rolle und Ausrichtung der Burschenschaften. Während sich einige stärker auf ein deutsch-nationales Selbstverständnis berufen, sehen andere ihre Aufgabe in der Pflege akademischer Traditionen ohne politische Agenda. Dass Burschenschafter in Parteien wie der AfD aktiv sind, liegt an ihrer persönlichen Haltung und nicht an einer ideologischen Ausrichtung der gesamten Szene.
In der breiten Öffentlichkeit fehlen diese Darstellungen und sowohl die Burschenschaften als auch die etablierten Politiker und Medien tun nur wenig, um aus dieser Misere herauszukommen. Für die ersteren bilden die Burschenschaften ein leichtes Feindbild, für die letzteren bedeutet ein Aufweichen ihrer Ideale den Anfang vom Ende. Die Debatte um die Burschenschaften zeigt, wie schwer sich die deutsche Öffentlichkeit mit pluralistischen Traditionen tut, die sich nicht ohne Weiteres in aktuelle Diskurse einordnen lassen. Zwischen medienwirksamen Skandalen, innerverbandlichen Konflikten und politischem Engagement bleibt das Bild der Verbindungen unscharf – je nach Blickwinkel wirken sie faszinierend, befremdlich oder bedrohlich. Klar ist: Studentenverbindungen wirken weit über ihre Verbindungshäuser hinaus. Ob als politische Akteure, als Zielscheibe gesellschaftlicher Debatten oder als Traditionsbewahrer – ihr Platz in der Öffentlichkeit ist umkämpft, ambivalent und alles andere als nebensächlich. Wer sie verstehen will, muss differenzieren und bereit sein, hinter die Kulissen zu schauen.