Studie: Jedes fünfte deutsche Unternehmen erwägt Produktion in Osteuropa
Eine neue Studie zeigt, dass 22 Prozent der deutschen Unternehmen erwägen, ihre Produktion nach Mittel- und Osteuropa zu verlagern. Gründe dafür sind unter anderem die schlechten Standortbedingungen in Deutschland.
Viele deutsche Unternehmen produzieren bereits in Osteuropa. (Symbolbild)
© IMAGO / ecomedia/robert fishmanBerlin. – Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland geraten zunehmend in die Kritik. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung KPMG und des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft zeigt, dass 22 Prozent der befragten Unternehmen bis 2025 eine Verlagerung ihrer Produktion nach Mittel- und Osteuropa erwägen, wie das Handelsblatt berichtet. Bis Februar 2026 sind es 19 Prozent, drei Prozent haben sich bereits entschieden. Polen, Rumänien und die Ukraine stehen dabei besonders im Fokus.
Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses, geht davon aus, dass diese Überlegungen weit über Unternehmen mit Osteuropa-Erfahrung hinausgehen. Das Interesse sei ihm zufolge „nicht nur auf die Unternehmen mit Osteuropaerfahrung begrenzt“, betont er. Als Hauptgründe für diese Entwicklung nennen die Befragten die „bekannten Standortschwächen Deutschlands“.
Osteuropa punktet mit Fachkräften und niedrigen Kosten
Die Länder der Region überzeugen laut Harms mit qualifizierten Arbeitskräften und kostengünstigen Produktionsbedingungen. Zudem seien die Märkte aus Sicht der Unternehmen zunehmend attraktiv. „Früher wurden viele mittel- und osteuropäische Staaten einfach als verlängerte Werkbank angesehen. Das ist jetzt anders. Polen zum Beispiel ist im technologischen und digitalen Bereich super“, sagt Harms.
Zu dieser Einschätzung kommt auch Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Laut seiner am Dienstag veröffentlichten Prognose werden die Volkswirtschaften Zentral-, Ost- und Südosteuropas im Jahr 2025 um durchschnittlich 2,8 Prozent wachsen. Zum Vergleich: Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Deutschland lediglich ein Wachstum von 0,3 Prozent und für die gesamte Eurozone von 1,3 Prozent.
Donald Trump als Unsicherheitsfaktor für Osteuropa
Die geopolitische Lage könnte Osteuropa zusätzliche Impulse geben. Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG Deutschland, sieht eine zunehmende Fokussierung der deutschen Wirtschaft auf den EU-Binnenmarkt. „Die Relevanz des EU-Binnenmarktes für die deutsche Wirtschaft nimmt weiter zu“, erklärt er. Vor allem Mittel- und Osteuropa könnten davon profitieren.
Allerdings birgt eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump auch Risiken. Trump sei der „Hauptunsicherheitsfaktor“, warnt Ökonom Grieveson. Sollten die USA hohe Zölle gegen die EU verhängen oder ein Abkommen mit Russland schließen, das Moskau Vorteile bringt, könnte dies geopolitische Instabilität fördern und Investitionen gefährden.
Hoffnung auf Stabilität durch einen Waffenstillstand in der Ukraine
Derzeit ist der Krieg in der Ukraine das dominierende Sicherheitsrisiko für Investoren. 67 Prozent der befragten Unternehmen nennen politische Unsicherheit und mangelnde Stabilität als Hauptprobleme. Eine Beruhigung der Lage könnte jedoch zu einer Trendwende führen: 37 Prozent der befragten deutschen Unternehmen würden nach einem Friedensabkommen in dem Land investieren wollen, so Glunz. Mit deutlichem Abstand folgen Korruption (38 Prozent) und bürokratische Hürden (31 Prozent).
Eine politische Einigung zwischen Russland und der Ukraine könnte die wirtschaftlichen Perspektiven aber deutlich verbessern, so Harms. „Die Unternehmen hoffen auf einen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen, irgendetwas in dieser Richtung. Dann würde richtig Schwung in den ukrainischen Wiederaufbau kommen.“ Auch die Entwicklung der Rüstungsindustrie sei ein wichtiges Thema.