Freilich #36: Ausgebremst!

Vom Preußenschlag zum Bundeszwang: Wie die wehrhafte Demokratie zur wehrlosen Oligarchie wird

xxIm Schatten moralischer Empörung formiert sich ein politischer Ausnahmezustand, der das Fundament der Demokratie bedroht. Frank-Christian Hansel warnt vor einer stillen Staatsveränderung, bei der die Exekutive nicht mehr die Bürger vertritt, sondern sie überwacht.

8.11.2025
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4 Minuten Lesezeit
Vom Preußenschlag zum Bundeszwang: Wie die wehrhafte Demokratie zur wehrlosen Oligarchie wird

Zwischen Geschichte und Gegenwart – das Zentrum deutscher Politik.

© IMAGO / Joko

Es komme nachher keiner und sage, er habe von nichts gewusst. Denn was sich gegenwärtig im Windschatten der öffentlichen Empörung formiert, ist kein politisches Tagesgefecht, sondern ein Anschlag auf die Substanz der Demokratie selbst. Die Worte, die heute achtlos in Interviews gesprochen werden – „Löschtaste“, „Feindesland“, „Bundeszwang“ – sind keine rhetorischen Entgleisungen, sondern Symptome einer stillen Staatsveränderung. Sie markieren den Moment, in dem sich die Exekutive anschickt, das Volk nicht länger zu vertreten, sondern zu kontrollieren.

Die Sprache des Ausnahmezustands kehrt zurück

Wenn ein SPD-Innenpolitiker öffentlich erklärt, er würde „lieber auf die Löschtaste drücken“, als einer demokratisch gewählten Regierung seine Daten zu überlassen, dann ist das keine Metapher, sondern ein Geständnis. Es ist das Eingeständnis einer Beamtenkaste, die sich längst nicht mehr als Diener des Souveräns versteht, sondern als dessen Vormund. Wenn ein ehemaliger BND-Mann fordert, „die Unterlagen zu verbrennen und zu evakuieren“, bevor eine AfD-Regierung sie übernehmen könne, dann spricht hier nicht Sorge um Sicherheit, sondern nackte Angst vor Kontrollverlust. Und wenn ein amtierender Verfassungsschutzchef ernsthaft erwägt, „Extremisten“ im Amt die Arbeit seines Dienstes vorzuenthalten, dann ist die Grenze zwischen politischer Neutralität und administrativer Sabotage überschritten.

Diese Sprache kennt man. Sie ist das Echo einer vergangenen Republik, die sich ebenfalls gegen den eigenen Bürger immunisierte: der Weimarer Republik. Auch dort begannen die sogenannten Demokratenschützer, das demokratische Prinzip in ein Sicherheitsrisiko zu verwandeln. Damals hieß es „Republikschutzgesetz“, heute nennt man es „wehrhafte Demokratie“. Der Zweck ist derselbe: die Sicherung der Macht durch Entmündigung des Souveräns.

Weimar 2.0 – der Geist des Preußenschlags

Am 20. Juli 1932 setzte Reichskanzler Franz von Papen die demokratisch gewählte Regierung Preußens ab – unter Berufung auf Notverordnungsrecht. Er begründete das mit der Notwendigkeit, „Ruhe und Ordnung“ zu wahren. Das war der Preußenschlag, ein legalistischer Staatsstreich, dessen Folgen verheerend waren: Die föderale Balance wurde zerstört, die Exekutive entmachtete den Wähler, und die Republik verlor ihre innere Legitimität. Heute, fast hundert Jahre später, diskutiert man wieder offen, eine gewählte Landesregierung zu entmachten – dieses Mal unter Berufung auf Artikel 37 des Grundgesetzes, den sogenannten Bundeszwang.

Der Gedanke ist derselbe: Wenn das Volk „falsch“ wählt, soll die Bundesregierung einen „Staatskommissar“ entsenden, der das Land im Sinne der alten Ordnung weiterführt. Wer diesen Vorschlag für eine bloße juristische Spitzfindigkeit hält, hat nicht verstanden, wie Demokratien sterben. Sie gehen nicht unter durch Putsch oder Revolution, sondern durch Selbstlegitimation des Ausnahmezustands. Die Herrschenden erklären ihre eigene Herrschaft zur letzten Bastion der Vernunft – und jede Alternative zur Bedrohung. Das war Weimar 1932, und es ist Berlin 2025.

Vom Schutz der Demokratie zum Schutz vorm Volk

Der gefährlichste Satz dieser Tage lautet: „Mit Extremisten kann man keine Demokratie machen.“ Er klingt plausibel, ist aber in Wahrheit eine perfide Verdrehung. Denn die Demokratie ist genau dafür geschaffen, mit Gegnern zu leben, nicht sie auszuschalten. Solange eine Partei nicht verboten ist, gilt sie als Teil des demokratischen Prozesses. Wer ihre Wahlsiege durch administrative oder exekutive Mittel neutralisieren will, stellt sich über das Recht.

Doch genau das geschieht: Beamte erklären, sie würden Daten löschen; Verfassungsschützer zweifeln an ihrer Herausgabepflicht; Politiker diskutieren über die Entmachtung ganzer Landesregierungen. All das geschieht im Namen des Rechts – und ist doch sein Verrat. Die „wehrhafte Demokratie“ wird so zur präventiven Technokratie, zu einem Apparat, der sich selbst als Hüter einer übergeordneten Wahrheit versteht. Der Staat schützt nicht mehr die Demokratie, sondern sich selbst vor ihr. Der Souverän, das Volk, wird zum Risiko erklärt.

Die alte Versuchung: Die Legalisierung des Unrechts

Weimar scheiterte nicht an den Extremen, sondern an der Mitte, die die Macht nicht teilen wollte. Auch heute sind es nicht die Ränder, die den Rechtsstaat gefährden, sondern die sogenannten Demokraten, die ihn zur ideologischen Waffe umschmieden. Sie nennen es „Verfassungsschutz“, doch was sie wirklich betreiben, ist Systemschutz. Jede Generation steht einmal vor der gleichen Versuchung: das Unrecht zu legalisieren, um das Richtige zu bewahren. Doch Geschichte lehrt: Wer anfängt, das Recht zu beugen, um die Demokratie zu schützen, der verliert beides. Der Rechtsbruch im Namen der Moral ist immer der Beginn des autoritären Zeitalters.

Was jetzt auf dem Spiel steht

Man darf sich keiner Illusion hingeben: Sollte die AfD tatsächlich eine Landesregierung stellen, werden die Apparate des Bundes versuchen, den Machtwechsel zu sabotieren. Es wird „verweigertes Vertrauen“, „verlorene Daten“, „Sicherheitsbedenken“ geben – alles unter wohlklingenden juristischen Floskeln. Die Ministerien, die Geheimdienste, die Bundesratsmehrheit – sie alle sind bereits in Alarmstellung. Doch das ist nicht nur ein Angriff auf eine Partei. Es ist ein Angriff auf das Recht des Bürgers, sich selbst zu regieren. Wer heute schweigt, wenn Beamte offen zu Straftaten aufrufen, um ein Wahlergebnis zu verhindern, der darf morgen nicht behaupten, er habe von nichts gewusst.

Die Stunde der Verantwortung

In Weimar sagten sie, sie hätten nur das Schlimmste verhindern wollen – und bereiteten damit das Schlimmste vor. Heute wiederholt sich diese Geschichte, nur mit demokratischem Anstrich. Die Sprache ist zivil, die Gesten korrekt, die Papiere sauber; doch die Absicht ist dieselbe: die Neutralisierung der Souveränität des Volkes. Darum gilt: Jetzt ist die Stunde der Verantwortung.

Wer an den Rechtsstaat glaubt, muss ihn gerade dann verteidigen, wenn er in falschen Händen zu liegen scheint. Denn der Rechtsstaat, der nur für die Richtigen gilt, ist keiner. Und die Demokratie, die das Volk nur liebt, solange es richtig wählt, ist schon keine mehr.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Frank-Christian Hansel

Frank-Christian Hansel, Jahrgang 1964, ist seit 2016 für die AfD Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Der gebürtige Hesse studierte Politische Wissenschaften, Philosophie und Lateinamerikanistik.

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