Björn Höcke (AfD)

„Thüringen braucht eine Verabschiedungskultur für illegale Einwanderer“

Im Interview mit FREILICH spricht der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke über die Entwicklungen in der Partei, die guten Umfrageergebnisse und auch darüber, was in Thüringen politisch falsch läuft.

Interview von
2.2.2023
/
13 Minuten Lesezeit
„Thüringen braucht eine Verabschiedungskultur für illegale Einwanderer“
Björn Höcke (AfD)© Metropolico

FREILICH: Herr Höcke – das neue Jahr ist noch frisch und schon hat sich die Thüringer Landesregierung mit dem Postenkarussell bei den Grünen wieder einmal blamiert. Blickt man dazu auf die letzten Umfragen, sieht man die AfD mit 30 Prozent auf dem ersten Platz stehen (Institut Wahlkreisprognose, 11.12.2022) – wird 2023 möglicherweise ein gutes Jahr für die Thüringer AfD?

Björn Höcke: Auch wenn Umfrageergebnisse im Zeitverlauf erheblich schwanken können, zeigt die Gesamttendenz bei uns eine klare Richtung nach oben – und das auf bereits hohem Niveau. Ich gehe daher davon aus, dass wir uns auch in diesem Jahr bei den Bürgern als seriöse Alternative zu dem ausufernden Regierungswahnsinn weiter profilieren können. Man darf aber nicht vergessen: der wachsende Zuspruch für die AfD ist gleichzeitig ein Indikator für die katastrophalen Zustände im Land. Das trübt die berechtigte Freude über die positive Entwicklung unserer Partei.

Was läuft falsch in Thüringen?

Besonders für die ehrlichen, fleißigen und sparsamen Bürger ist die Ramelow-Regierung eine Zumutung geworden, denn sie hat den Freistaat seit 2014 systematisch in ein ordinäres Antifa-Regime verwandelt. Millionen Euro Steuergelder fließen in den Aufbau einer ebenso parasitären wie repressiv-totalitären „Zivilgesellschaft“. Es ist ein steuergeldfinanzierter linksextremer Sumpf entstanden.

Der treibt bekanntlich sogar gewalttätige bis terroristische Blüten.

Ja. Wiederholt haben Antifa-Rollkommandos in den letzten Jahren mit eindeutiger Tötungsabsicht Menschen angegriffen und zum Teil schwerst verletzt. Der letzte Terrorakt ereignete sich am helllichten Tag vor wenigen Wochen in Erfurt. Das allein ist schon unerträglich, aber hinzu kommt noch der Skandal, dass ein wirklicher Aufklärungswille für diese Verbrechen bei der Landesregierung nicht zu erkennen ist. Man muss daher fast schon von einer indirekten Tolerierung politischer Gewalt seitens der Regierung ausgehen. Die demokratisch-rechtsstaatliche Substanz erodiert immer mehr.

Was drückt die Bürger in Thüringen außerdem?

Wo anfangen, wo aufhören? Ich kann hier nur ein paar Punkte nennen: da ist das Dauerthema Sozialmigration. Der Dammbruch von 2015 ist mittlerweile quantitativ überstiegen worden, die Kommunen stehen am Rande des Kollapses. Der Lehrermangel ist so groß wie seit 50 Jahren nicht mehr. Unsere schöne Thüringer Landschaft droht durch den Windkraftwahn immer mehr zu verschandeln. Und die Ämterpatronage in der Regierung wird ungeniert weiterbetrieben.

Sie spielen auf die zwei neuen Grünen-Minister Stengele und Denstädt an?

Ja, aber sie sind nur die Spitze des Eisbergs und bestätigen auch nur das, was immer mehr Menschen in Thüringen schon lange ahnen: Fachexpertise ist für die Ramelow-Regierung ein Fremdwort, es reicht offenbar die richtige Gesinnung, das richtige Geschlecht oder die richtige Hautfarbe aus, um als Schauspieler oder einfache Polizeibeamtin ohne politische Erfahrung von jetzt auf gleich ins Ministeramt katapultiert zu werden. Erst kürzlich gab es einen Paukenschlag durch den Landesrechnungshof, der die Einstellungspraxis der Staatssekretäre für rechtswidrig erklärte: Mindestvoraussetzungen werden nicht erfüllt, es gibt kein ordentliches Auswahlverfahren.

In Thüringen ist der Staat zur Beute der Parteien geworden, genauso, wie es Hans Herbert von Arnim in seiner Systemkritik beschrieben und beklagt hat. Wir dachten immer, mit dem Begriff „Ochlokratie“ – die Herrschaft der Schlechten – die Zustände im Land adäquat beschreiben zu können. Wir haben uns geirrt, denn mittlerweile drückt die Bezeichnung „Kakistokratie“ – die Herrschaft der Schlechtesten – den allgemeinen Verfall des Staatsethos besser aus.  Das gilt nicht nur für Thüringen, sondern für ganz Deutschland.

Was ist mit der CDU, die doch früher unter verschiedenen Ministerpräsidenten eine so dominierende Rolle in Thüringen gespielt hat?

Die CDU ist nicht nur nach fast 25 Jahren schwarzer Regierungszeit 2014 abgewählt worden, sondern fällt seitdem auch als Oppositionspartei praktisch aus. Noch schlimmer: sie räumt den Linken als „verlässlicher Partner“ (O-Ton Ramelow) praktisch Narrenfreiheit ein. Obwohl die Ramelow-Regierung seit 2019 keine Mehrheit mehr hat, kann diese ihre weltfremden Ideologieprojekte mit ungebremster Geschwindigkeit durchsetzen und Thüringen in ihrem Sinne deformieren. Die Bürger merken das und wenden sich immer mehr der wirklichen Oppositionspartei zu.

Das zeigt sich auch in den Umfragen: Regelmäßig konnte hier die Thüringer AfD den ersten Platz verteidigen. Man startete in das Jahr 2022 mit 23 Prozent (INSA, 03.12.2022) und beendete es wie bereits angesprochen mit 30 Prozent – Ergebnisse, von denen manche AfD-Landesverbände nur träumen können. Was macht die AfD in Thüringen anders, um diesen breiten Zuspruch einheimsen zu können – oder anders gefragt: Was machen möglicherweise andere Landesverbände falsch? Könnte die AfD Thüringen ein Vorbild sein?

Fairerweise muss man sagen: Im Osten ist die Ausgangslage für unsere Partei eine andere als im Westen, wo die Jahrzehnte des Wohlstandsbiedermeiers zu einer schleichenden Entnationalisierung und einem naiven Vertrauen in die politisch Verantwortlichen geführt haben. Das hat man bei dem deutlich geringeren Widerstand gegen die illegale Massenmigration und der größeren Duldsamkeit gegenüber den Zumutungen der Corona-Maßnahmen gesehen. Im Osten gibt es aufgrund der schlechten Erfahrungen mit dem SED-Regime dieses naive Staatsvertrauen schon längst nicht mehr.

Man kennt noch – aus eigener Erfahrung oder durch Erzählungen in der Familie – die Machtmechanismen einer übergriffigen Obrigkeit, die nun in den letzten Jahren auch in der Bundesrepublik – wenn auch in neuem Gewande – wiederkehren. Die Menschen hier im Osten sind einfach sensibler für Manipulationsversuche von oben beziehungsweise durch die Konzernpresse oder die Staatsmedien. Und sie sind auch eher bereit – eine Folge des friedlichen Bürgeraufstandes von 1989 – die Straße als politischen Resonanzraum zu akzeptieren und sich an Demonstrationen zu beteiligen.

Man kann also verkürzt sagen: die Thüringer sind patriotischer und widerborstiger als ihre Landsleute im Westen. Aber gibt es auch parteiinterne Unterschiede zu den anderen Landesverbänden?  

Das kann man so nicht pauschal beantworten. Man müsste jeden Landesverband einzeln betrachten, auch innerhalb des Westens wie des Ostens gibt es erkennbare Unterschiede, das sage ich ganz wertneutral. Ich kann nur für meinen eigenen Landesverband sprechen und hier ein paar Eckpunkte nennen, die anscheinend erfolgsförderlich sind: In der Thüringer AfD haben wir eine sehr klare und von der gesamten Parteibasis mitgetragene strategische Ausrichtung: wir wollen keine kleinen Korrekturen oder „Reförmchen“, sondern einen grundlegenden Politikwechsel im Lande herbeiführen.

Das ist unser Selbstverständnis als parteipolitischer Teil einer größeren, demokratischen Bürgeropposition, die ja weit über den engen Parteirahmen hinausreicht. Gleichzeitig ermöglicht uns diese stabile Grundlage ein äußerst flexibles taktisch-operatives Agieren. Gerade, weil wir auf höchst undemokratische Weise in unseren parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten stark beschnitten sind, haben wir uns in Thüringen daher schon sehr früh als „Fraktion in Bewegung“ definiert. Gleichzeitig machen wir eine sehr solide, gute parlamentarische Arbeit, denn auch aus der Opposition heraus kann man in einem gewissen Rahmen Politik steuern, wie wir es ja eindrucksvoll bei der Kemmerich-Wahl gezeigt haben.

Gibt es noch weitere Erfolgsfaktoren?

Wir haben immer wieder der Gesamtpartei inhaltliche Anstöße gegeben, von Rentenkonzept bis zu Corona-Exit-Plänen. Diese innovative inhaltlich-programmatische Arbeit stärkt unsere politische Kompetenz auch sichtbar für die Bürger. Ich lege jedenfalls für meinen Verantwortungsbereich als Fraktions- und Landesvorsitzender großen Wert auf Grundsätzlichkeit und inhaltliche Tiefe. Außerdem versuchen wir, auf jede erdenkliche Art in größtmöglichen Kontakt mit den  Bürgern zu kommen, allein um das groteske mediale Zerrbild zu korrigieren.

Das gelingt nämlich nicht wirklich mit irgendwelchen öffentlichen Verlautbarungen, sondern vor allem mit persönlichen Begegnungen und Gesprächen. Und nicht zuletzt steht die AfD in Thüringen als nach außen wahrnehmbare Einheit da. Wir lassen uns trotz der vielfältigen Unterminierungsversuche seitens des polit-medialen Establishments nicht spalten. In der Summe dieser Faktoren liegt wohl der Erfolg der Thüringer AfD.  Wir Thüringer AfDler haben Korpsgeist entwickelt und sind auch ein bisschen stolz darauf, als eine wichtige Speerspitze der Gesamtpartei zu gelten.  

Ihr Landesverband fiel in den letzten Monaten vor allem mit einer intensiven Zusammenarbeit zwischen „Straße und Parlament“ auf. Ihr Kollege im AfD-Landesvorstand Daniel Haseloff sprach im FREILICH-Interview über die Rolle der AfD als „Transmissionsriemen“. Hängt der Erfolg der AfD in Thüringen auch mit dieser Zusammenarbeit zwischen „Straße“ und der Partei und Fraktion zusammen?

Sicherlich. Da das Parlament als „Transmissionsriemen“ des Bürgerwillens ja erheblich blockiert worden ist, bietet die Straße eine alternative politische Ausdrucksmöglichkeit. In Thüringen wird ein Viertel der Wähler im Landtag regelmäßig in den Skat gedrückt. Unsere Anträge werden aus dem Plenum noch nicht einmal in die Ausschüsse überwiesen. Es ist überhaupt unglaublich, wie die selbsternannten „Demokraten“ der Kartellparteien einfachste demokratisch-parlamentarische Spielregeln nonchalant außer Kraft setzen, um die demokratische Opposition niederzuhalten.

Unsere Kandidaten, zum Beispiel für das Vizepräsidentenamt, werden nicht gewählt, unser Recht, Sachverständige für Untersuchungsausschüsse zu benennen, wird sabotiert, und wenn die Landesverfassung unsere Beteiligung an einer Kommission vorsieht, die den sogenannten „Verfassungsschutz“ kontrolliert, dann ändern die Kartellparteien in trauter Eintracht einfach das Verfassungsschutzgesetz. Dieser VS hätte übrigens in Thüringen tatsächlich einiges zu tun, allerdings sollte er sich mal die Regierung mit ihrem linksextremen Antifa-Umfeld näher anschauen anstatt die AfD als demokratisch legitimierte Oppositionspartei mit schwachsinnigen Zuschreibungen zu verunglimpfen.  

Man könnte also von einer ausgeprägten Dysfunktionalität des Parlaments sprechen.

Ja, und daher wollten wir uns nicht nur den friedlichen Bürgerprotesten im Land öffnen, weil es unserem Verständnis entspricht, dass Opposition nicht auf Parteiarbeit beschränkt werden kann, wir mussten es auch, um unsere Kontaktflächen zu vergrößern. Nur das enge Zusammenspiel von Fraktion, Partei und Straße kann dieses Land noch einmal auf das richtige Gleis stellen.

Nächstes Jahr soll im Herbst turnusmäßig in Thüringen wieder ein neuer Landtag gewählt werden. Bis dahin kann natürlich noch einiges passieren. Wie möchte die AfD Thüringen in das vorletzte Jahr der Legislaturperiode gehen? Gibt es schon konkrete Pläne in Hinblick auf die Wahl 2024?

Nach dem Wortbruch der Kartellparteien, vorzeitige Neuwahlen anzusetzen, müssen wir jetzt wohl von Wahlen im Oktober 2024 ausgehen. Natürlich laufen unsere Planungen hierfür schon auf Hochtouren, denn wir gehen gemeinsam mit den Landesverbänden Brandenburg und Sachsen in eine Ostwahlrunde, deren Ergebnisse nicht nur für die AfD allgemein, sondern für ganz Deutschland eine historische Wendemarke darstellen können. Unsere Grundlinie ist klar: Bewahrung unserer Identität, Kampf für die Freiheit und den Frieden! Und auch konkret-inhaltlich sind wir gut aufgestellt, wir setzen nicht nur auf Slogans. 

Der Erfolg in den Umfragen bringt natürlich nicht nur Freude auf der einen Seite, sondern auch Entsetzen und Wut auf der anderen Seite. So sprach zum Beispiel der thüringische Innenminister Maier (SPD) über die Vorbereitung eines AfD-Parteiverbots. Rechnen Sie dementsprechend in den kommenden Monaten mit größeren und stärkeren Repressionen?

Die Verbotsdrohungen sollen uns natürlich in Panik versetzen und demoralisieren. Es ist schon eine Dreistigkeit, dass solche Forderungen ausgerechnet von Leuten kommen, die Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat abbauen, das Grundgesetz bis zur Unkenntlichkeit verbiegen, den Souverän unserer Verfassung – das deutsche Volk – schmähen und den Wunsch nach dessen Erhaltung als „extremistisch“ brandmarken. Wir müssen diesen Wahnsinn durchstehen und unbeirrt unsere – vollkommen grundgesetzkonformen – Positionen vertreten. Letztlich ist das Verbotsgerede Angstpropaganda und Zeichen der Hilflosigkeit von Verlierertypen. Der Vorteil ist, dass sich davon in Thüringen und Deutschland kaum noch ein Bürger beeindrucken lässt.

Zurzeit attackieren der SPD-Innenminister Maier und sein VS-Chef Kramer ... 

... der rein zufällig im Stiftungsbeirat der linksextremen Amadeu-Antonio-Stiftung sitzt!

… die Thüringer Waffenbesitzer.

Ja, das ist kein Zufall:  Wir haben viele Sportschützen und Jäger in unseren Reihen, die als heimatliebende und rechtschaffene Bürger ihre natürliche politische Heimat in der AfD gefunden haben. Sie werden als „Extremisten“ gebrandmarkt, um ihre Zuverlässigkeit in Abrede stellen zu können. Das ist ihr Vorwand ihnen die Waffen zu entziehen. Ziel ist es, sie zum Austritt aus der AfD zu bewegen, um unsere Mitgliedsbasis zu schwächen.

Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Zunächst haben wir eine sehr gute juristische Verteidigungslinie ausgearbeitet, die es Regierungsextremisten wie Maier und Kramer sehr schwer machen wird. Und dann gilt, was ich bereits gesagt habe: standhaft und gelassen bleiben! Sie wollen uns durch Erzeugung von Angst und Panik zermürben und genau das sollten wir ihnen nicht gönnen. Machen wir uns nichts vor: wenn sie – damit meine ich die Vertreter dieses demokratiefeindlichen polit-medialen Machtkomplexes – es könnten, würden sie die gesamte Volksopposition in Deutschland verbieten. Von Sahra Wagenknecht bis zu meiner Person.

Aber Sie müssen vor den Bürgern ein bisschen die demokratische Fassade bewahren, das hält sie – noch – davon ab. Manchmal denke ich aber auch: Dann sollen sie doch die AfD verbieten, dann sollen sie doch die stärkste Kraft in Thüringen verbieten. Die Machthaber würden damit keinen einzigen Sympathisanten oder Mitstreiter der Opposition zurückgewinnen, dafür aber endgültig vor den übrigen loyalen Bürgern die demokratische Maske fallen lassen und offen ihr totalitäres Gesicht zeigen.

Sie gehen also davon aus, dass es eher bei verbalen Drohungen bleibt. Noch einmal zurück zur Landespolitik. Stellt man eine bisherige Bilanz für die Arbeit der rot-rot-grünen Landesregierung auf, so kann man diese durchaus als desaströs bezeichnen. Anstieg der linksextremen Gewalt in Thüringen, mehr Migration, Korruption und Ausgabenausweitung in der Landesregierung, Wohnungsnot, mögliche Berufsverbote, Raubbau an den natürlichen Ressourcen, und vieles mehr.  Wo sehen Sie momentan die größten Probleme im Lande Thüringen?

Sie haben wichtige Punkte genannt. Ich sehe vor allen in Bezug auf eine langfristige Zukunft die illegale Masseneinwanderung von nicht integrierbaren Menschen in Kombination mit dem demographischen Niedergang als die größte Herausforderung an. Ohne ein gemeinsames kulturelles Wertefundament und ohne einen gesunden Bevölkerungsaufbau kann kein Gemeinwesen dauerhaft funktionieren. Die Folgen wären Zerrissenheit, Segregation, Chaos, ja Bürgerkrieg. Man muss die Themen Migration und Geburtenentwicklung zusammen betrachten. Gerade das Thema Familienförderung liegt mir als vierfachem Familienvater sehr am Herzen.

Die Kartellparteien reformieren dem demographischen Niedergang hinterher und versuchen ihn mit überwiegend kulturfernen und zumeist unqualifizierten Einwanderern zu kompensieren. Das ist nicht nur äußerst einfallslos, es führt über kurz oder lang zur Auslöschung Deutschlands, das seinen Namen ja nicht auf eine weltweit zusammengewürfelte Bevölkerung, sondern auf ein ganz bestimmtes Volk, das vor 1.200 Jahren als politisches Subjekt in die Geschichte eintrat, zurückführt.

Die Entdeutschung Deutschlands ist ja das offene Ziel der globalistischen Kräfte.

Sicher, aber als Patrioten müssen wir dem mehr entgegensetzen als reine Migrationskritik. Die Thüringer AfD steht für eine demographische Wende. Deshalb haben wir in die letzte Haushaltsverhandlung ein großes Familienförderprogramm eingebracht. Die Botschaft war und ist klar: Statt das hart erarbeitete Steuergeld in Sozialmigration zu versenken, sollte lieber in die Zukunft investiert werden, nämlich in die Familienförderung. Oder gut populistisch ausgedrückt: Thüringen braucht sowohl eine Verabschiedungskultur für illegale und nichtintegrierbare Einwanderer als auch eine Willkommenskultur für Kinder.

Das Ziel der AfD ist auch eine Regierungsbeteiligung. In Thüringen gab es zuletzt eine zarte Annäherung der Oppositionsparteien, so stimmte die AfD zum Beispiel zusammen mit der CDU für ein Verbot der sogenannten „geschlechtergerechten Sprache“ in den Landesbehörden. Die Medien der Republik sahen natürlich in diesem völlig normalen parlamentarischen Vorgang einen weiteren „Dammbruch“ – Herr Höcke, rechnen Sie mit weiteren „Dammbrüchen“ in den nächsten Monaten? Halten Sie eine blau-schwarze Regierung in Erfurt ab 2024 für möglich und sogar wünschenswert?

Als Österreicher haben Sie ja einschlägige Erfahrungen mit derartigen Regierungskoalitionen! Starke Skepsis ist also angebracht. Mit dem gebrochenen Neuwahlversprechen, der Rückgängigmachung der Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten und dem Kuschelkurs mit den regierenden Kommunisten hat sich die Landes-CDU ohnehin bereits schwer geschadet. Die aggressive Kriegsrhetorik der Bundes-CDU tut ein übriges. Die Thüringer wollen in ihrer überwältigenden Mehrheit Frieden und Freundschaft mit Russland und keinen Krieg, ja nicht einmal einen Konflikt, der US-amerikanischen Interessen dient.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir mit Ramelow einen Ministerpräsidenten haben, der – Zitat – „gegen Russland eskalieren will“, bekommt dieses Thema eine zusätzliche Brisanz. Wir haben uns dagegen klar und deutlich als Friedenspartei positioniert, was von den Thüringer Bürgern sehr gut aufgenommen wird. Diese Frage ist keine Nebensache: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Die Thüringer CDU hat sich bisher aus den Fängen der westlichen Kriegspropaganda nicht befreien können. 

In Folge findet sich die ehemalige Volkspartei, die Thüringen jahrelang mit absoluter Mehrheit regiert hat, in aktuellen Umfragen regelmäßig unter 20 Prozent wieder. Sie haben im Erfurter Landtag gesagt, dass die CDU bei der nächsten Wahl sogar in die Einstelligkeit abrutschen könnte.

Ja, wenn sie keine elementare Kurskorrektur einleitet. Die Zeiten des Lavierens und Taktierens, das die CDU zugegebenermaßen perfekt beherrscht, sind vorbei. Wichtige Richtungsentscheidung stehen an und zwingen die CDU, sich inhaltlich ehrlich zu machen. Wir helfen mit unserem klar ausgerichteten politischen Kompass der CDU dabei, ihre in den 1980er-Jahren angekündigte geistig-moralische Wende wenigstens in einem Bundesland einmal umzusetzen.

Allein wird sie es aber nicht schaffen, zu stark hat der Merkelismus ihr das politische Mark aus den Knochen gesogen. Meine Prognose sollte eine Art Weckruf für die Union sein. Schafft sie die Rückbesinnung nicht, dann wird sie den Weg der italienischen Christdemokratie gehen – es ist der Weg in die politische Bedeutungslosigkeit. Früher hieß es immer von oben herab, die AfD wäre nicht koalitionswürdig. Heute müssen wir diese Frage an andere stellen.

Auch parteiintern geschah in der AfD 2022 einiges. Man denke nur an den Austritt des Parteisprechers Jörg Meuthen im Januar oder den Bundesparteitag in Riesa. Einige Kritiker sahen in diesen Vorgängen den Abgang der letzten „liberalkonservativen Akteure“, andere sprachen jedoch auch von einer endlich etablierten Einigkeit in der Partei – das Ende des „Krieges gegen die eigene Partei“.  Welches Fazit ziehen Sie für die Partei im letzten Jahr?

Der Riesaer Parteitag war ein großer Sprung nach vorne für uns. Allen neuen Bundesvorstandsmitgliedern ist nun klar, dass der politische Gegner nicht innerhalb der Partei steht, sondern außerhalb. Und jedem Führungsfunktionär dürfte mit Blick auf den Werdegang von Lucke, Petry und Meuthen deutlich geworden sein, dass ein Krieg gegen die eigene Partei – verdientermaßen! – das Ende der Karriere in dieser Partei bedeutet. Wer die Partei richten will, den richtet die Partei, wie Hans-Thomas Tillschneider das einmal formuliert hat.

Sind die Gräben zwischen den Ost- und Westlandesverbänden geschlossen?

Wir haben alle in den vergangenen Jahren des kräftezehrenden innerparteilichen Kleinkriegs gelernt, dass es gemeinsam besser geht und wir Volkspartei auch im Westen werden können mit dem Bewusstsein, dass unterschiedliche Strömungen ein Gewinn und keine Last sind. Ideologische Starrheiten sind mir ohnehin fremd, zum einen, weil ich selbst in den letzten zehn Jahren durch die Begegnung mit Menschen anderer innerparteilicher Positionen viel dazugelernt habe und zum anderen, weil es am Ende nicht um die Umsetzung der richtigen Lehre geht, sondern um eine bessere Politik für unser Land. Was uns vereint, überwiegt das Trennende bei Weitem, vor allem unsere Liebe zu Deutschland und der Einsatz für das „wahre Europa“.

Herr Höcke, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:

Björn Höcke, geboren 1972, ist vierfacher Familienvater und seit 2014 Fraktionsvorsitzender der AfD Thüringen und einer der beiden Landessprecher der AfD Thüringen.