Freilich #35: Und tschüss!

„Die EU etabliert ein Sozialkreditsystem“ – AfD-Politiker Froelich über die Brüsseler Kontrolle

Die AfD sieht die Demokratie in Europa zunehmend bedroht und warnt vor der Unterdrückung oppositioneller Kräfte. In diesem Zusammenhang spricht Froelich von einem „Sozialkreditsystem“, das unliebsame Regierungen und Parteien bestraft.

Interview von
23.8.2025
/
11 Minuten Lesezeit
„Die EU etabliert ein Sozialkreditsystem“ – AfD-Politiker Froelich über die Brüsseler Kontrolle
© AfD

FREILICH: Die rasche Militarisierung und Aufrüstung Europas ist allgemein bekannt. Es handelt sich um einen Prozess, in dem nicht nur Staaten und Institutionen, sondern auch die Gesellschaft auf den Krieg vorbereitet wird. Was ist der Grund dafür? Eine tatsächliche russische Bedrohung? Der Versuch, die wirtschaftliche Krise Europas durch Ankurbelung der Rüstungsindustrie zu überwinden? Oder der Wille der Globalisten in Europa, die durch Trumps Rückzug aus der Welthegemonie entstehenden Lücken zu füllen?

Tomasz Froelich: Vorweg: Die AfD tritt für ein starkes und effizientes deutsches Militär ein und begrüßt im Grundsatz ein militärisch starkes und souveränes Europa, das von den USA militärisch unabhängig ist.

Sie haben allerdings recht, dass die aktuelle Entwicklung bedenklich ist und eine Reihe kritischer Fragen aufwirft. Die herrschende politische Kaste in der EU ist dabei in absurder Weise innerhalb weniger Jahre von einer Position absoluter Geringschätzung des Militärs und der eigenen Wehrhaftigkeit in das genaue Gegenteil einer Position völliger Hysterie gekippt.

Dies hat einerseits mit der offensichtlich mangelhaften Qualität des politischen Personals zu tun, dem es an klarer Analysefähigkeit mangelt. Andererseits damit, dass man äußere Feindbilder braucht, um von den immer größer werdenden Problemen, die man durch die eigene Politik im Inneren verursacht hat, abzulenken.

Aus unserer Sicht müssen die aktuellen Debatten deutlich nüchterner geführt werden. Die AfD will die Normalisierung des Verhältnisses mit Russland, allerdings nicht aus einer Position der Schwäche heraus.

Ob der Rückzug der USA aus Europa dauerhaft ist, bleibt abzuwarten. Für diesen Fall ist eine Autarkie der europäischen Säule innerhalb der NATO jedenfalls ein lohnenswertes Ziel. Und die Türkei als starken Verbündeten werden wir dabei dringend brauchen.

Die westlichen Medien berichten fast täglich über die wirtschaftliche Krise in Europa. In Deutschland erleben wir die Schließung zahlreicher Fabriken und Betriebe. Wie könnte Ihrer Meinung nach ein Ausweg aus dieser Krise aussehen?

Die wirtschaftliche Krise in Deutschland ist das Resultat eines jahrzehntelangen Lebens von der Substanz. Mahnende Stimmen gab es frühzeitig, wurden aber in der Phase billigen Geldes und einer robusten Weltkonjunktur überhört. Deutschland als Hochlohnland mit nur begrenzten natürlichen Ressourcen muss sich in der industriellen Fertigung und in Forschung und Entwicklung behaupten. Dazu sind eine Reihe von Maßnahmen nötig.

Zuallererst muss Energie wieder billiger werden. Der Green Deal auf nationaler und europäischer Ebene muss komplett beendet werden. Deutschland muss wieder sämtliche Energiequellen nutzen können, von der Reaktivierung der Kernenergie und der weiteren Nutzung heimischer Braunkohle bis zur Wiederöffnung von Nord Stream für den Gasimport. Auch eine Energiepartnerschaft mit der Türkei zur Errichtung weiterer Gaspipelines ist für uns eine Option. Erneuerbare Energiequellen sollten zudem in dem Maße genutzt werden, wie dies ökonomisch und technisch sinnvoll ist.

Um schmerzhafte Strukturreformen wird Deutschland nicht herumkommen. Der Staat ist schwach, wo er stark sein sollte und gleichzeitig ineffizient und überdehnt. Wir müssen Abgaben und Steuern reduzieren und staatliche Verschwendung in großem Maße abbauen. Dadurch können wir finanzielle Mittel freibekommen, um in neue Industrien, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung zu investieren. Deutschland muss ein Industrieland von Weltrang bleiben.

Schließlich ist uns wichtig, dass Deutschland nicht durch Sanktionen, die von USA und EU vorangetrieben werden, von wichtigen Handelspartnern abgeschnitten wird. Russland ist ein prominentes Beispiel, aber bei weitem nicht das einzige. Ein drohender Handelskrieg der EU gegen China hätte noch verheerendere Folgen und muss in jedem Fall abgewendet werden. 

Handelsrestriktionen gegenüber weiteren aufstrebenden Regionalmächten lehnen wir ebenfalls ab.

Parallel zur Aufrüstung in Europa erleben wir auch eine Unterdrückung oppositioneller Kräfte. In Deutschland wird die AfD ins Visier genommen, in Frankreich Le Pen, in Rumänien werden Wahlen annulliert, und die Orbán-Regierung soll aus der europäischen Gemeinschaft ausgegrenzt werden ... Führen die neoliberalen Eliten Europas den alten Kontinent in eine Diktatur?

Ja, wir sehen eine klare Tendenz hin zu einem solchen Zustand in Europa. Die Unterdrückung oppositioneller Kräfte wie der AfD in Deutschland oder die Bekämpfung souveräner nationaler Regierungen wie Orbán in Ungarn oder Fico in der Slowakei zeigen, dass die EU nicht bereit ist, demokratische Meinungsvielfalt oder andere politische Pfade zu akzeptieren. Gerade diese kleineren Länder sehen sich aktuell einer unverhohlenen Drohkulisse aus Brüssel ausgesetzt. Die EU etabliert im Grunde genommen ein Sozialkreditsystem auf supranationaler Ebene: Wer nicht gehorcht, wird sanktioniert. Insbesondere in den osteuropäischen Ländern, die lange unter sowjetischer Knute standen, weckt das böse Erinnerungen. Die Eurokraten merken gar nicht, wie arrogant und demütigend ihr ganzer Politikansatz in Ländern wie Ungarn oder der Slowakei ankommt, weil ihnen jegliche Kultursensibilität fehlt.

Die Manipulation von Wahlen wie in Rumänien und das Verhindern einzelner Kandidaturen wie in Frankreich im Falle von Marine Le Pen ist als eine neue Stufe der Eskalation zu bewerten. Ebenso die Tatsache, dass man in Deutschland Debatten über das Verbot der AfD führt, nachdem unsere Partei bei der Bundestagswahl über zehn Millionen Stimmen erhalten hat.

Diese Entwicklung lässt die europäische Politik umso verlogener und bigotter vor der Weltöffentlichkeit erscheinen, wenn sie sich in die Innenpolitik anderer Länder einmischt und sich dort mit voller Arroganz anmaßt, die sogenannten europäischen Werte diesen Ländern oktroyieren zu wollen. Sie kennen dieses Muster mit der Einflussnahme und dem Auftreten europäischer Politiker gegenüber der Türkei bestens.

Wenn man genau hinschaut, sind die Zielscheiben dieser Politik vor allem europäische Nationalisten ... Hat der „Kommunismus“ als Bedrohung nun dem Nationalismus Platz gemacht?

Wie in der Außenpolitik braucht die herrschende Kaste auch nach innen ein Feindbild, um vom eigenen Versagen abzulenken. Dazu zeichnet man die erstarkenden Kräfte des rechtskonservativen bzw. rechtsnationalen Spektrums als Wiedergänger des Nationalismus des 19. Jahrhunderts, der angeblich Europa wieder mit Schützengräben durchziehen will. Nichts ist jedoch ferner von der Realität als diese Unterstellung.

Die nationalen und patriotischen Bewegungen in Europa vertreten heute keinen aggressiven Nationalismus, sondern stehen für einen im Kern defensiven Gedanken, nämlich die Bewahrung ihrer jeweiligen Völker im Angesicht der permanenten Eliminationsdrohung, der sie alle durch den Globalismus ausgesetzt sind. Genau aus diesem Grund ist heute auch eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen patriotischen Bewegungen quer durch Europa hinweg möglich, wo dies früher undenkbar schien.

Der globalistischen Kaste ist die enorme Attraktivität, die diese patriotischen, nationalen Bewegungen haben, durchaus bewusst und als existentielle Bedrohung der eigenen Herrschaft im Blickfeld. Daher nutzen sie propagandistisch jede Gelegenheit, diejenigen politischen Kräfte zu brandmarken, die nicht Teil ihres Kartells sind.

Wir beobachten, dass globale Konservative und globale Linke in Europa in vielen Punkten zusammenfinden. Gibt es denn keinerlei gemeinsame Schnittmenge zwischen europäischen Nationalisten und linken Kräften, die auf nationale Souveränität setzen? Beispielsweise, stößt BSW in Deutschland nicht auf ähnliche Hindernisse?

Ich halte die Begriffe der politischen Rechten und der politischen Linken im Grundsatz nicht für überholt, da ich der Meinung bin, dass damit verschiedene Menschenbilder und Ordnungsvorstellungen verbunden sind, die gedanklich auch weiterhin unterschieden werden sollten.

Es ist allerdings richtig, dass dies deswegen keine völlig eindimensionale Skala ist.

Es gibt Strömungen in der politischen Linken, mit denen wir durchaus ein gutes Stück des Weges gemeinsam gehen können. Es sind jene Teile der Linken, die noch stark durch eine Bindung zur Arbeiterklasse, zu einem gewissen kulturellen Konservatismus und zum Antimperialismus geprägt sind, der sie eben auch den heutigen liberalen Werteimperialismus ablehnen lässt.

Zur Zusammenarbeit mit dem BSW, das in Deutschland diese Strömung repräsentiert, sind wir in zahlreichen Sachfragen sofort bereit. Allerdings ist durch deren Nichteinzug in den Bundestag und die inneren Richtungskämpfe dort unklar, ob das BSW sich als politische Kraft etablieren kann, die für eine Zusammenarbeit mit der AfD zur Verfügung steht.

In einer Rede im Europäischen Parlament haben Sie anhand des Beispiels der Türkei erklärt, dass Europa seine Werte anderen Ländern nicht aufzwingen könne. Wie sehen Sie das im Hinblick auf Migranten in Europa – etwa auf die Türken in Deutschland –, die ihre eigene Kultur und Werte bewahren wollen?

Natürlich ist die Betrachtungsebene eine andere, da wir hierbei von den inneren Lebensverhältnissen in Europa oder speziell Deutschland reden und wir selbstverständlich als AfD dafür eintreten, dass eine mitteleuropäisch-deutsche geprägte Identität für das Land bestimmend bleibt.

Von den zahlreichen Menschen mit Einwanderungsgeschichte erwarten wir daher, dass sie Deutschland und die Deutschen respektieren und produktiver Teil dieses Landes sind. Dies ist auch in der absoluten Mehrheit der Fälle sicherlich der Fall. Gerade bei den Deutschtürken, die zum Teil schon in der vierten Generation in Deutschland leben und deren eigene Identität davon geprägt ist, dass sie gleichermaßen in zwei Kulturen leben.

Wir verlangen als rechtskonservative Partei von niemandem, dass er die Herkunft, die Kultur und die Religion seiner Vorväter vergisst oder gar in den Dreck zieht. In der jüngeren Vergangenheit zeigen sich auch immer mehr Schnittmengen zwischen den Positionen der AfD und dem kulturellen Konservatismus der in Deutschland lebenden Türken. Gegenseitige Irritationen haben stark abgenommen und es muss niemand, dessen Großvater als Bergarbeiter aus der Türkei ins Ruhrgebiet kam, befürchten, dass er von der AfD aus Deutschland vertrieben wird. Diese Unterstellungen sind feindselige Propaganda gegen unsere Partei.

Richtig ist aber auch, dass wir die in den letzten fünfzehn Jahren stattgefundene massenhafte Einwanderung ablehnen und sie rückgängig machen wollen. Eine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme und in die Kriminalitätsstatistik hinein, die zudem durch ihre schiere Zahl die Identität Deutschlands in einigen Städten bereits unkenntlich macht, kann von uns nicht akzeptiert werden. Aber wie schon erwähnt, haben wir dabei sehr viele der Deutschtürken auf unserer Seite, die ihr eigenes Lebensumfeld in Deutschland selbst kaum noch wiedererkennen.

In derselben Rede verwendeten Sie den Begriff „Werteimperialismus“. Was genau verstehen Sie unter „Werteimperialismus“?

Es ist, denke ich, spätestens seit der woken Biden-Administration kein Geheimnis mehr, dass die Vereinigten Staaten und ihnen treue Republiken – inklusive der EU – über die Formulierung universal gültiger Wertevorstellungen außenpolitischen Einfluss auf nahezu alle Staaten dieser Erde auszuüben versuchen. Da diese Werte als menschenrechtlich kodifiziert betrachtet werden, müssen sie natürlich von jeder menschlichen Gesellschaft als gesellschaftspolitischer Maßstab gesetzt werden. Viele supranationale Institutionen, gerade unter amerikanischer Hegemonie, haben ebenfalls bestimmte westlich-progressive Wertideen verrechtlicht. 

Praktischerweise – aus westlicher Sicht – können verschiedene Thinktanks, Aktivistengruppen, NGOs, Medien und Parteien sich unter Berufung auf diese Werte in den Dienst westlichen Einflusses stellen. Dieses „soft power“-Modell war für die Amerikaner über den Kalten Krieg bis heute äußerst nützlich.

Allerdings hat vor allem die hyperprogressive, woke Aufladung dieser Wertbegriffe – Transsexualismus, Feminismus, Antinatalismus usw. – zur Destabilisierung vieler Gesellschaften geführt, auch im Westen selbst. Unter Trump ist dies zumindest dem Anspruch nach zurückgefahren worden, doch die Eurokraten halten an dieser Form der Politik fest – weil das hiesige Establishment nichts anderes kennt oder kann. Dieser Kulturkolonialismus bestimmter Brüsseler Eliten ist in meinen Augen jedoch ein Anachronismus: Er verhindert eine innenpolitisch-gesellschaftliche Gesundung Europas und zerstört zudem außenpolitische Kooperationsmöglichkeiten. Damit ist, wider aller Behauptungen, kein Weltfrieden zu machen. Der Werteimperialismus muss endlich verschwinden.

Halten Sie das westliche Entwicklungs- und Fortschrittsmodell für den einzig gangbaren Weg für die ganze Welt? Oder können unterdrückte bzw. sich entwickelnde Länder auch eigene, originelle Modelle verfolgen? Muss wirklich jeder dem Weg des Westens und Europas folgen?

Da sprechen Sie genau das an, was ich zuvor in Hinblick auf den Werteimperialismus meinte. Es ist völlig abwegig zu glauben, dass alle Völker dieser Erde dieselbe Lebensweise entwickelt müssten. Diese Fortschrittsidee ist eigentlich ein frühneuzeitlicher Wunschtraum gewesen, als die Anthropologie und Wiederentdeckung abendländischer Philosophie noch in den Kinderschuhen steckte. Auf der grundsätzlichen Gleichheit des Menschen baute man mit allerlei Spekulationsphilosophien das Ideal des abstrakten Weltbürgers auf – also des Westlers. Diese Idee ist, obgleich sie inklusiv gemeint ist, zutiefst chauvinistisch und in der Tat westzentrisch. Ich halte sie für überholt und betrachte sie auch als ein Hindernis für die Realisierung der tatsächlichen menschlichen Diversität, die ja gerade in der Differenz und Eigenart des Anderen besteht. Europa täte in diesem Zusammenhang ebenfalls gut daran, einen eigenen Weg jenseits des amerikanischen Westens zu finden. Unsere originäre abendländische Tradition ist schließlich weitreichender als die Ideale der Französischen Revolution.

Wie sehen Sie die Zukunft der NATO? Könnte es zu einer Spaltung innerhalb des Bündnisses kommen?

Über die Zukunft der NATO kann man höchstens spekulieren. Der Zusammenhalt der Allianz wird derzeitig durch die Feindschaft zu Russland aufrechterhalten, weshalb die konfrontativen Positionen von Friedrich Merz oder Keir Starmer auch mehr sind als reine Verteidigungsabsichten. Man kann heutzutage nicht mehr wirklich von einem einheitlichen Block sprechen, wie dies im Kalten Krieg wohl noch der Fall war – dennoch klammert man sich an diese Formel. Die derzeitigen Eliten haben Sorge, dass die Amerikaner sich tatsächlich zurückziehen und die Europäer ihrem Schicksal überlassen könnten. Zeitgleich gibt es unterschiedliche Interessenlagen, auch bündnistechnisch unter den Mitgliedern der Allianz. Dort kommt gerade viel in Bewegung, auch wenn nach außen eine eiserne Geschlossenheit demonstriert wird. Ich persönlich wage hier noch keine Bewertungen oder Prognosen aufzustellen.

Israels Aggression gegenüber dem palästinensischen Volk setzt sich mit voller Härte fort. Aus Europa hingegen kommen nur schwache Reaktionen. Europa unterstützt Israels Aggression im Grunde sogar, indem es die Augen verschließt und Waffen liefert. Verteidigt sich Israel wirklich selbst – oder erleben wir in Gaza einen Völkermord? 

Der israelisch-palästinensische Konflikt hat einen langen Vorlauf und ist in seiner Entstehung und Entfaltung komplex. Die Öffentlichkeit hat die Neigung, hier jeweils in eine der beiden Richtungen komplett zu kippen. Klar ist, dass Israel ein Selbstverteidigungsrecht hat und der Angriff der Hamas vom 7. Oktober zu verurteilen ist. Klar ist aber auch, dass humanitäre Standards eingehalten werden müssen und die gewaltsam verfolgte Umsiedlung einer Bevölkerung im Widerspruch zu geltendem Recht steht. Über die Monate sind die Grenzen der Selbstverteidigung verschwommen, Kriegsverbrechen bzw. Völkerrechtsverletzungen seitens Israels sind nicht von der Hand zu weisen, zugleich geben die Hamas die verbleibenden Geiseln nicht frei.

In Europa weigert man sich, daraus irgendwelche Konsequenzen abzuleiten, sowohl aufgrund geopolitischer Machtverhältnisse als auch geschichtspolitischer Setzungen. Für Deutschland ist es natürlich besonders schwer, hier eine kritische Haltung gegenüber Israel einzunehmen, doch zunehmend wird die Notwendigkeit deutlicher. Selbst die CDU-Regierung sprach von einer „Zwangssolidarität“ mit Israel, die verlange, parteiisch zu sein, selbst, wenn dies moralisch, aber auch rechtlich unhaltbar wird. 

Das Meinungsbild in Deutschland ist zumindest eindeutig: Eine deutliche Mehrheit sieht Israels Vorgehen in Gaza kritisch und ist gegen weitere Waffenlieferungen. Ich denke, die Politik – Establishment und Opposition – müssen dem Volkswillen früher oder später nachgeben.

Wenn Sie Deutschland regieren würden – mit welchem Thema würden Sie die Zusammenarbeit mit der Türkei beginnen? Wo haben Deutschland und die Türkei gemeinsame Interessen, wo stehen sie in Konkurrenz?

Deutschland und die Türkei sind wirtschaftlich bereits eng verbunden. Man ist wichtiger Handelspartner und Absatzmarkt und kooperiert in Investitions- und Forschungsfragen. Diese Partnerschaft muss ausgebaut werden. Auch ist die Türkei in Fragen gesellschaftlicher Normen deutlich konservativer als die meisten westlichen Staaten und damit näher am Programm der AfD. Zudem ist die Türkei de facto ein geopolitischer „Player“ geworden, sowohl auf dem Balkan, im östlichen Mittelmeerraum als auch im Nahen Osten. Jeder europäische Staat muss einen Interessenausgleich mit Ankara finden, denn die Türkei ist die Brücke des Okzidents zum Orient.

Deutschland und die Türkei haben zudem auch historische Verbindungen. Viele mögen es vielleicht vergessen haben, aber im Ersten Weltkrieg war man sogar Bündnispartner. Und die Deutschtürken hierzulande sind über die Generationen zu einem festen Teil des gesellschaftlichen Mosaiks gewachsen. Manche Spannungen bleiben zwar bestehen, doch im Großen und Ganzen hat sich das deutsch-türkische Verhältnis auch im Inneren der Republik harmonisiert. Und gerade aus den zuvor genannten Gründen glaube ich, dass die Deutschen und die Türken noch mal eine geschichtliche Rolle einnehmen können, die von Partnerschaftlichkeit geprägt sein wird.

Danke für Ihre Antworten!


Zur Person:

Tomasz M. Froelich, Jahrgang 1988, ist gebürtiger Hamburger und seit Juni 2024 Europaabgeordneter der AfD. Der studierte Volkswirt und Politikwissenschaftler war zudem seit 2019 stellvertretender Bundesvorsitzender der JA.

Das Interview wurde mit freundlicher Genehmigung der türkischen Zeitung Aydınlık exklusiv für FREILICH ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht.

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