Gelebte Praxis: Antifa dient Verfassungsschutz als Stichwortgeber

Bei der Stigmatisierung und Ausgrenzung politisch missliebiger Personen ist dem Verfassungsschutz jedes Mittel recht – auch der Einsatz von Quellen aus dem einschlägigen linksextremistischen Antifa-Milieu.

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Gelebte Praxis: Antifa dient Verfassungsschutz als Stichwortgeber
Bundesamt für Verfassungsschutz (Symbolbild)© IMAGO / Panama Pictures

Der deutsche Inlandsgeheimdienst schützt die Regierenden vor unliebsamer Kritik. Wer dieses Verständnis nicht teilt, wird entsorgt: Nachdem Hans-Georg Maaßen, Ex-Chef des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ (BfV), wenig Anhaltspunkte für eine Beobachtung der oppositionellen AfD sah, nutzte man 2018 seine Zweifel an angeblichen „Hetzjagden“ auf Migranten in Chemnitz, um ihn loszuwerden. Urheber der Behauptung war ein Twitter-Account mit dem bezeichnenden Namen „Antifa Zeckenbiss“.

AfD-„Prüffall“: Antifa-Portale als Quelle

Dass dies außerhalb des kritischen Lagers niemandem auffiel, liegt wohl auch daran, dass das Zusammenspiel von Politik, Medien, Behörden und Antifa eine lange Tradition hat: Auch der Verfassungsschutz nutzt seit Jahren die „Recherchen“ linksextremer Akteure, darunter anonyme Denunziationsportale. Als Maaßens Nachfolger Thomas Haldenwang 2019 die AfD zum Prüffall“ erklärte, stützte sich das in Auftrag gegebene Gutachten an mindestens sechs Stellen auf Antifa-Portale.

Teilweise waren ihre Behauptungen die einzigen „Belege“, etwa für eine frühere Mitgliedschaft von vier Berliner AfD-Politikern in der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“. Gleiches galt für die Einordnung der Forderung des AfD-Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio nach einer Rückkehr zum Abstammungsprinzip bei der Staatsbürgerschaft. Auch bei den „Querverbindungen“ zwischen der Jungen Alternative, den Identitären und schlagenden Burschenschaften berief sich die Behörde auf Quellen der „Antifa Berlin“.

Besonders häufig – nämlich 608 Mal – bezog sich das damalige Gutachten auf den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, in grauer Vorzeit unter Pseudonym in NPD-Publikationen publiziert zu haben. Dabei stützte man sich ausschließlich auf die Argumentation des linksextremen Soziologen Andreas Kemper, der eine entsprechende „Analyse“ für die parteinahe Stiftung der Partei „Die Linke“ erstellt hatte, die in Teilen selbst im Visier des Verfassungsschutzes steht.

Kemper-Artikel als Munition gegen Höcke

Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass Kemper zum Kronzeugen des Geheimdienstes wurde: Die ebenfalls 2019 vom dortigen Verfassungsschutzchef und SPD-Mitglied Stephan Kramer initiierte Überprüfung des AfD-Landesverbandes stützte sich auf einen Artikel Kempers in der dem linksextremen Spektrum zugerechneten Zeitschrift „graswurzelrevolution“. Eine dreiteilige FREILICH-Analyse deckte die schwache Argumentation Kempers auf (Teil 1, Teil 2, Teil 3).

Wenige Monate später erhob ein ehemaliger Mitarbeiter der Behörde schwere Vorwürfe gegen Kramer: Dieser habe im AfD-Prüfverfahren auf Landesebene falsche Angaben gemacht, sich auf „falsche und ungenaue Angaben“ gestützt und zuständige Referate übergangen. An der politisch motivierten Einstufung änderte diese unsaubere Arbeitsweise nichts: 2021 wurde der Landesverband sogar zu einer „gesicherten rechtsextremistischen“ Bestrebung erklärt.

Der Dammbruch wurde in den folgenden Jahren zur gelebten Praxis. Erst im Juli berichtete FREILICH, wie der Landesverfassungsschutz Nordrhein-Westfalen über „Gefällt mir“-Angaben in Sozialen Netzwerken gezielt die Nähe zur Antifa-Szene sucht.


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Die Akte Natascha Strobl

Doch nicht nur in Deutschland, auch in Österreich sind die Übergänge zwischen linker Szene und Behörden fließend. So wurden in einer Einschätzung des „Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“ (BVT) – mittlerweile umbenannt in „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst" (DSN) – zum Identitären-Prozess in Graz 2018 teilweise Textpassagen aus Schriften kopiert, an denen die einschlägige „Expertin“ Natascha Strobl mitgewirkt hatte – ohne dies als Zitat kenntlich zu machen. Strobl war 2014 Sprecherin der „Offensive gegen Rechts“, die eine Demonstration gegen den Wiener Akademikerball organisierte, die in Gewaltexzessen endete.

Im April desselben Jahres signierte sie ein Exemplar ihres Erstlingswerks „Die Identitären“ mit der Widmung: „Im Zweifelsfall eignet sich dieses Buch zum Entglasen von Geschäften“. Das methodisch fragwürdige Buch erschien im einst aus „revolutionärer Ungeduld“ gegründeten deutschen „Unrast Verlag“, der in der Vergangenheit in Verfassungsschutzberichten im linksextremen Spektrum zugeordnet wurde. Mehrfach wurde sie von gewaltbereiten Antifa-Gruppen zur Vorstellungen ihrer Schriften eingeladen. Ihr Twitter/X-Titelbild zeigt die medial in Österreich und Deutschland hofierte Strobl mit ihrem Co-Autor und Ehemann Julian Bruns vor einem Antifa-Graffiti. 

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DÖW-Werkvertrag mit Staatsschutz?

Eine enge Zusammenarbeit – laut dem Salzburger Ex-RFJ-Chef Roman Möseneder in Form eines Werkvertrags – pflegt die Behörde auch mit dem „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ (DÖW), das laut einem Gerichtsurteil als „kommunistische Tarnorganisation“ und „eine Art Privat-Stasi“ bezeichnet werden darf. Als Hauptakteure gelten Andreas Peham, der im „Rechtsextremismusbericht“ der Grünen 2016 seine Absicht bekundete, auch die FPÖ als „rechtsextrem“ einzustufen, und Bernhard Weidinger.

Letzterer verwendete in der Vergangenheit den linksextremistisch-anarchistischen Slogan „No Heart For A Nation“ auf seinem Twitter-Profil. 2021 lobte Weidinger auf einer Tagung die Arbeit „freier Wissenschaftler“ im Bereich der „Rechtsextremismusforschung“ und nannte namentlich Strobl und Jerome Trebing von der „Amadeu Antonio Stiftung“. Trebing war mit einer Klage gegen das rechte Bürgernetzwerk „Ein Prozent“ gescheitert, weil ein Gericht ihn als erwiesenen Urheber von Gewaltfantasien gegen Andersdenkende auf einem ihm zugeordneten Twitter-Account sah.