Kirchenführer werfen Netanjahu Lüge über Lage der Christen in Bethlehem vor
Kirchenführer aus Israel und Palästina erheben schwere Vorwürfe gegen Benjamin Netanjahu. In seiner UNO-Rede habe er die Lage der Christen verfälscht dargestellt.
Kritiker werfen dem israelischen Premier Netanjahu vor, die Tatsachen zu verdrehen, wenn er den Rückgang der christlichen Bevölkerung in Bethlehem auf die palästinensische Verwaltung zurückführt.
© IMAGO / UPI PhotoJerusalem. – Prominente Kirchenvertreter aus Israel und den besetzten Palästinensergebieten haben Ministerpräsident Benjamin Netanjahu scharf kritisiert. Anlass war seine Rede vor der UNO-Vollversammlung, in der er sich als Beschützer der Christen darstellte und die palästinensische Autonomiebehörde für deren schwierige Lage verantwortlich machte.
In einer in Jerusalem veröffentlichten Erklärung widersprachen führende Geistliche dem Premierminister entschieden wie orf.at berichtet. Netanjahu verdrehe die Tatsachen, wenn er den Rückgang der christlichen Bevölkerung in Bethlehem auf die palästinensische Verwaltung zurückführe. Ursache sei vielmehr die israelische Besatzung. Die Unterzeichner warfen dem Regierungschef wörtlich eine „Lüge” vor.
Belastungen durch Besatzungspolitik
Die Kirchenvertreter verweisen auf eine lange Vorgeschichte: Bereits mit der Staatsgründung Israels habe sich durch Flucht und Vertreibung die Zusammensetzung der Bevölkerung in Bethlehem verändert. Seit 1967 haben die andauernde Besatzung und die damit verbundenen schwierigen Lebensbedingungen zu weiterer Auswanderung geführt.
Sie nannten die systematische Abriegelung durch Israel und die Verweigerung von Aufenthaltsrechten als konkrete Ursachen. Christen und Muslime litten gleichermaßen und kämpften unter der israelischen Besatzung um ihr Überleben. Zusätzlich habe der Gaza-Krieg den Pilgertourismus fast vollständig zum Erliegen gebracht.
Breite ökumenische Unterstützung
Zu den Unterzeichnern der Erklärung zählen unter anderem der emeritierte lateinische Patriarch Michel Sabbah, der griechisch-orthodoxe Erzbischof Theodosios Hanna und der emeritierte lutherische Bischof Munib Younan. Auch der als Jude geborene Jesuit David Neuhaus, ehemaliger Patriarchalvikar der hebräischsprachigen Katholiken in Israel, sowie weitere hochrangige Geistliche stellten sich hinter diese Position.
Vorwurf: Instrumentalisierung von Antisemitismus
In seiner UNO-Rede hatte Netanjahu behauptet, der Anteil der Christen in Bethlehem habe „unter israelischer Kontrolle“ bei 80 Prozent gelegen und sei unter palästinensischer Verwaltung auf unter 20 Prozent gesunken. Die ökumenische Erklärung weist diese Angaben zurück und wirft dem Premierminister vor, Islamophobie zu schüren und legitime Kritik am Zionismus pauschal als Antisemitismus abzutun.