FPÖ

Von Serienniederlagen zu Seriensiegen?

In seinem Kommentar für FREILICH analysiert Heimo Lepuschitz die vergangene Landtagswahl in Niederösterreich, bei der die FPÖ mit einem grandiosen Ergebnis abschnitt und erklärt, dass Tirol die Wende war.

Heimo Lepuschitz
Kommentar von
1.2.2023
/
4 Minuten Lesezeit
Von Serienniederlagen zu Seriensiegen?
Heimo Lepuschitz

Tirol war die Wende, Niederösterreich ein Triumph. Die FPÖ ist nach nicht zu vergessenden, dramatischen Serienniederlagen wieder zurück und in Niederösterreich stärker als je zuvor. Jeder vierte Niederösterreicher hat den Freiheitlichen unter Udo Landbauer am vergangenen Wahlsonntag seine Stimme geschenkt. Die Stimmung in der von Medien nach Ibiza bereits begrabenen Partei ist glänzend. Dafür sorgen auch die Reaktionen der anderen Parteien, die in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Ignoranz das Ergebnis als Protestwahl bezeichnen. Das mag vielleicht auch stimmen, aber es war ein Protest gegen Inhalte, gegen Positionierungen, gegen Entwicklungen.

Ein Sieg der Inhalte und des „Kickl-Kurses“

Nachwahlbefragungen – immer mit größter Vorsicht zu betrachten – zeigen aber in einer kaum fehlbaren Deutlichkeit, dass die FPÖ primär wegen Ihrer Inhalte gewählt wurde. Das ist ein klares Ergebnis des sogenannten Kickl-Kurses, einer glasklaren Positionierung der FPÖ als inhaltlich alleinstehende Partei auf vielen Ebenen. Teuerung, Sanktionen, Zuwanderung, Neutralität, NATO, Klimaschutz und Freiheit, überall hat die FPÖ eine Alleinstehungsposition, vielleicht nicht überall unterstützt von der Mehrheit der Wähler, aber immer zumindest von großen Teilen. Und wo SPÖ, wie bei der Teuerung oder ÖVP, wie bei der Zuwanderung, versuchten, auf den blauen Zug aufzuspringen, hat sich die bessere, einheitliche und kantigere freiheitliche Positionierung in der Außenwirkung durchgesetzt. Zuguterletzt war zumindest in Niederösterreich der auch intern lang und durchaus intensiv diskutierte knallharte „Kickl-Kurs“ gegen Impfpflicht und Corona-Regime eines der größten Wahlmotive für die seit Jahren erstmalige Wählerwanderung von ÖVP zu FPÖ. Noch nie war wohl die veröffentlichte Meinung, das Empfinden der Wiener Blase aus Politik, Journalismus und selbsternannter Zivilgesellschaft so weit weg von der Stimmung und Lage der Mehrheit der Bevölkerung. Wäre es eine Klimawahl gewesen, würden die Grünen nicht bei sieben Prozent herumkrebsen. Die Menschen kämpfen um Ihr finanzielles Überleben, haben Angst um ihre Zukunft und die ihrer Kinder, sehen Gesundheits- und Bildungssystem den Bach runtergehen, wollen Frieden und Wohlstand. Von „Wir schaffen das!“ hat die Bevölkerung genug, wie auch von der seriellen Dilettantendrehbank vulgo Ministerrat.

Es ist kein Selbstläufer

Ist die jetzige Situation also ein Selbstläufer für die FPÖ? Können sich die Landesparteien in Kärnten und Salzburg – denen die nächsten Wahlen ins Haus stehen – zurücklehnen? Jein. Der Bundestrend wird wohl auch hier, wenn man es nicht selbst vergurkt, für ein Plus sorgen. Aber: wer in der Hängematte liegt, weniger Prozente kriegt. Gerade in Kärnten könnten die fast sicheren großen ÖVP-Verluste das blaue Plus garantieren, aber nur eine kämpferische, geeinte Partei mit einem starken Wahlkampf Marke Jörg Haider verhindert mit Sicherheit eine absolute Mehrheit der SPÖ und weist das im südlichsten Bundesland starke Team Kärnten in die Schranken. Von historischen Ergebnissen sind die Kärntner aber derzeit weit entfernt. In Salzburg steht mit Marlene Svazek eine der größten Zukunftshoffnungen der FPÖ im Ring mit dem schwarzen Landeshauptmann „Wilfried der Müde“ Haslauer, der nur noch einmal gewählt werden will, um sich zur Hälfte der Amtszeit in das Amt des Salzburger Festspielchefs zu pensionieren, wenn die Gerüchte stimmen. Dort könnte die junge Herausforderin das nächste historische Allzeithoch erreichen und zumindest in die Nähe von Platz zwei kommen.

Schwarz-Grün und die 20-Kilo-Sesselkleber

Aber was bedeutet der startende blaue Erfolgslauf für die Bundespolitik? Derzeit wohl wenig. ÖVP und Grüne klammern sich zumindest bis zu den zwei Landtagswahlen und wahrscheinlich auch bis zum regulären Nationalratswahltermin wie Ertrinkende aneinander. Klammernde sind schlechte Schwimmende und der Grund ist tief, aber die wöchentliche 20-Kilogramm-Bestellung Sesselkleber für den Ministerrat wirkt. Kaum eine der jetzt als Minister „wirkenden“ Personen hätte in der Privatwirtschaft ein annäherndes Einkommen und das gilt für Ihr Umfeld wohl zu großen Teilen noch stärker. In der NGO macht dich das Gehalt dann nicht sehr froh.

Doskozil wäre die Ampel

Gleichzeitig erschwert der glasklare Kurs Herbert Kickls „gegen das System“ natürlich auch jede Regierungsbeteiligung. Entweder müsste sich die FPÖ derzeit massiv verbiegen, um einen Koalitionspartner zu finden oder der Koalitionspartner verbiegt sich. Wer Herbert Kickl besser kennt und als Innenminister erlebt hat, kann ersteres ziemlich sicher ausschließen, wer die ÖVP kennt, weiß, dass keine Partei so flexibel ist wie die Volkspartei, die einmal mit den Blauen freiheitliche Politik macht und gleich darauf mit den Grünen deren Positionen mitträgt. Vom Fleischfresser zum Veganer und wieder zurück in zwei Atemzügen. Bei der SPÖ gibt es unterschätzt starke Strömungen, die eine Koalition mit der FPÖ durchaus befürworten würden, aber ob sich die Realos gegen die laute und medial getragene Linksblase durchsetzen könnte, wäre zu bezweifeln. Auch Burgenlands Landeshauptmann Doskozil steht offen für eine Ampel ein. Wer also Doskozil als SPÖ Vorsitzenden wählt, der erhält wieder die Grünen mit ihren Steuererhöhungen und Verboten. Ein Dokozil kommt selten allein, sondern im Doppelpack mit Gewessler und Meinl-Reisinger. Nightmare on Ballhausplatz für jeden freiheitlichen Sympathisanten.

Fehler nicht mehr wiederholen

Fakt ist, falls die FPÖ Ihre ausgegebene Zielrichtung, nämlich Bundeskanzler Kickl, verwirklichen will, dann muss sie weiter massiv wachsen und so stark werden, dass selbst der greise Grüne in der Hofburg nur mehr kurzen Widerstand leisten kann, weil es eine stabile, demokratisch legitimierte Mehrheit gibt. Im anderen Fall wird das System jede Koalitionsmehrheit nützen, um Kickl von der Macht fernzuhalten. Speziell ein Ergebnis über 33 Prozent würde jede Verfassungsänderung ohne die FPÖ verhindern und damit zumindest einen blauen Basisschutz gegen ein erneutes Regime à la Corona ermöglichen. Auch den wenigen Träumern, speziell in der ÖVP, die fantasieren, die Freiheitlichen würden eben einen Anderen als Kanzler oder Vizekanzler nominieren, um an die Posten zu gelangen, sei eine klare Abfuhr erteilt. Die Fehler von 2000 werden sich nie mehr wiederholen und auch Ibiza-Urlaube sowie Oligarchen sollten künftig eher gemieden werden.

Nur Stärke schafft eine erfolgreiche Regierungsbeteiligung

Schlussconclusio: Tirol war die gar nicht hoch genug einzuschätzende Trendumkehr, Niederösterreich ein historischer Sieg, die Zukunft der Freiheitlichen sieht aus heutiger Sicht gut aus, aber Demut, Fleiß, klare Linien, Stabilität und das Bekenntnis zur Verantwortung sind unverzichtbar. Regierung ist immer ein Kompromiss, aber es gilt so stark zu werden, dass die mit der FPÖ koalierende Partei primär Kompromisse schließen muss. Wer gegen „das System“ auftritt, muss es dann auch mit demokratisch legitimierter Stärke verändern können. Aber das hat die FPÖ geschafft. Selbst die schärfsten Kritiker würden nie davon ausgehen, dass eine FPÖ unter Herbert Kickl in einer Regierung die Eckpfeiler Ihrer Politik gravierend verändern würde. Und genau dieses hart und unter Verlusten erarbeitete Vertrauen zahlt derzeit jeden Tag mehr in die Kasse der Freiheitlichen ein.


Zur Person:

Heimo Lepuschitz ist politischer Kommunikationsspezialist und war Medienkoordinator der letzten ÖVP-FPÖ-Regierung. Er ist auf Strategieberatung, Public Affairs und Krisenkommunikation spezialisiert.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.