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Thompson in Zagreb: 500.000 Kroaten feiern nationale Identität

In Kroatien feiern Hunderttausende ein Konzert, das für sie mehr als nur Musik ist: ein Bekenntnis zu Geschichte, Glauben und nationaler Identität. Auf der Bühne steht Marko Perković, auch „Thompson” genannt.

Kommentar von
5.7.2025
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5 Minuten Lesezeit
Thompson in Zagreb: 500.000 Kroaten feiern nationale Identität

Das heutige Konzert von Thompson wird als Megaspektakel in die Geschichte des Landes eingehen.

© IMAGO / Funke Foto Services

Zagreb, Samstagabend. Halb Kroatien auf den Beinen, das politische Establishment nervös, die internationale Presse am Hyperventilieren. Der Grund? Ein Sänger, ein Konzert, ein Symbol. Marko Perković, genannt Thompson, hat gerufen – und Hunderttausende sind gekommen. 500.000 Menschen feiern in der kroatischen Hauptstadt ein Spektakel, das alles ist: patriotisch, populär, provozierend. Und für westliche Medien ein Skandal.

Ein Land im Ausnahmezustand

In der kroatischen Hauptstadt findet am heutigen Samstag eines der größten Einzelkonzerte Europas statt: Der Sänger Marko Perković, bekannt unter dem Künstlernamen Thompson, tritt auf der Pferderennbahn in Zagreb vor über 500.000 Menschen auf. Bereits im Vorverkauf wurden Tickets in Rekordhöhe verkauft – das Konzert gilt als das größte ticketpflichtige Einzelkonzert der Welt.

Die Stadt mit rund 800.000 Einwohnern steht damit vor logistischen Herausforderungen. Die Polizei ist im Großeinsatz, Rettungsdienste wurden mobilisiert, die Verkehrs- und Sicherheitslage wird laufend beobachtet. Beobachter warnen vor Überlastungen im städtischen System. Allein die logistische Absicherung des Konzerts stellt für einen Vier-Millionen-Einwohner-Staat wie Kroatien eine gewaltige Herausforderung dar: Polizei, Rettungsdienste, Parkraum und öffentlicher Nahverkehr müssen unter Hochdruck koordiniert werden. Der kroatische Innenminister sprach im Vorfeld von möglichen „Einzelfällen“, betonte jedoch, dass man auf alle Szenarien vorbereitet sei.

Die Debatte um Thompson

Kritiker werfen Thompson vor, in seinen Liedern mit historischen Anspielungen zu spielen, die manche als problematisch empfinden. Die Debatte darum begleitet ihn seit Jahren – national wie international. Marko Perković ist in Kroatien eine polarisierende Figur. Viele seiner Anhänger sehen in ihm einen patriotischen Musiker, der das nationale Bewusstsein stärkt – Kritiker hingegen werfen ihm rechtsnationale bis rechtsextreme Tendenzen vor. Seinen Künstlernamen „Thompson“ erhielt er während des vaterländischen Kriegs (Domovinski rat), als er als Freiwilliger an der Front kämpfte – mit einem Maschinengewehr vom Typ Thompson in der Hand. Der Rufname, unter dem er bald landesweit bekannt wurde, blieb haften – erst unter den Kameraden, dann auf der Bühne.

Immer wieder wird ihm vorgehalten, mit Symbolen und Parolen der Ustaša-Bewegung zu kokettieren – jener faschistischen Organisation, die im Zweiten Weltkrieg in enger Allianz mit dem NS-Regime stand und für zahlreiche Verbrechen an Serben, Juden, Roma und politischen Gegnern verantwortlich war. Der Sänger hat sich davon allerdings mehrfach und unmissverständlich distanziert. Seine Lieder, so betont er, bezögen sich auf den Unabhängigkeitskrieg der 1990er-Jahre – den Domovinski rat, den vaterländischen Krieg – nicht auf das faschistische Erbe der 1940er. In der Vergangenheit tauchten auf seinen Konzerten vereinzelt Besucher mit historischen Emblemen auf, etwa dem Ustaša-Gruß „Za dom spremni“ („Für die Heimat – bereit“), der früher zu Beginn seines bekanntesten Liedes „Bojna Čavoglave“ angestimmt wurde – einem Song, der während des vaterländischen Kriegs zur Hymne kroatischer Einheiten wurde.

Zwischen Kritik und Kult

Dass die öffentliche Wahrnehmung von Thompson häufig von außenpolitischen oder ideologischen Vorannahmen geprägt ist, zeigt exemplarisch ein aktueller Bericht der taz. Dort heißt es: „Perković dagegen hat sich von einem patriotischen Landesverteidiger der 1990er Jahre, als ein Drittel Kroatiens von serbischen Truppen besetzt war, zu einem knallharten Nationalisten gewandelt.“ Tatsächlich aber lässt sich die Entwicklung eher umgekehrt beschreiben: In seinen frühen Jahren war Thompson mit deutlich härterem Ton unterwegs, während er sich in den letzten Jahren zunehmend um politische Mäßigung und klare Abgrenzung von extremistischen Symbolen bemüht hat – auch wenn die Debatten um seine Wirkung nicht abgerissen sind.

In Deutschland und anderen westlichen Ländern wird Thompson regelmäßig als rechtsextremer Musiker eingestuft. Seine Texte, die nationale Mythen, religiöse Bezüge und historische Kämpfe thematisieren, gelten Kritikern als ethno-nationalistisch und ausgrenzend. Auch in Kroatien selbst verläuft die gesellschaftliche Debatte entlang klarer Linien. Während das links-grüne Lager, angeführt vom Zagreber Bürgermeister Tomislav Tomašević, sich kritisch bis ablehnend äußert, sehen viele Bürger das Konzert als kulturelles Massenereignis – als Teil gelebter Gegenwartskultur.

Die Wirkung der Musik

Jenseits der politischen Bewertung verdient auch die musikalische Dimension Aufmerksamkeit. Thompsons Stil vereint Elemente aus Hardrock, Heavy Metal und traditioneller Folklore. Musikexperten beschreiben seine Songs als rhythmisch eingängig, mit einfachen Harmonien, markanten Refrains und einem pathetisch aufgeladenen Vortrag. Für seine Kritiker liegt genau darin die Gefahr: Die emotionale Wucht seiner Musik verleihe politischen Botschaften eine verstärkte Wirkung. Für seine Anhänger hingegen ist es gerade diese Verbindung aus Klang, Identität und kollektiver Erinnerung, die ihn einzigartig macht.

Zugleich verweisen viele Beobachter auf die gesellschaftliche Stimmungslage im Land, um Thompsons Popularität zu erklären. In einer Zeit zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit, politischer Entfremdung und kultureller Orientierungslosigkeit scheinen seine Lieder einen Nerv zu treffen. Sie greifen Fragen auf, die im öffentlichen Diskurs selten offen gestellt werden: Was bedeutet es heute, Kroate zu sein? Welche historischen Erfahrungen prägen das nationale Selbstbild? Und was wurde aus dem Versprechen der Unabhängigkeit?

Identität in Tönen

Thompson bietet auf diese Fragen klare Antworten. Seine Texte kreisen um Leid, Opferbereitschaft, Glauben, Zugehörigkeit und nationale Selbstbehauptung. Für viele Hörer ist er damit weit mehr als ein Musiker: Er wird als Stimme kollektiver Erfahrung und Identität wahrgenommen – als kultureller Anker in unsicheren Zeiten. In einer Ära globaler Verunsicherung erfahren viele in seiner Musik Bestätigung: dass Geschichte, Tradition und nationale Bindung weiterhin Orientierung stiften können. Seine Konzerte sind für viele deshalb nicht nur Unterhaltung, sondern auch Orte gemeinsamer Selbstvergewisserung.

Auch international ist das Interesse enorm. Tausende Auslandskroaten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA und Skandinavien sind angereist. Für viele hat das Konzert eine beinahe rituelle Bedeutung – als Begegnung, als Heimkehr, als Ausdruck nationaler Verbundenheit. In Sozialen Netzwerken kursieren seit Tagen Bilder von Fanbussen, Gruppengesängen und rot-weiß-karierten Fahnen. Neben älteren Generationen sind auch zahlreiche junge Menschen vertreten.

Unübersehbar ist dabei der Einfluss der katholischen Tradition. Viele von Thompsons Liedern enthalten religiöse Symbolik – Anrufungen der Muttergottes, Verweise auf das Kreuz oder auf Heilige. Kritiker sehen darin eine problematische Verquickung von Kirche und Nation, die mit pluralistischen Gesellschaftsmodellen schwer vereinbar sei. Befürworter hingegen sprechen von einem authentischen Ausdruck kroatischer Geschichte und Spiritualität.

Kultur zwischen Tradition und Zukunft

Das heutige Konzert von Marko Perković zeigt vor allem eines: dass es in Teilen Europas noch Gesellschaften gibt, in denen nationale Geschichte, Religion und Musik öffentlich miteinander verbunden werden – und in denen diese Verbindung nicht automatisch als Gefahr gilt, sondern als Teil gelebter Kultur. Dass dies zugleich Widerspruch provoziert, überrascht wenig. Doch genau diese Spannung macht das Ereignis für Beobachter im In- und Ausland so bemerkenswert.

Was in Kroatien möglich ist, erscheint in Westeuropa – insbesondere in Deutschland – kaum denkbar. Eine halbe Million Menschen bei einem Konzert mit offen nationaler Botschaft, christlichem Unterton und historischer Bezugnahme: In Deutschland wäre ein solches Ereignis vermutlich nicht ohne massive Proteste oder mediale Kampagnen durchführbar. Das Konzert in Zagreb wirft deshalb auch grundsätzliche Fragen auf: Wie viel Patriotismus ist im heutigen Europa gesellschaftlich legitim? Wo verläuft die Grenze zwischen kollektiver Identität und politischer Provokation?

Während deutsche Kulturfunktionäre über Diversität dozieren und Landesväter ihre Hymne nur noch nuschelnd zur Kenntnis nehmen, zeigt Kroatien, dass nationale Identität, Glaube und Gemeinschaft nicht nur überleben – sondern hunderttausende Menschen in Bewegung setzen können. Nicht als Rückfall, sondern als Zukunft. Und das ganz ohne Haltungsvorschriften aus Berlin.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Filip Gaspar

Filip Gaspar ist freier Journalist und Assistent des AfD-Europaabgeordneten Markus Buchheit.

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