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Traum vom alten Europa: Krahs Sehnsucht und der Bruch mit der Vergangenheit

Maximilian Krah sieht sich wegen eines angeblichen ideologischen Rückzugs heftiger Kritik aus dem rechten Vorfeld ausgesetzt. Jörg Sobolewski widerspricht dieser Bewertung und betrachtet die Kritik als Fehleinschätzung von Krahs politischer Haltung.

Kommentar von
9.6.2025
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5 Minuten Lesezeit
Traum vom alten Europa: Krahs Sehnsucht und der Bruch mit der Vergangenheit

Maximilian Krah hat in den vergangenen Jahren mit seinen Aussagen regelmäßig polarisiert.

© IMAGO / Sven Simon

„Max, wohin mit dir?“, fragt Christoph Albert in seinem Beitrag auf der FREILICH-Website und wirft dem ehemaligen „intellektuellen Aushängeschild“ der AfD einen gründlichen „ideologischen Rückzug“ vor.

Der Vorwurf wiegt schwer, kommt er doch ausgerechnet aus dem lautstarken und hoch motivierten Umfeld, das einen großen Teil des AfD-Vorfelds ausmacht: diesem Mosaikstoßtrupp aus IB, Burschenschaften und allem, was sich sonst noch in der Nachbarschaft der erfolgreichsten Rechtspartei der Bundesrepublik tummelt. Ein Umfeld, auf dessen Unterstützung sich der Angesprochene lange nahezu blind verlassen konnte und dessen Dynamik und Formensprache auch die zurückliegenden Wahlkampagnen von Krah prägten. Albert schreibt also eine Abrechnung mit dem ehemaligen Vorbild und ausgerechnet ich, ein ehemaliger Mitarbeiter von Krah, stelle nun die Gegenrede – zumindest innerhalb der engen Grenzen, die mir Art. 17a der Staff Regulations des EU-Parlaments steckt. Damit wäre dann auch dem Disclaimer Genüge getan.

Zur Zusammenarbeit mit Maximilian gäbe es viel Persönliches zu sagen, einiges davon ist nicht unbedingt schmeichelhaft für den Betroffenen. Da wäre sein manchmal eher taktisches Verständnis von Zuverlässigkeit oder sein Hang zur Arroganz gegenüber all jenen, die er für weniger schlau hält, als sie sich selbst. Hinzu kommt eine gewisse Gedankenlosigkeit sowie eine unkluge Lust am Gespräch, selbst mit jenen, die keine offene Debatte, sondern reine Vernichtung im Sinn haben und ein misanthropischer Zug bei jemandem, der eigentlich den Menschen an sich mag. Er ist ein Intellektueller, der sich am Stammtisch wohlfühlt, aber mit seinen Kollegen aus der AfD-Delegation oft seltsam fremdelt. Einer, der immer eher auf die Basis als auf die Funktionärsebene der Partei gesetzt hat. Zu viel aus dem Nähkästchen zu plaudern, würde jedoch den Blick auf die ideologische Kontinuität verstellen, die Albert ihm abspricht, die er selbst aber immer wieder betont – wie ich finde, zu Recht.

Krahs ideologische Grundlage

Sein mittlerweile in der achten Auflage verfügbares Buch heißt Politik von rechts. Wer sich durch die kurzweilig geschriebenen Seiten gewühlt hat, erhält tatsächlich eine Ahnung davon, was diesen Mann politisch antreibt. Politik machen, auf Basis der Realität die Zukunft gestalten. Es ist dieser nüchterne Ansatz des „Erkennens der Realität“, aus dem die krah'sche Art, Politik zu betreiben, erwächst. Genau diese Nüchternheit wird ihm nun vom rechten Rand als „opportunistische Anpassung“ vorgeworfen.

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Wer wirklich wissen will, wie „rechts“ Krah ist, muss entweder mit ihm zwei Flaschen Wein trinken oder hat Glück und Zugriff auf ein bislang unveröffentlichtes Buch, das ganz anders ist als das kleine Manifest aus dem Hause Antaios. Das Buch ist Unterhaltungsliteratur, die in ihrer Würze manchmal den Groschenroman streift. Es ist eine recht unterhaltsame Geschichte über einen Anwalt, der sich emporgearbeitet hat und durch Zufall mit einer Adelsclique in Kontakt kommt. Mit Geld und einem Beratungsmandat versehen, unternimmt er eine Reise durch Europa und knüpft dabei an ein Europa vor der Katastrophe der beiden Weltkriege an.

Beim Gedanken an dieses Europa wird aus dem „Erkennen, was ist“ bei Krah auf einmal Träumerei. Er fühlt sich geistig und ästhetisch zu Hause in einer versunkenen Welt, die sich von der Renaissance Norditaliens bis zum deutschbaltischen Adel am Vorabend der Russischen Revolution spannt. Manche mögen dabei spöttisch die Miene verziehen, doch diese Traumwelt aus der Vergangenheit ist der beste Indikator dafür, wie „rechts“ Krah wirklich ist: so „extrem“ rechts, dass ihm der Nationalstaat zu modern ist.

Traum einer versunkenen Welt

Für einen Mann aus ostbürgerlichem Haus ist das bemerkenswert. Für einen Politiker einer Partei, die den Erhalt des Nationalstaats in das Zentrum der eigenen politischen Arbeit gestellt hat – vielleicht auch mangels ideologischer Alternativen –, ist das mindestens gefährlich.

Krah lässt sich davon nicht beirren, sondern führt seinen Gedankengang öffentlich aus: Der deutsche Nationalstaat seit 1949 ist für ihn nicht mehr als der Verwalter eines kostbaren Gutes, nämlich des deutschen Volkes. Dem Erhalt dieses Volkes als geistige und ethnokulturelle Einheit ist bei ihm alles andere untergeordnet. Die Bundesrepublik als Nationalstaat? Für Krah ist sie kein besonders schützenswertes Tier, sondern ein Maulesel.

Ist das bereits die „Preisgabe des ideellen Kerns“, wie Albert schreibt? Für Krah nicht, zumal er Konzepten wie der Assimilation skeptisch gegenübersteht. Einheitliche Siedlungsgebiete, in denen mehrheitlich Menschen leben, die nicht deutschen Ursprungs sind? Für Krah ist das ein hinnehmbarer Zustand, solange das deutsche Volk in seiner ethnisch-kulturellen Identität erhalten bleibt und – darauf legt er Wert – weiterhin politisch und wirtschaftlich tonangebend ist. Die real existierende BRD als Nationalstaat der Deutschen wiederherzustellen? Unmöglich und sinnlos, meint Krah.

Der deutsche Nationalstaat ist aus seiner Sicht zu einer Todesfalle geworden, weil er unfähig ist, den Herausforderungen der neuen Zeit zu begegnen, und sich in seiner Mehrheit von ethnisch Deutschen bestimmen lässt, denen der Erhalt des deutschen Volkes als Ethnos vollkommen egal ist. Stattdessen prägt ihn ein Reichsgedanke: ein Deutschland – vielleicht auch ein Europa –, in dem das deutsche Volk als größte Ethnie das öffentliche Leben prägt und einer Koalition aus kleineren Ethnien vorsteht. Jedes Volk und Völkchen erhält seine Posten und Pöstchen, die innere Verwaltung obliegt konkreten Ordnungen und nebenstaatlichen Institutionen wie Kirchen, Moscheen und Kulturvereinen. Es wäre eine Art KuK mit Smartphone, die nicht einmal im Ansatz mit den deutschen Nationalstaaten seit 1871 vergleichbar wäre.

Remigration und Realismus: Krahs pragmatischer Ansatz

Und was ist mit der Remigration? Krah spricht ihr nicht die Berechtigung ab. Die Einwanderungswelle nach 2015 sollte seiner Meinung nach so weit wie möglich zurückgeführt werden. Grundsätzlich unterscheidet auch Krah stark zwischen erwünschten und unerwünschten Einwanderern. Seine Kritik am Remigrationskult ist jedoch eine andere: Eine millionenfache Remigration von Personen, die deutlich vor 2015 eingereist sind, insbesondere von Türken, wird es laut Krah nicht geben. Einerseits existiert dazu absehbar kein Wille der Mehrheit der Deutschen, andererseits weigert sich Krah konsequent, den Finger an die Staatsbürgerschaft zu legen. Da bewegt er sich auf formaljuristischer Ebene und wer will, kann ihm hier auch wahlweise Fatalismus oder Opportunismus unterstellen. Er würde mit den Achseln zucken und sagen: „Erkenne, was ist.“

Was ihn hingegen stärker umtreibt als die Sorge vor einem „Geburten-Dschihad“ (der aufgrund weltweit kollabierender Geburtenraten ohnehin ausfällt), ist die Sorge vor einem deutschen Volk, das sich aufgrund mangelnder Kinder und kultureller Beliebigkeit aus der Geschichte verabschiedet. Diese Sorge vor dem Erlöschen des Eigenen zieht sich durch sein Denken. Für Krah ist nicht das Türkenviertel in Bochum die Gefahr, sondern ein aggressiver Civic Nationalism, der die wenigen verbliebenen deutschen Kinder per Bus in diese Viertel entführt, um Schulklassen zu durchmischen und dort Verfassungspatriotismus zu lehren. Das deutsche Volk, so Krah, rettet man nicht mit dem Staatsangehörigkeitsrecht der BRD. Aktivismus im Vorfeld zur Wiederherstellung der ethnischen Einheitlichkeit eines Staates, der ausgerechnet dieses Vorfeld mit kräftiger Unterstützung der absoluten Mehrheitsbevölkerung bekämpft, mag zwar tapfer sein, ist laut Krah aber zum Scheitern verurteilt. Krah sieht darin eine „negative Erzählung“. Er hingegen will positive Orientierung geben – ohne Rücksicht auf die emotionale Anhänglichkeit ehemaliger Unterstützer an ein Nationalstaatskonzept, das Krah selbst vermutlich schon länger ablehnt.

Wer will, kann ihm diese Rücksichtslosigkeit vorwerfen. Krah verletzt und stößt damit viele vor den Kopf. Nicht jeder Gedanke und jede Strategie muss immer und überall in den sozialen Medien geteilt werden. Manchmal täte es gut, sparsamer mit seinen Gedanken umzugehen und darauf zu achten, Unterstützer mitzunehmen, anstatt sie zu verschrecken. Dann wäre er allerdings auch nicht Maximilian Krah.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Jörg Sobolewski

Jörg Sobolewski war langjähriger Mitarbeiter von Maximilian Krah. Der Journalist, der sich auf Lateinamerika spezialisiert hat, lebt und arbeitet in Brüssel.

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