Sellner und Remigration als Zündstoff: AfD streitet über Nähe zum Vorfeld
Martin Sellner und sein Remigrationskonzept sorgen in der AfD erneut für Diskussionen und Distanzierungen. Der Autor selbst sieht dieses Vorgehen kritisch und warnt die Partei vor einem Verlust der politischen Identität.
Während sich einige AfD-Vertreter von Martin Sellner distanzieren, stellen sich andere hinter ihn.
© Martin SellnerBerlin/Wien. – Die AfD steht erneut im Fokus parteiinterner Spannungen. Grund dafür ist die mögliche Nähe zum österreichischen Polit-Aktivisten und Autor Martin Sellner und dessen Konzept der „Remigration“. Der AfD-Kreisverband Düsseldorf plante einer Reihe von Medienberichten zufolge eine Veranstaltung mit Sellner, bei der er am 18. August sprechen sollte. Intern regte sich jedoch massiver Widerstand, der offenbar zum Abbruch der Pläne führte.
Ein Sprecher des Landes- und Bezirksverbands erklärte laut der Rheinischen Post (RP) dazu: „Es ist selbsterklärend, dass eine Kooperation mit auf der Unvereinbarkeitsliste stehenden Organisationen und deren Vorsitzenden nur als parteischädigend angesehen werden kann.“ Damit ist die Identitäre Bewegung gemeint, deren bekannteste Figur Martin Sellner ist.
Frühere Kontakte und Distanzierung
Schon das „Geheimtreffen“ in Potsdam, an dem unter anderem Sellner teilgenommen hatte, hatte für öffentliche Empörung gesorgt. In Reaktion darauf hatte sich die Parteiführung damals bemüht, eine klare Abgrenzung zu formulieren. So veröffentlichte der Bundesvorstand ein Positionspapier, in dem es hieß, man verstehe unter „Remigration“ lediglich eine „rechtsstaatliche und gesetzeskonforme Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in ihre Heimat“. Alice Weidel trennte sich von einem Mitarbeiter, der an dem Treffen teilgenommen hatte.
Parteiinternes Ringen um den Kurs
Die Debatte über die Nähe zu Sellner reißt in der AfD nicht ab. In einem laufenden Verfahren prüft der Verfassungsschutz, ob die gesamte Partei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einzustufen ist. In diesem Kontext könnte laut einiger Funktionäre jede Verbindung zu Sellner die Verteidigungsstrategie der Partei schwächen.
Ein Sprecher des Landesverbands erklärte laut RP mit Blick auf den Verfassungsschutz: „Wir wollen den Laden sauber halten.“ Auch auf Bundesebene wurde die Thematik erneut diskutiert. In einer internen Telefonkonferenz verwies der ehemalige Bundestagsabgeordnete Roman Reusch demnach auf ein Urteil der Zeitschrift Compact, in dem Sellner positiv erwähnt wurde. Aus Parteikreisen hieß es, man müsse jede Verbindung zu ihm unterbinden, um Konflikte mit dem Verfassungsschutz zu vermeiden.
Sollte der Kreisverband Düsseldorf an der Zusammenarbeit festhalten, könnte dies laut Landesverband Konsequenzen nach sich ziehen. „In diesem Falle müssen die zuständigen Gremien aktiv werden und gegebenenfalls Parteiordnungsmaßnahmen verhängen“, so ein Sprecher.
Trotz der ablehnenden Haltung von Teilen der Partei gibt es auch gegenteilige Stimmen. So bezog der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke in einem Facebook-Beitrag Stellung gegen eine Distanzierung von Sellner. Der Kreissprecher Elmar Salinger äußerte sich ebenfalls zu den Kontakten. Man suche das Gespräch mit allen, „solange keine strafbaren Handlungen zu erwarten sind“.
„Wer keine eigenen Begriffe hat, hat keine Identität“
Martin Sellner selbst äußerte sich ebenfalls zur aktuellen Debatte. Gegenüber FREILICH erklärte er: „Ich denke, es ist ein Trugschluss, wenn die AfD meint, durch ‚Mäßigung‘ beim Establishment anzukommen. Man will keine ‚andere‘, sondern gar keine AfD.“ Die Aufgabe politischer Begriffe schade dem Erscheinungsbild der Partei: „Auf den Wähler wirkt eine rasche Aufgabe von Begriffen ziellos. Der politische Gegner erkennt darin vermutlich eine Schwäche, die er weiter ausnutzen wird.“
Sellner betonte dabei zudem die Bedeutung klarer ideologischer Positionen: „Politik ist das Bohren dicker Bretter und erfordert Mut und Ausdauer. Wer keine eigenen Begriffe hat, hat keine Identität. Wer sie sich vom Gegner diktieren lässt, wird zu dessen Sklaven.“