Rechte Rhetorik: Wo Sprache in die Defensive treibt

Die Linke hat begriffen, dass Sprache Macht bedeutet. Ihr gesamtes Auftreten unterliegt einer strengen sprachlichen „Corporate Identity“, die nichts dem Zufall überlässt. Der Rechten fehlt eine solche „Corporate Identity“, erklärt Benjamin Steiner in seinem Kommentar für FREILICH. Auch deshalb würden die Konservativen immer verlieren.

Kommentar von
17.4.2024
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6 Minuten Lesezeit
Rechte Rhetorik: Wo Sprache in die Defensive treibt
Die Parole „Kein Mensch ist illegal“ wird von Konservativen seit Langem belächelt.© IMAGO / Müller-Stauffenberg

Das (neu-)rechte und konservative Lager ist in vielerlei Hinsicht gespalten. Teils erstrecken sich diese Unterschiede bereits auf die weltanschaulichen Grundlagen; oftmals ist man sich auch nur uneins bezüglich der politischen Strategie, der Ästhetik oder man zerstreitet sich entlang kontroverser Einzelthemen. Nicht selten beginnt der Konflikt jedoch bereits im Bereich der politischen Kommunikation, der Rhetorik, der Begriffssetzung. Dieses Metier wird von mancherlei Kreisen im (partei-)politischen Alltagsbetrieb häufig unterschätzt. Man sieht sich schließlich auf der Seite der Vernunft, des „gesunden Menschenverstandes“. Politische Kommunikation? So etwas sei „Geschwätzwissenschaft“, ausgeübt durch links-grüne Langzeitstudenten. Wozu eine eigene Sprache entwickeln, eigene Begriffe etablieren und auch reflektieren? Das ist doch fast schon „Genderismus“ von rechts, zudem noch elitäre Anmaßung! Dabei reicht es doch vielmehr, Linke je nach Wahl als „verrückt“ oder „dumm“ darzustellen und in der eigenen Weltsicht (woraus diese denn genau besteht, wird selten elaboriert) die „Normalität“ gepachtet zu sehen.

Nun wäre es sicherlich übertrieben, eine solche Strategie der „Normalisierung“ der eigenen Inhalte bei gleichzeitiger Pathologisierung der Gegenseite grundlegend abzulehnen. Gerade in der notwendigerweise heruntergebrochenen Massenkommunikation der AfD ist dies nicht zwangsläufig falsch: Der Wahlkampfslogan „Deutschland, aber normal“ etwa bedient ein schwelendes Gefühl in großen Teilen der bundesdeutschen Bevölkerung weit über den Wählerkern hinaus einer zunehmenden „Verclownung“ der Gesellschaft und des politischen Betriebs. Und tatsächlich: Unsere Gesellschaft, getrieben durch linke, grüne und bürgerlich-liberale Eliten, gleicht zunehmend einem Irrenhaus. Im Gegensatz hierzu bieten AfD oder Neue Rechte überwiegend behutsame Vorschläge und Wege zurück zu einer gewissen „Normalisierung“ der Verhältnisse, seien diese im Bereich der Bevölkerungspolitik, der Kultur- und Gesellschaftspolitik oder der Außenpolitik. „Geisteskrank und bösartig“ (wie der YouTuber „Shlomo Finkelstein“ zu sagen pflegt) ist der politische Gegner tatsächlich, und dies auszusprechen richtig und notwendig.

Mut zur Wahrheit

Jedoch steckt der Teufel im Detail. Bei allem legitimen rhetorischen „Populismus“ darf nicht vergessen werden: Sprache ist Macht. Dies haben die Linken seit jeher auf Anhieb verstanden. Und weil sie genau dies verstanden haben, überlassen Linke in dieser Hinsicht auch nichts dem Zufall. Ihr gesamtes Auftreten spätestens seit der 68er-Bewegung unterliegt einer strikten sprachlichen „Corporate Identity“. Diese wiederum weist ein entscheidendes Merkmal auf: Sie ist progressiv, denkt nicht bewahrend und verwaltend, sondern visionär, teils revolutionär. Wie selbstverständlich formuliert sie Utopien mit dem unumstößlichen Anspruch, dass diese in naher Zukunft Realität werden MÜSSEN. Vermeintliche oder tatsächliche rechte Utopien werden von Linken höchstens noch als Schreckgespenst, als rhetorische Vogelscheuche ins Feld geführt. Vielmehr dient ihr „Framing“ hauptsächlich der Zermürbung und Zerschlagung des verbliebenen konservativ-bürgerlichen Widerstands gegenüber der linken Gesellschaftsutopie. „Verstaubt“ und „ewiggestrig“ sei schon jener, der Ansichten vertritt, welche vor 50, 30 oder auch nur zehn Jahren vollkommen selbstverständlich waren und der es zudem auch noch wagt, diese nicht ohne Widerstand einfach aufzugeben. Linke Ideologieprojekte hingegen sind stets „progressiv“ und „fortschrittlich“, als handle es sich beispielsweise bei der freien Geschlechtswahl um so etwas wie die sozialpolitische Version der Atomspaltung als physikalischen oder des Antibiotikums als medizinischen Fortschritt.

Zahllose Beispiele untermauern diese These: Genannt sei etwa das Thema der Migrationspolitik. Seit Jahrzehnten bereits existiert die geläufige Antifa-Parole „Kein Mensch ist illegal“. Und seit fast genauso langer Zeit wurde sie von „Konservativen“ stets belacht. Wie absurd ist dieser Ausspruch, wenn man ihn herunterbricht und in der Realität anwendet? Die Konsequenzen wären offene Grenzen und ein hiermit verbundener Massenansturm von Abermillionen Menschen des globalen Südens nach Europa und Deutschland. Hieraus wiederum folgen zwangsläufig soziale und kulturelle Verwerfungen, überbordende Kriminalität und zuletzt der unwiederbringliche Verlust der eigenen Kultur und Identität, wie sie bereits seit Jahrtausenden existiert. Die Konsequenz dieses Verlachens vermeintlich absurder linker Visionen sind spätestens seit 2015 jedem bekannt: Die Linken meinten es todernst und wir alle müssen nun die Konsequenzen der bürgerlich-konservativen Passivität ertragen. Schlimmer noch: Genau jene angeblich konservativen Kräfte, seien es die christdemokratischen Parteien, die Kirchen oder „bürgerliche“ Medien wie Springer, hatten diesem linken Erdrutschsieg nicht nur nichts entgegenzusetzen, sie befeuerten und initiierten ihn zum großen Teil mit. Wie allgemein bekannt ist, öffnete schließlich Angela Merkel damals die Grenzen, und nicht Claudia Roth oder Ricarda Lang.

Sprache kann Macht bedeuten

Wie konnte es nur so weit kommen? Neben der nicht weniger naheliegenden Erklärung, dass jene vorgeblich „konservativen“ Kräfte in der Realität längst Teil der linken bis linksradikalen und in jedem Fall globalistisch denkenden Eliten seien, spielt jedoch auch die defensive Sprach- und Denkhaltung jener Akteure eine entscheidende Rolle. Schon seit Langem schloss man sich in diesen Kreisen schließlich der linken Glaubensformeln des „Antifaschismus“, „Antirassismus“ und dem Bekenntnis zu „Vielfalt und Toleranz“ willfährig an. Der schwebende „Status quo“, in dem natürlich jeder Mensch unabhängig des ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergrunds gleich sei oder doch zumindest gleich behandelt werden müsse, jedoch schlichtweg „aus Gewohnheit“ ein rasanter Bevölkerungsaustausch in der Praxis verzögert wurde, war genug. Eine eigene rechte Vorstellung oder gar Vision eines auch ethnokulturell definierten „Eigenen“ und daraus zwangsläufig folgende realpolitische Konsequenzen wie ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Bevölkerungspolitik bis hin zur Wiederherstellung einer relativen ethnischen Homogenität, wären schließlich doch „zu rechts“, „zu radikal“ und schlichtweg nie und nimmer umsetzbar. Während Linke und Grüne trotz vergleichsweise sporadischer Regierungsbeteiligung den anfangs genannten Antifa-Slogan in der Zwischenzeit so gut wie in die Tat umsetzten, schauten bürgerlich-konservative „Kräfte“ zu – teils in höchsten Regierungsämtern. „Warum Konservative immer verlieren“ (Alex Kurtagić)? Es liegt nicht zuletzt an der eigenen Sprache und der Abwesenheit dieser.

Man könnte die Kette von Beispielen für „linke Dammbrüche“, welche sich bereits etliche Jahre im Voraus ankündigten, fast endlos weiterspinnen. Die „Homoehe“, noch zur Jahrtausendwende kontrovers bis undenkbar: 2017 wurde sie fast nebenbei unter Aufkündigung der Koalitionstreue seitens der SPD durchgesetzt, was im Übrigen die CDU/CSU nicht an der Fortsetzung ebenjener Koalition hinderte. Beispiele in der jüngsten Zeit sind die Cannabislegalisierung sowie das „Selbstbestimmungsgesetz“, welches die genauso absurde wie relativ junge Trans-Ideologie nun auch rechtlich verankern soll. Alles verbrämt durch hochgestochene linke Propagandabegriffe und –glaubenssätze, vorgetragen, mit einer Selbstverständlichkeit, welche der politischen Gegenseite regelmäßig die Sprache verschlägt. Die AfD als letzte verbliebene konservative Kraft im deutschen Parteienspektrum ist sich dieses Problems glücklicherweise schon eher bewusst. Doch auch hier beschränkt man sich viel zu häufig auf das „Dagegen sein“, auf den wortgewandten Angriff gegen „die verrückt gewordene“ links-grüne Politikerkaste. Jedoch fehlt auch hier in weiten Teilen ein greifbares Gegenkonzept: Was will man stattdessen? Soll es nur „nicht noch schlimmer werden“? Und wenn das nicht ausreicht, welche Gesetze, Verordnungen und Konventionen will man zurücknehmen, welche selbst einbringen? Und läuft man nicht Jahr für Jahr mehr Gefahr, ähnlich wie die Christdemokraten „progressive Errungenschaften“ wie etwa die Homoehe stillschweigend anzuerkennen?

Wo ist die eigene Vision?

Es zeigt sich immer deutlicher: Wir können uns „defensive“ Rhetorik nicht mehr leisten. „Deutschland, aber normal“ – das ist weit entfernt. Diese „Normalität“ – so selbstverständlich sie uns erscheinen mag – ist bereits eine weit entfernte Vision. Diese zu formulieren und in absehbarer Zukunft auch umzusetzen, wird die wohl größte Herausforderung des rechten Lagers sein. Hierbei muss es gelten, Schwächen in der eigenen Sprache zu erkennen und zu vermeiden. Wie oft hört man etwa das Schlagwort des „woken“ Gegners und fokussiert sich dabei ganz nach christdemokratischer Manier ausschließlich auf die radikalsten Ansichten und Strömungen innerhalb des linken Spektrums, um gleichzeitig die schleichende linke Radikalisierung der politischen „Mitte“ auszublenden? Wie oft wird sich etwa in Klein-Klein verloren und Offensichtlichkeiten auf eine solche Weise herausgestellt, dass ihre absurde Gegenposition automatisch als legitim anerkannt wird (etwa die Frage der „zwei Geschlechter“)? Diese implizit einhergehende Verschiebung des „Overton-Fensters“ nach Linksaußen wird durch ein solches Vorgehen oftmals eher begünstigt statt behindert. Wohin diese Entwicklung führt, ist bereits abzusehen. Weitere Antifa-Parolen wie „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ (wobei der Faschismus hier wahlweise bei CDU, Werteunion oder AfD beginnt) oder in jüngster Zeit „AfDler töten“ müssen angesichts der zunehmenden politischen Verfolgung patriotischer Kräfte durch staatliche Organe oder dem immer brutaleren Antifa-Terror leider ebenso ernst genommen werden, wie dies in der Vergangenheit oftmals notwendig gewesen wäre.

Die politische Rechte und sämtliche ihr zugehörige Organisationen müssen zur rhetorischen Gegenoffensive auf breiter Front blasen. Keine Entschuldigungen, keine unnötigen Distanzierungen auf Zuruf mehr. Im Gegensatz hierzu müssen Konzepte und Visionen ausgearbeitet werden, welche umsetzbar, mehrheitsfähig, aber eben auch in ihrer Tragweite ausreichend sind, um die viel beschworene „Normalität“ in diesem Land nachhaltig wiederherzustellen. Ein zaghafter Anfang wurde in der Debatte anlässlich der von Correctiv initiierten Hetzkampagne gewagt: Die Vision der „Remigration“ als theoretisches Fundament einer AfD-geführten Auswanderungs- und Demografiepolitik wurde auch im Angesicht des geballten Drucks der polit-medialen Moralwächter zumindest in ihrem Grundsatz nicht aufgegeben und offensiv vertreten. Ebensolche Visionen und Konzepte sind genauso in den Bereichen der Gesellschaftspolitik, der Außenpolitik oder der Wirtschaftspolitik denkbar. Dahingehende Ansätze aus dem rechten Vorfeld dürfen nicht belächelt oder gar bekämpft, sondern müssen ernst genommen werden. Nur gemeinsam, geeint und vor allem voller Selbstbewusstsein können wir dieses Land wieder vom Kopf auf die Beine stellen – und ihm darüber hinaus wieder das Laufen beibringen.


Zur Person:

Benjamin Steiner, geboren 1998, studiert Politikwissenschaft und ist stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Alternative Rheinland-Pfalz.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.