Österreich: Lehrerin berichtet von Christenfeindlichkeit an Volksschule
Ausgrenzung, Hass und offene Verachtung: Christliche Schüler und Lehrer sind an österreichischen Schulen zunehmend Ziel von Anfeindungen. Lehrkräfte fordern Maßnahmen, wie zum Beispiel Ethikunterricht für alle.
An österreichischen Schulen kommt es offenbar immer häufiger zu Anfeindungen gegenüber Christen, Juden oder Homosexuellen.
© IMAGO / BihlmayerfotografieWien. – An einer Volksschule in einer westösterreichischen Landeshauptstadt wird ein Schüler namens Christian allein wegen seines Namens ausgelacht, weil darin das Wort „Christ“ steckt. „Christenhass ist sehr präsent in den Gesprächen“, berichtet seine Lehrerin. Die acht- bis neunjährigen Kinder zeigten in einer Ethikstunde drastische Reaktionen: Als sie ein Arbeitsblatt zum Judentum sahen, sagten mehrere Kinder, sie würden Israel „hassen“ und „totmachen wollen“. Ein Kind trat das Arbeitsblatt mit dem Davidstern in die Ecke und rief: „Der Islam ist die beste und einzige Religion.“
Diese Erlebnisse schildert die Pädagogin dem Standard anonym. Sie berichtet auch, dass auf dem Pausenhof die erste Frage unter Kindern oft lautet: „Bist du Muslim oder Christ? Isst du Schwein?“ In einer anderen Schule habe ein Kind geweint, als es erfuhr, dass seine Lieblingslehrerin Christin ist.
Die Lehrerin hält die Ausbildung für unzureichend, um mit derartigen Konflikten umzugehen. Sie fordert deshalb einen verpflichtenden Ethikunterricht ab der Volksschule, vielleicht sogar schon früher. „Ich halte das für eine wertvolle und notwendige Grundlage für einen gemeinsamen Wertekonsens in einer vielfältigen Gesellschaft. Schule muss ein sicherer Ort sein, wo Kinder lernen, Unterschiede zu verstehen – nicht zu verurteilen.“
„Superfundamentalistische“ Einstellungen
Auch an einer berufsbildenden höheren Schule in Wien beobachtet ein Lehrer mit fast 20 Jahren Erfahrung laut dem Standard-Bericht besorgniserregende Entwicklungen. Zwei hochbegabte Schüler aus dem Nahen Osten, die akademisch herausragend seien, würden religiös-fundamentalistische Positionen vertreten. „Ich will mit denen nichts zu tun haben“ sei eine gängige Aussage über Homosexuelle. Frauen würden als dem Mann untergeordnet betrachtet, wobei auf eine entsprechende Sure im Koran verwiesen werde. Auch das Abbrennen von Regenbogenfahnen komme vor.
Der Lehrer ist überzeugt: „Notwendig wäre eine Verpflichtung zum Ethikunterricht ab der ersten Klasse.“ Der derzeitige Religionsunterricht habe für viele Jugendliche eine „Anti-Integrationswirkung“. Vorurteile wie Kreationismus und die Ablehnung der Evolutionstheorie seien weit verbreitet. „Auch das wäre ein Thema für ein Pflichtfach Ethik.“ Dennoch verweist er auf Fortschritte: „Ich habe es in einer Klasse geschafft, dass die relativ tolerant geworden sind.“ So habe er etwa einen schwulenfeindlichen Schüler durch Gespräche und Hinweise auf die Realität an Universitäten dazu gebracht, bei dem Thema „entspannter“ zu sein.
Fehlende gemeinsame Wertebasis
Ein dritter Lehrer unterrichtet an einer Schule mit einer stark multikulturellen Schülerschaft. Zwei Drittel seiner Schüler sind muslimischen Glaubens, dazu kommen orthodoxe Christen, Katholiken, Sikhs und Atheisten, berichtet der Standard weiter. Viele von ihnen würden homophobe oder sexistische Einstellungen äußern, so der Lehrer. Ein Schüler sagte einmal, er würde einen schwulen Sohn verstoßen, woraufhin zwei Drittel der Klasse zustimmten.
„Würden sich Lehrkräfte oder Schüler outen – das wäre Rufmord durch einen selbst“, sagt der Pädagoge. Auch hier zeige sich der religiöse Einfluss: „Basis ist fast immer ein religiöser Text.“ Diese Prägungen kämen nicht nur aus dem Islam, sondern auch aus orthodoxem oder koptischem Christentum.
Im Ethikunterricht für Schüler ohne Religionsunterricht erfuhr er, dass in der Islamstunde etwa darüber sinniert werde, „was denn die schlimmste Sünde ist“. Davon habe ihm eine Schülerin berichtet. Er hält diese religiöse Aufteilung für problematisch, nicht zuletzt wegen der ungleichen Rahmenbedingungen. Sein Appell: „Am besten ab der Volksschule“ solle es einen Ort geben, „an dem Jugendliche gemeinsam überlegen können: In welcher Welt und Gesellschaft wollen wir wertemäßig miteinander leben?“
Kein Ethikunterricht im Koalitionsprogramm
Trotz der alarmierenden Stimmen aus dem Schulalltag wird der Ethikunterricht im aktuellen Regierungsprogramm nicht berücksichtigt. Weder ÖVP noch SPÖ oder NEOS planen eine Ausweitung auf die gesamte Sekundarstufe. Stattdessen soll die Demokratiebildung in der Sekundarstufe 1 lediglich als eigenes Unterrichtsfach verpflichtend verankert werden. Lehrkräfte sehen in dieser Zurückhaltung der Bildungspolitik eine verpasste Chance.