Nius-Chef Reichelt warnt vor weiterer Verwendung des Begriffs „Remigration“
Nius-Chef Julian Reichelt sieht in Begriffen wie „Remigration” zwar eine inhaltliche Berechtigung, hält sie politisch jedoch für schädlich. Seiner Meinung nach sollte eine Partei auf solche Begriffe verzichten.
Julian Reichelt sieht im Begriff „Remigration“ einen „medial toxisch“ gemachten Begriff.
© IMAGO / dts NachrichtenagenturBerlin. – In den vergangenen Tagen ist der Begriff „Remigration” in Deutschland erneut in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gerückt. Nun hat sich auch Nius-Chef Julian Reichelt zu Wort gemeldet und vor der weiteren Verwendung des Begriffs gewarnt. Er beschreibt ihn als politisch wirkungslos und abschreckend für breite Wählergruppen.
Streichung aus Papier als Auslöser
Ausgangspunkt für die aktuelle Debatte war eine kürzlich stattgefundene Parteiklausur der AfD. Dabei war bekannt geworden, dass der Begriff „Remigration” im Zusammenhang mit dem Thema Wohnpolitik aus einem Papier gestrichen worden war. Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla waren laut Nius der Ansicht, dass es nicht nötig sei, den Begriff in diesem Zusammenhang zu verwenden. Zudem wollte man nicht zusätzlich in den Fokus der aktuellen Remigrationsdebatte zwischen dem AfD-Politiker Maximilian Krah und dem österreichischen Autor und Aktivisten Martin Sellner geraten. Eine bewusste Trennung vom Remigrationsbegriff gebe es aber nicht, er dürfe weiterhin verwendet werden.
In einer Nius-Sendung äußerte sich Reichelt nun aber auch ganz klar dazu: Dieser Begriff sei „politisch verloren“ und „nicht anschlussfähig“. Der Begriff würde zudem große Wählergruppen abschrecken, weil er „medial toxisch“ gemacht worden sei: „Das kann man beklagen, das kann man bedauern“, so Reichelt. Man könne es aus AfD-Sicht aber durchaus auch selbstkritisch betrachten. „Mit diesem Begriff gibt es rein gar nichts mehr zu gewinnen“, ist Reichelt überzeugt.
Begriffe politisch nutzlos
Reichelt betont, dass manche Begriffe zwar sachlich zutreffend seien, politisch aber hinderlich: „Es gibt politisch Begriffe, die durchaus ihre Berechtigung haben, die in der Sache das, was sie beschreiben, durchaus zutreffen mögen“. Dabei nennt er den Begriff „Bevölkerungsaustausch“ als Beispiel. „Natürlich verändert sich das deutsche Staatsvolk durch politischen Willen, indem man sagt: ‚Wir wollen aber Islamisten, die illegal eingereist sind, den deutschen Pass geben.‘ Natürlich gibt es das.“
Trotzdem müsse eine Partei auf Koalitions- und Anschlussfähigkeit achten und nicht „pedantisch und stur“ auf Begriffen bestehen. Die Entscheidung der Parteichefs, sich von solchen Begriffen zu trennen, hält Reichelt daher für richtig. Der Nius-Chef rechnet zudem damit, dass der Begriff „Remigration“ künftig aus der offiziellen Kommunikation verschwinden wird: „Dieses Wort Remigration wird in den folgenden Wahlkämpfen der AfD keine Rolle mehr spielen.“
Harms widerspricht: Begriff bleibt präsent
Der stellvertretende Nius-Chefredakteur, Björn Harms, sieht die Entwicklung kritischer. Er glaubt nicht daran, dass sich die Partei vollständig von dem Begriff lösen kann: „Man wird das Wort aus der Partei nicht mehr hinausbekommen.“ Zudem hinterfragt er den strategischen Nutzen der Annäherung an andere Parteien: „Warum sollte die AfD sich einer Partei angleichen, die permanent linke Politik durchzieht?“
Kritik an Reichelts Sicht und an jener der Nius-Redakteure gibt es unterdessen von FREILICH-Autor Bruno Wolters. Diese würden letztlich nur wollen, „dass die AfD der Lückenbüßer der Union sein soll“. Sie sollen „die Schandtaten der Schwarzen ausbügeln – allerdings nicht zum Wohle Deutschlands, sondern zum Wohle der Union“. Völlig zu Recht weise Harms darauf hin, dass die AfD aus einer Position der Stärke argumentieren müsse „und diejenigen, die sich mäßigen müssten, bei der Union und nicht bei der AfD sitzen“. Reichelt wolle die AfD nur als Mittel zum Zweck nutzen, „damit die CDU/CSU wieder eine Politik wie vor 30 Jahren macht“. Dafür solle die AfD hinhalten. „Aber nicht für einen rechten Politikwechsel – den will Reichelt verhindern –, weil er ganz klar auf eine schwarz-blaue Koalition mit einem CDU-Kanzler abzielt“, so Wolters. „Denn wenn die Union untergeht, hängt auch das transatlantische Projekt, an dessen Loyalität Reichelt wirklich hängt, in der Luft.“