Machtwechsel im EU-Parlament: Wichtige Migrationsberichte künftig in rechter Hand
Im Innenausschuss des EU-Parlaments kam es zu einer Machtverschiebung: Die Zuständigkeiten in zentralen Migrationsfragen gingen von den Grünen und den Liberalen an die konservative EVP und die EKR über.
Der spanische Abgeordnete Javier Zarzalejos (PP/EVP) ist seit Juli 2024 Vorsitzender des LIBE-Ausschusses.
© IMAGO / SOPA ImagesStraßburg. – Kürzlich kam es im Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments zu einem machtpolitischen Umbruch: Eine Koalition aus den Fraktionen EVP, EKR, PfE und ESN setzte eine Neuverteilung der Zuständigkeiten für zwei für die Migrationspolitik zentrale Berichte durch. Betroffen ist unter anderem ein Bericht zur EU-Verordnung, welcher die Anwendung des Konzepts „sicherer Drittstaat” regelt. Bislang lagen diese Berichte in der Verantwortung von Abgeordneten der Grünen und der liberalen Renew-Fraktion. Künftig sind dafür Vertreter von EVP und EKR zuständig.
Rechte Koalition setzt sich durch
Die Vertreter der linken und liberalen Parteien wollten diese Entscheidung nicht akzeptieren. Vertreter der Grünen, der Linken, der Liberalen (Renew) und der Sozialdemokraten (S&D) brachten den Vorgang erneut zur Abstimmung im Ausschuss – offenbar in der Hoffnung, Abweichler innerhalb der EVP zu mobilisieren. Doch vergeblich: Die rechte Mehrheit bestätigte die Neuverteilung.
Der AfD-Abgeordnete Alexander Sell, stellvertretendes Mitglied im LIBE-Ausschuss, begrüßte den Vorgang ausdrücklich: „Wir müssen Europas Grenzen sichern und abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben. Mit den Stimmen der AfD sind wir diesem Ziel heute einen Schritt nähergekommen.“ Sell sieht darin ein Signal, das über das EU-Parlament hinauswirkt. Die gute Zusammenarbeit der AfD im EU-Parlament mit den Kollegen der EVP zeige: „Eine tatsächliche Migrationswende ist nur mit den Stimmen der AfD möglich. Das gilt im EU-Parlament. Das gilt aber auch im Bundestag.“
Grüne reagieren wütend auf Kontrollverlust
Die Entscheidung löste bei den Grünen laut Sell „wütende Gefühlsausbrüche“ aus. Der Verlust der Federführung in zentralen migrationspolitischen Fragen gilt als schwerer Rückschlag für die linken und liberalen Kräfte im Parlament.
Sell ordnet die Vorgänge politisch ein: „Seit Jahren verhindern SPD, Grüne und Linke die Einstufung von Ländern wie Marokko, Tunesien oder Ägypten als sichere Drittstaaten. Die Abschiebung abgelehnter Migranten in eigentlich beliebte Urlaubsländer ist deshalb rechtlich nicht möglich.“ Mit der neuen Mehrheit könnten solche politischen Blockaden nun wegfallen.
Reform des Konzepts des sicheren Drittstaats
Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Reformvorschlag der EU-Kommission. Dieser soll es den Mitgliedstaaten erleichtern, das Konzept der sicheren Drittstaaten anzuwenden. Bisher musste zwischen dem Antragsteller und dem Drittstaat eine persönliche Verbindung bestehen, beispielsweise in Form von familiären Bindungen oder früheren Aufenthalten. Künftig soll bereits ein Transit durch das Land oder ein Abkommen mit dem Drittstaat ausreichen, um einen Asylantrag als unzulässig zu erklären.
EU-Kommissar Magnus Brunner sagte dazu: „Menschen in Not Schutz zu gewähren, ist eine globale Verantwortung – und die EU trägt ihren Teil dazu bei.“ Ziel der Reform ist es, Asylverfahren zu beschleunigen und den Druck auf die Systeme der Mitgliedstaaten zu verringern, wobei die Grundrechte gewahrt werden sollen. „Das überarbeitete Konzept des sicheren Drittstaates ist ein weiteres Instrument, das den Mitgliedstaaten helfen soll, Asylanträge effizienter zu bearbeiten und dabei die Werte und Grundrechte der EU uneingeschränkt zu wahren“, so Brunner.
Weitere Änderungen betreffen das Asylverfahren selbst. So soll die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen Unzulässigkeitsentscheidungen, wenn ein Drittstaat als sicher gilt, künftig entfallen. Außerdem sollen Mitgliedstaaten Abkommen mit Drittstaaten vorab der EU-Kommission melden, damit diese deren Übereinstimmung mit EU-Recht prüfen kann.
Gemäß EU-Recht gelten Drittstaaten dann als sicher, wenn dort kein Risiko für das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung besteht und ein wirksamer Schutz gewährleistet ist.