EU-Urteil zu „Pfizergate“: Rücktrittsforderungen gegen von der Leyen
Im Streit um nicht zugängliche SMS zwischen Ursula von der Leyen und dem Pfizer-Chef hat das EU-Gericht die Kommissionspräsidentin deutlich gerügt. Die FPÖ sieht darin eine Bestätigung ihres Vorwurfs geheimer Absprachen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht sich derzeit erneut starker Kritik wegen des Deals mit Pfizer ausgesetzt.
© IMAGO / ZUMA Press WireBrüssel. – Das Europäische Gericht erklärte den Beschluss der Kommission, angeforderte Textnachrichten nicht offenzulegen, für nichtig. Die Begründung: Die Kommission habe keine plausible Erklärung gegeben, warum sie nicht über die Dokumente verfüge. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und kann von beiden Seiten vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden.
Die EU-Kommission hatte erklärt, die SMS zwischen Ursula von der Leyen und dem Pfizer-Chef Albert Bourla seien nicht archiviert worden und daher nicht auffindbar. Das Gericht hielt diese Darstellung jedoch für nicht stichhaltig. Die Antworten der Kommission im Verfahren hätten entweder auf Hypothesen beruht oder seien ungenau und widersprüchlich gewesen. Zudem sei unklar, ob die Nachrichten gelöscht wurden, ob dies absichtlich oder automatisch geschah und ob das betreffende Mobiltelefon noch existiert.
SMS in Milliarden-Deal mit Pfizer?
Im Zentrum der Affäre steht ein im Frühjahr 2021 abgeschlossener Impfstoffdeal über bis zu 1,8 Milliarden Dosen im Wert von rund 35 Milliarden Euro. Laut einem Bericht der New York Times soll der direkte Austausch zwischen von der Leyen und Bourla dabei eine zentrale Rolle gespielt haben – auch per SMS.
Daraufhin beantragte die Zeitung Zugang zu sämtlichen Textnachrichten zwischen den beiden vom 1. Januar 2021 bis zum 11. Mai 2022, doch die Kommission lehnte mit der Begründung ab, es existierten keine entsprechenden Dokumente. Das EU-Gericht widersprach dieser Begründung nun. Die Klägerin habe relevante Anhaltspunkte dafür geliefert, dass ein regelmäßiger Austausch stattgefunden habe. Damit sei die Annahme der Nichtexistenz der Dokumente entkräftet worden.
FPÖ fordert Rücktritt von der Leyens
Aus Österreich kommt scharfe Kritik. Der FPÖ-EU-Abgeordnete Gerald Hauser spricht von einem „Tiefpunkt für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Kommission“. Das Gericht habe bestätigt, „was viele Menschen schon längst vermutet haben: Ursula von der Leyen hat beim Impfstoffdeal mit Pfizer im Hinterzimmer agiert und dabei geltendes EU-Recht gebrochen“, so Hauser.
Er fordert Konsequenzen: „Wer Transparenz predigt, sie aber im eigenen Haus mit Füßen tritt, ist als Kommissionspräsidentin untragbar – von der Leyen muss zurücktreten.“ Das Urteil zeige, dass die Kommission ihre eigenen Transparenzregeln nicht ernst nehme. Von der Leyen stehe „für eine intransparente, bürgerferne Machtpolitik, bei der das Vertrauen der Menschen auf der Strecke bleibt“, so Hauser. Er fordert eine vollständige Aufklärung des Impfstoffdeals, die Offenlegung aller Kontakte mit Pharmakonzernen und den sofortigen Rücktritt von Ursula von der Leyen.
Weitere Stimmen: „Warnschuss“ und „Wendepunkt“
Auch aus anderen politischen Lagern kam Kritik. So erklärte der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder: „Das Urteil ist ein Warnschuss. Wir haben von der Leyen unser Vertrauen ausgesprochen, jetzt ist es an ihr zu beweisen, dass sie sich dieses Vertrauen auch verdient hat.“
Schon vor dem Urteil sprach die NGO Transparency International von einem möglichen „Wendepunkt für Transparenz in der EU“. Gegenüber Politico sagte deren Vertreterin Shari Hinds, sie hoffe auf ein verändertes Bewusstsein und Handeln innerhalb der Kommission.
Kommission prüft Urteil
Die Behörde von von der Leyen kündigte an, das Urteil genau zu prüfen. Eine neue Entscheidung mit „ausführlicheren Erläuterungen” sei geplant. Die Sprecherin der New York Times sprach von einem „Sieg für Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Europäischen Union“ und betonte, dass flüchtige Kommunikation nicht außerhalb der öffentlichen Kontrolle liege.
Beobachter sehen das Urteil nicht nur als rechtliches, sondern auch als politisches Problem für die Kommissionspräsidentin. Innerhalb des EU-Parlaments steht sie bereits seit Längerem in der Kritik, etwa wegen ihrer Kehrtwende beim Green Deal oder wegen Versuchen, Kompetenzen innerhalb der Kommission zu zentralisieren.