AfD-Gutachten: Verweis auf Nürnberger Kodex verfassungsfeindlich?
Das Gutachten des BfV, mit dem die gesamte AfD als „gesichert rechtsextremistische“ Bestrebung eingestuft wurde, sorgt seit Wochen für Aufregung. In den Sozialen Medien entzündete sich insbesondere wegen der Kategorisierung eines konkreten „Belegs” erneut eine Diskussion.
In dem Gutachten zur AfD lieferte der Verfassungsschutz zahlreiche „Belege“, die von Beobachtern massenhaft kritisiert wurden. (Symbolbild)
© IMAGO / Hanno BodeBerlin. – Die Einstufung der gesamten AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Anfang Mai schlug hohe Wellen und sorgte für viel Kritik. Die Partei reichte Klage ein und kurz darauf gab das BfV eine Stillhaltezusage ab. Damit setzte das Amt die Einstufung vorerst aus. Dennoch wird – vor allem in den Sozialen Medien – ausgiebig über das Gutachten, die Berichterstattung darüber und das gesamte Vorgehen diskutiert.
Erst kürzlich entzündete sich wegen eines Spiegel-Artikels wieder eine Diskussion darüber. In einem Beitrag vom 26. Mai hat dieser die angeblichen Belege des Verfassungsschutzes für die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ aufbereitet und nach Kategorien klassifiziert, die das BfV den einzelnen Äußerungen bereits im Gutachten zugeschrieben hatte. Dabei geht es um Verstöße gegen die Menschenwürde, das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip sowie Positionen zum Nationalsozialismus und Sonstiges.
Kritik an Coronaimpfung und Verweis auf Kodex
Auf X nahm eine Nutzerin besonders Anstoß an einer Äußerung aus dem Gutachten auf Seite 675, die der Kategorie „Nationalsozialismus“ zugeordnet wurde. Konkret heißt es in der Äußerung: „Nochmal zur Erinnerung!! Der Nürnberger Kodex wurde eingeführt, damit Menschen nie wieder zu medizinischen Behandlungen GEZWUNGEN oder GENÖTIGT werden.“ Laut dem Gutachten deutet der Verfasser der Äußerung damit eine „Gleichsetzung der COVID-19-Schutzimpfung mit eben jenen Verbrechen an der Menschlichkeit“ an, auf die der Kodex damals eine Reaktion war – nämlich auf die von Nationalsozialisten an Menschen durchgeführten Experimente, Zwangssterilisierungen und Ermordungen.
Die Einordnung zur „Kategorie“ Nationalsozialismus ist für die Nutzerin allerdings ein Grund zum Fremdschämen. Sie ist der Meinung, dass diese „offensichtlich“ nur deshalb erfolgt ist, „weil Nürnberg darin vorkommt“. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass der Nürnberger Kodex ein medizinethischer Grundsatz aus dem Jahr 1947 ist.
Liebes BfV, lieber @derspiegel, Sie ordnen untenstehendes Zitat im AfD-Gutachten unter der Rubrik "Nationalsozialistisch" ein. Offensichtlich, weil Nürnberg darin vorkommt. Der Nürnberger Kodex ist ein medizinethischer Grundsatz von 1947. voller Fremdscham Ihre Leah
Journalist verteidigt Einordnung
In den Kommentaren schließen sich zahlreiche Nutzer dieser Kritik an. „'Kunze, Sie kennen sich doch mit Computern aus. Durchsuchen Sie diese AfD-Texte nach Nazi-Sachen! Sie haben eine halbe Stunde Zeit.' 'Strg-F Nürnberg'“, schreibt ein Nutzer dazu. Andere sprechen von einem „unfassbar peinlichen“ Gutachten. Der Journalist Lars Wieland verteidigt die Kategorisierung hingegen: „Kodex ist doch explizit Reaktion auf die Mengeles vor 45. Da haben Sie den Bezug. Anzudeuten, Coronamaßnahmen könnten Wiederholung von dem sein, was Kodex ausschließen soll, kann man durchaus als NS-verharmlosend sehen“, erklärt er. „Strafrechtlich dürfte es aber nicht relevant sein“, fügt er hinzu. „Dann wären aber auch alle Nazi-Vergleiche nicht nur eine Verharmlosung des NS, sondern selbst bereits NS. Ergo: wer AfDler als Nazis beschimpf, wird dadurch selbst zum Nationalsozialisten?“, fragt ein Nutzer Wieland. Eine Antwort darauf lieferte der Journalist allerdings nicht.
Dann wären aber auch alle Nazi-Vergleiche nicht nur eine Verharmlosung des NS, sondern selbst bereits NS. Ergo: wer AfDler als Nazis beschimpf, wird dadurch selbst zum Nationalsozialisten?