Ein Bund am Abgrund: Der Deutsche Krieg und der Frieden zu Prag (1866)
Was als Streit um zwei Herzogtümer begann, endete mit dem Zerfall eines ganzen Bundes. Die Schlacht von Königgrätz war nicht nur ein militärischer Sieg, sondern das endgültige Aus für den Deutschen Bund und eine Zeitenwende für Mitteleuropa.
Die Schlacht bei Königgrätz im Deutschen Krieg am 3. Juli 1866.
© IMAGO / imagebrokerNoch wenige Wochen zuvor standen sich Preußen und Österreich in offener Feindschaft gegenüber. Heere marschierten durch Böhmen und die Schlacht von Königgrätz entschied über Sieg und Niederlage. Was als Streit um Schleswig und Holstein begonnen hatte, war in Windeseile zu einem Machtkampf um die Vorherrschaft im Deutschen Bund eskaliert – einem Bund, der nun am Abgrund stand. Preußens Ministerpräsident Otto von Bismarck hatte geschickt seine Karten ausgespielt: Frankreich hielt sich abwartend, Italien kämpfte an seiner Seite und Österreich war isoliert.
In nur sieben Wochen brach das alte Gleichgewicht in Mitteleuropa zusammen. Jetzt, im Sommer 1866, saß man in Prag am Verhandlungstisch. Auf dem Spiel stand nicht weniger als die politische Zukunft Deutschlands. Würde Preußen seine Macht ausweiten und Österreich endgültig an den Rand drängen? Oder würde es Wien gelingen, wenigstens Teile seines Einflusses zu retten? Wie in einem Drama, das mit einem rasanten Höhepunkt endet, beginnt nun der entscheidende Epilog: die Friedensverhandlungen, deren Ausgang das Fundament für ein neues Deutschland legen sollten.
„Festhalten, was sich bietet“
Für Kronprinz Friedrich Wilhelm III. war die Situation sonderbar: Der schnelle Sieg über den lästigen Rivalen in Wien war kaum begreiflich, und doch musste man ihn schonen, wie fast alle Kriegsparteien, um nicht das Ausland gegen sich aufzubringen. Doch selbst im engsten Kreis musste er einen unerwarteten Verbündeten gewinnen, um die ihm so wichtige Rolle Preußens bei der Einigung Deutschlands nicht zu gefährden. So schrieb er im Juli 1866:
„Der König will eventualiter Österreich-Schlesien als Äquivalent; ich dagegen finde unsere Machtstellung in Deutschland inklusive Annexionen genügen […] Über diese Frage gab es heftige Stunden, wobei fabelhafterweise ich Bismarck gegen des Königs Forderungen nach territorialen Abtretungen von Seiten Österreichs unterstützte. […] Seltsamer Gegensatz! Ich muss oft auf Bismarcks Seite treten, um dem wirklich Zeitgemäßen seiner Ansichten seiner Majestät gegenüber Gewicht zu verschaffen.“
Nach den schwierigen Vorverhandlungen in Nikolsburg stellte der Prager Friedensvertrag vom 23. August kaum mehr als eine Formalität dar. Österreich zog sich nahezu vollständig aus den Angelegenheiten Deutschlands zurück, gab seinen Teil Schleswig-Holsteins ab und musste einen Großteil der preußischen Kriegskosten tragen. Im Gegenzug blieben die Territorien des Habsburgerreichs unangetastet – ein Punkt, der auch bei den preußischen Militärs für erhebliche Empörung sorgte. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst und die zukünftige Gestaltung Deutschlands dem Königreich Preußen allein zugesprochen.
Im Maschinenraum der internationalen Politik
Auf den ersten Blick schien es also, als seien 1866 an die Stelle des alten Bundes drei unterschiedliche politische Blöcke getreten: Im Norden der noch im gleichen Jahr gegründete Norddeutsche Bund, der die Macht Preußens auf seine nun vollends unterworfenen Nachbarn verlängerte. Im Südosten der österreichische Kaiserstaat, der mit dem Ausgleich 1867 zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurde und fortan ganz eigene Aufgabenfelder haben sollte. Und letztlich im Südwesten die vier souveränen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt, die in den Interessengebieten Preußens, Österreichs und Frankreichs lagen.
Mit diesen Staaten konnte Bismarck noch im selben Monat der Friedensverträge von Prag separate Militärbündnisse schließen, die im Defensivfall die Macht der Einzelstaaten dem König von Preußen unterstellen würden. Diese sogenannten „Schutz- und Trutzbündnisse” sollten schließlich im Krieg von 1870/71 die Grundlage für die Einigung ganz Deutschlands bilden. Nachdem der Norddeutsche Bund im Deutsch-Französischen Krieg gesiegt hatte, traten die süddeutschen Staaten ihm bei. Damit war die Reichseinigung vollzogen und am 18. Januar 1871 wurde im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Reich ausgerufen – eine Entwicklung, die ganz im Sinne Bismarcks die preußische Vorherrschaft festigte und Deutschland als neue Großmacht in Europa etablierte.