Denkmäler im Fadenkreuz – Wie man eine Kultur „desinfiziert“

Nicht nur Menschen fallen der „Cancel Culture“ zum Opfer, sondern auch Filme, literarische Werke und besonders seit den Black-Lives-Matter-Protesten auch historische Denkmäler werden zur Zielscheibe linker Kulturrevolutionäre.

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Denkmäler im Fadenkreuz – Wie man eine Kultur „desinfiziert“
Das Otto-von-Bismarck-Denkmal in Hamburg© IMAGO / imagebroker

Die „Cancel Culture“, also die gezielte Verdrängung von Elementen der Mehrheitsgesellschaft, ist für viele Menschen vor allem ein Prozess, der in der Gegenwart stattfindet. Künstler werden nach bestimmten Äußerungen nicht mehr zu Auftritten eingeladen, Experten werden nicht mehr zu einem alternativen Sach- oder Werturteil befragt, überhaupt wird alles nach einem vorgegebenen Raster politischer Grundaussagen vorverurteilt. Längst wird dieses Mittel des kulturpolitischen Meinungskampfes auch auf die Vergangenheit angewandt, wobei nicht nur Filmreihen wie „Winnetou“, sondern zunehmend auch Denkmäler ins Visier der Bilderstürmer geraten. Nicht nur Gegenwart und Zukunft, auch die Vergangenheit soll im Sinne einer desinfizierten Kultur umgeschrieben werden.

Während im angelsächsischen Raum der Abbau unliebsamer Denkmäler längst begonnen hat, steht man in der Bundesrepublik und in Österreich noch am Scheideweg. Derzeit stehen drei Denkmäler besonders im Blickpunkt, denen im schlimmsten Fall die völlige Verdrängung droht und die kaum durch die Bemühungen einer breiten Öffentlichkeit geschützt werden: Zum einen das Dr.-Karl-Lueger-Denkmal auf dem gleichnamigen Platz in der Wiener Innenstadt, zum anderen das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark in der Hansestadt Hamburg und der sogenannte „Urbursche“ in der thüringischen Universitätsstadt Jena. Alle drei Denkmäler waren in der Vergangenheit Ziel schwerer Angriffe und sehen sich einer „Debatte“ ausgesetzt, die unter dem Deckmantel einer kritischen Geschichtskultur die Beseitigung der Denkmäler verfolgt.

Dr.-Karl-Lueger-Denkmal in Wien / IMAGO / CHROMORANGE

Der Eiserne Kanzler an der Elbe

Fast gottgleich thront er über dem Alten Elbpark und ist auch von der Elbe aus gut zu sehen. Der „Eiserne Roland“, wie der Kanzler von vielen Hansestädtern genannt wird, ist eines der Sorgenkinder der Stadt. Derzeit wird das 34 Meter hohe Denkmal des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898) von der Stadt aufwendig saniert, doch schon droht dem alten Junker der nächste Hieb. In der Vergangenheit wurde das Denkmal immer wieder mit Graffiti und Farbanschlägen verunstaltet, nun könnte es ihm an den Kragen gehen. Mit einem „Ideenwettbewerb“ wolle man einen Weg finden, das Denkmal zu „kontextualisieren“, so Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Deutlich weniger blumige Worte fand der Historiker Jürgen Zimmerer. Er forderte sogar, das größte Bismarck-Denkmal Deutschlands verfallen zu lassen. Den verbalen Vogel schoss aber zweifellos der Pastor und ehemalige Studienleiter für Erinnerungskultur an der Evangelischen Akademie in Hamburg, Ulrich Hentschel, ab. Er würde der über 100 Jahre alten Bismarck-Statue den Kopf abschlagen, um eine „Irritation“ auszulösen.

Wenig überraschend sprangen auch andere linke oder opportunistische Meinungsmacher auf den Debattenzug um den Eisernen Kanzler auf. So leitete die taz im August 2021 einen Artikel mit den Worten ein: „Demokratiefeindlichkeit, Militarisierung, Kolonialpolitik. Wie Damoklesschwerter schweben diese drei Unzeitgemäßen über dem ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck“. Soll eine historische Persönlichkeit zeitgemäß sein? Die Fassade einer „kontextualisierten Geschichtskultur“, wie sie etwa an den Universitäten vermittelt wird, bröckelt – zum Vorschein kommt die hässliche Fratze der Selbstverachtung.

Droht vom Bismarck eine Gefahr, drohen sich Hamburger Jugendliche riesige Bärte wachsen zu lassen und mit Pickelhauben und „Preußens Gloria“ durch St. Pauli und Altona zu ziehen? Natürlich nicht, der linken Zivilgesellschaft geht es darum, die eigene Geschichte zu bereinigen, Dinge zu beseitigen, die erst durch das eigene Engagement zum Problem geworden sind. Wer kein geschichtsvergessener Zeitgenosse ist, stört sich auch nicht am historischen Gedenken an Otto von Bismarck, ohne den es sicher auch Kolonien gegeben hätte – sicher auch Konflikte und Kriege, aber die hätten die Deutschen als russische, italienische oder französische Provinzen erlebt, aber garantiert nicht als souveräner Staat mit eigener Politik.

Der schwere Stand des „Urburschen“ in Jena

„In Jene lebt sich's bene und in Jene lebt sich's gut“ – so lautet ein altes Studentenlied, das sich bis heute in Korporationskreisen großer Beliebtheit erfreut. Doch die Jenaer Burschenschaften selbst hatten es schwer in der Stadt, in der 1815 die Urburschenschaft gegründet wurde. Farbanschläge auf Häuser, die Veröffentlichung privater und sensibler Informationen bekannter Korporierter, tätliche Angriffe und sogar Brandanschläge auf Autos – die „Bürgergesellschaft“ arbeitet an Mensch und Material. Auch das 1883 errichtete und seit 1951 vor dem Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität stehende Burschenschafterdenkmal zählt zu den Opfern der selbsternannten Guten.


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Während des jährlich in Eisenach stattfindenden Burschentages 2011 wurde das Denkmal großflächig mit grüner Dispersionsfarbe besprüht. Diese Spezialfarbe ist tief in den Stein eingedrungen und konnte auch mit hohem finanziellen Aufwand nicht vollständig entfernt werden. Seitdem ist der Bursche verhüllt und nun soll der Stadtrat über seine Zukunft entscheiden. Angestoßen wurde die Debatte von der CDU-Fraktion, in deren Reihen sich auch Korporierte befinden. Eine endgültige Entscheidung soll zum 140-jährigen Jubiläum im Jahr 2023 fallen – Enthüllung, Glasvitrine oder Replik?

Die Diskussion um den Schutz des Denkmals vor erneuten Angriffen verstellt jedoch den Blick auf die eigentliche Frage: Warum ist dieser Aufwand überhaupt nötig? Die Wahlergebnisse in Jena legen eine Vermutung nahe, aber auch das Klima in der Stadt selbst spricht Bände. Katharina König-Preuß, Landtagsabgeordnete der Linken in Thüringen, geht über ihren Vater Lothar König bereits in der zweiten Generation seit Jahrzehnten gegen das Verbindungswesen in Jena vor. Lothar König hatte in der Wendezeit als Pfarrer die sogenannte „Junge Gemeinde“ in Jena gegründet, die als Sammelbecken für Punks und Linksextremisten gilt. Dass Jena ein deutliches Problem mit Akteuren aus dem linken und linksextremen Spektrum hat, zeigen nicht nur solche Verbindungen oder vergangene Übergriffe.

Ein Otto-von-Bismarck-Denkmal in Hamburg / IMAGO / Joerg Boethling

Unter den sieben festgenommenen Tatverdächtigen der vermutlich linksextremen Übergriffe in Ungarn waren mehrere Personen aus Jena. Sie hatten zum Teil wahllos Passanten wegen „auffälliger Kleidung“ angegriffen und zum Teil lebensgefährlich verletzt. Statt also einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung linker Gewalttaten einzurichten oder die Verbindungsstudenten vor Ort vor Übergriffen zu schützen, beschränkt sich die Stadt darauf, die Folgen linker Kulturhoheit an Schulen und Universitäten zu vertuschen.

„Nun sag', wie hast du's mit dem Denkmal?“

Die Beispiele Hamburg und Jena sind nicht die gravierendsten Zeugnisse linker Kulturzerstörung im deutschsprachigen Raum. Jedes Jahr werden Soldatenfriedhöfe, Denkmäler und Gedenkstätten gestört, verwüstet oder zerstört. Es sind Angriffe auf Zeugnisse der Vergangenheit, auf Orte, an denen die Menschen von heute ihre Verbindung zur eigenen Geschichte und Kultur sehen und spüren können. Der Kampf „von links“ gegen einen positiven Bezug zur deutschen Geschichte ist ein alter Hut und überrascht heute niemanden mehr. Bestürzend hingegen ist das dröhnende Schweigen ausgerechnet jener Schichten, die sich sonst rühmen, „aus der Geschichte gelernt“ zu haben, oder die sich ihrer Haltung zu Bildung, Kultur etc. rühmen.

Man könnte fast von einer „Don't care Culture“, einer „Kümmere Dich nicht“-Kultur sprechen. Ideologische Bilderstürmer hat es immer gegeben und wird es immer geben, aber selten wurde deutsches Kulturgut so gleichgültig preisgegeben wie heute. Diesen Vorwurf muss sich auch das „eigene Lager“ gefallen lassen: Kenne ich die Denkmäler in meiner Region überhaupt? Gibt es Organisationen, die sie pflegen, oder kann ich selbst etwas tun? Es gibt nur wenige Orte, an denen Geschichte, Kultur und Brauchtum so nah beieinander liegen wie an historischen Denkmälern. Wer diese Chance nicht nutzt und für künftige Generationen bewahrt, hat den geistigen Kampf um Deutschland längst verloren.