China und der Taiwan-Konflikt

Eine Bestandsaufnahme (6)

In seinem sechsteiligen Beitrag für FREILICH geht Fabian Küble ausführlich auf den Taiwan-Konflikt, allgemein die Situation Chinas sowie die Positionierung des Westens, Europas und vor allem Deutschlands ein. Im sechsten und letzten Teil seiner Reihe thematisiert er die deutsche Position und erklärt, wieso sich Deutschland nicht in den Konflikt einmischen sollte.

/
/
7 Minuten Lesezeit

Dieser Text ist Teil einer sechsteiligen Artikelserie: Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5 finden Sie hier.


Früher oder später wird China auf Provokationen, welche die nationale Einheit – zu welcher China nun einmal seit jeher auch Taiwan zählt – infrage stellen, reagieren müssen. Auch wird eine Nation und Großmacht wie China auf Dauer keine konkurrierende und gar feindlich gestimmte, raumfremde Macht wie die USA im eigenen, direkten Umfeld dulden können. Nur bei unfreundlichen Worten wird es jedenfalls nicht mehr lange bleiben, wenn die USA so weitermachen. Die USA und der Westen werden lernen müssen, dass sie nicht mehr uneingeschränkt, überall auf der Welt ihren Willen und ihre „Werte“ durchsetzen können. In einer multipolaren Welt, in deren Entstehungsphase wir uns aktuell befinden, wird das Prinzip der Nichteinmischung und des Interventionsverbots raumfremder Mächte zur elementaren Grundlage des Weltfriedens. Die USA haben in Asien so wenig zu suchen wie in Europa, oder dem Nahen Osten, so wie China umgekehrt kein Recht hat, sich in Amerika oder Europa einzumischen. Fremde Kontinente, Regionen und Kulturen müssen ein Tabu werden. Ansonsten droht ewiger Konflikt. Ansonsten droht früher oder später tatsächlich der dritte Weltkrieg.

Neutralität und Nichteinmischung

Für Deutschland kann es hierbei eigentlich nur die Position der Neutralität geben. Die oben bereits allgemein für den Westen formulierte Position gilt gleichfalls und in besonderem Maße auch für Deutschland. Taiwan geht uns nichts an. Wir schulden den 23 Millionen Taiwanesen nichts. China ist für Deutschland hundertmal wichtiger als Taiwan. Einen Konflikt mit China können wir uns nicht leisten, vielmehr würde er uns völlig ruinieren. Wir selbst haben an diesem Konflikt keinen Anteil und haben letztlich auch nicht die Macht, Mittel und Möglichkeiten echten Einfluss auszuüben. Es spricht letztlich alles dafür, sich rauszuhalten. Uns kann es genau genommen auch egal sein, ob Taiwan nun unabhängig bleibt oder aber zurück in den Schoß des chinesischen Mutterlands kommt. Dass Taiwan mittlerweile eine Demokratie ist, ist kein hinreichender Grund und keine Rechtfertigung, dass wir diese aktiv gegen China unterstützen. Solche ideologiegetriebenen Systemkriege haben uns im letzten Jahrhundert mehrmals an den Rand des Abgrundes gebracht. Dies erneut einseitig vom Zaun zu brechen ist töricht und durch nichts zu rechtfertigen. Dadurch gewinnen wir absolut nichts, können aber alles verlieren. Schon bereits im ersten Schritt einer möglichen Eskalation, würden wir einen großen Teil des uns noch verbliebenen Wohlstandes verlieren. Denn genau diesen wird es uns kosten, wenn wir mit China in einen Wirtschaftskrieg eintreten.

Interessen statt Werte

Das heißt selbstverständlich nicht, dass wir alles klaglos hinnehmen müssen. Wir müssen jedoch klug und wohlüberlegt agieren. Unsere Kräfte und Möglichkeiten sind begrenzt, wir sind nicht mehr die alles beherrschenden Supermächte, die wir noch im letzten Jahrhundert waren. Wir haben weder die Macht noch die Möglichkeiten, die Welt in unserem Sinne zu ordnen. Die Kolonialzeit ist vorüber. Wenn wir aktiv werden und dafür womöglich sogar eigene (finanzielle) Nachteile in Kauf nehmen, dann muss es dafür einen triftigen Grund geben, der den Einsatz und die Opfer wert sind. Ein solcher Grund kann nur gegeben sein, wenn wir – Deutschland/Europa – selbst durch ein Verhalten Chinas, oder sonst eines Staates, erheblich negativ betroffen wären. Sollte China beispielsweise einmal Seewege blockieren, unseren Handel behindern, oder uns wichtige Ressourcen in böswilliger Absicht vorenthalten, dann sollten wir aktiv werden und tun, was nötig ist. Es geht hierbei ganz gewiss nicht um blindwütigen Pazifismus, oder rückgratlose Unterordnung. Die inneren Vorgänge in China und allgemein in Asien gehen uns jedoch schlicht nichts an. Die Wahrung unserer eigenen Interessen, unseres Wohlstandes und damit indirekt langfristig auch unserer Werte hier bei uns vor Ort im Inneren sind wichtiger als die imperialistische Durchsetzung unserer „Werte“ im Ausland.

Was innerhalb Chinas vorgeht, ob nun im Hinblick auf die Uiguren, Hongkong, den absurden Überwachungsstaat, die zurückliegende brutale Null-Covid-Politik, oder die Demokratie und sogenannte Menschenrechte im Allgemeinen, das betrifft uns nicht und geht uns daher auch absolut nichts an. Nur weil das, was dort vor sich geht, nicht unseren eigenen Vorstellungen, wie es laufen sollte, entspricht, nur weil es unseren eigenen Überzeugungen zuwiderläuft und uns womöglich moralisch empört, ist dies kein rechtfertigender Grund, zu intervenieren und sich anzumaßen, sich dort einmischen zu dürfen. Man stelle sich einmal vor der Iran oder Saudi-Arabien würden in Deutschland/Europa/dem Westen intervenieren, weil das, was wir hier innenpolitisch machen, nicht ihren islamistischen Moralvorstellungen entspricht. Oder China würde uns maßregeln, weil wir nicht nach ihren Vorstellungen eines guten „Kommunismus“ oder Konfuzianismus leben. Die Reaktionen wären zurecht schroff, empört und zurückweisend und wir würden uns jede Einmischung verbitten. Umgekehrt gilt jedoch zweifelsohne das Selbige. 

Die Regionalkonflikte in Asien, aus welchen Gründen auch immer es dazu kommt, gehen uns Deutsche und Europäer nichts an. Egal ob nun China, Indien, Japan, Südkorea, oder sonst wer, mit wem auch immer im Konflikt steht. Wir müssen mit unserem noch verbliebenen Wohlstand sinnvoll haushalten, müssen unsere Kräfte und Möglichkeiten klug und wohldosiert zur Wahrung unserer eigenen Interessen, zum Wohle der Deutschen und Europäer einsetzen. Nicht für abstrakte, konstruierte „Werte“ fernab von Deutschland, nicht für fremde Länder, Staaten, Kontinente und Regionen.


Die globale Vormachtstellung der USA bröckelt und Staaten wie China und Russland fordern die Weltmacht zunehmend heraus. Erleben wir die Entstehung einer „multipolaren“ Welt mit mehreren Weltmächten? In unserer neuen FREILICH-Ausgabe werfen wir einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen und klären, wie sich Europa positionieren sollte.

Jetzt abonnieren

Wenn Sie jetzt abonnieren, erhalten Sie die aktuelle FREILICH-Ausgabe „Es geht rund!“ mit diesen und vielen weiteren Themen schon in Kürze direkt nach Hause! Hier abonnieren: www.freilich-magazin.com/abonnieren


Wirtschaftliche Diversifizierung und Unabhängigkeit

Wir müssen allerdings grundsätzlich wieder eine größere Unabhängigkeit von chinesischen (Vor-)Produkten erlangen. Gerade während der zurückliegenden sogenannten „Pandemie“ haben wir erlebt, wie wichtig es ist systemrelevante Produkte selbst zu produzieren, um im Notfall darüber verfügen und souverän handeln zu können. Deshalb müssen wir strategisch klug einige Produktionsketten nach Deutschland zurückverlagern. Dies mag die entsprechenden Produkte zwar verteuern, auf Grund des geostrategischen Gewinns lohnt sich dies trotzdem. Allerdings kann dies realistisch betrachtet nur in einigen wenigen besonders relevanten Sparten und Produktsegmenten passieren. Der Pharma- und Medizinbereich wäre ein Beispiel hierfür. Es wäre utopisch anzunehmen, wir könnten in großem Umfang die Produktion zurückverlagern. Dafür fehlen uns sowohl die notwendigen Kapazitäten und Arbeitskräfte als auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. All dies dürfte sich in den kommenden Jahren, unter dem Vorzeichen des fortschreitenden demografischen Wandels und der von den Altparteien zu verantwortenden klimapolitischen Deindustrialisierungspolitik noch verstärken.

Wir werden also auch weiterhin auf Vorprodukte aus China angewiesen sein. Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts in China womöglich eines Tages auch auf chinesische Hochtechnologie. Wir sollten daher versuchen, eine größere strategische Unabhängigkeit zu erreichen und unsere Vorproduktion, wenn möglich zu diversifizieren. Dass dies mittelfristig in großem Umfang gelingen kann, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Hier sollten wir uns keinen falschen Illusionen hingeben, wie dies fatalerweise bei der voreiligen Abschottung vom russischen Energie- und Rohstoffmarkt der Fall war, welche uns aktuell bereits teuer zu stehen kommt.

Militärische Zurückhaltung

Dass wir uns aus dem Konflikt militärisch heraushalten müssen, versteht sich hoffentlich von selbst und sollte niemals auch nur zur Debatte stehen. Als Militärmacht sind wir ohnehin nicht ernst zu nehmen. Wer sich in ferne Konflikte in Asien einmischt, kann hierbei auch nicht von Landesverteidigung reden. Die Konsequenzen einer direkten militärischen Konfrontation wären unbeschreiblich. Nicht nur, weil dies zu einer direkten Konfrontation zwischen Nuklearmächten führen würde. Selbst wenn ein solcher Konflikt konventionell und nicht nuklear geführt würde, wären die materiellen und menschlichen Verluste gigantisch. Es muss uns moralisch nicht gefallen und mag unseren postulierten Werten widersprechen, doch müssen wir ein für alle Mal akzeptieren, dass die Zeiten, in denen wir in allen Gebieten und Regionen dieser Welt bestimmen konnten, wie es zu laufen hat, endgültig und unwiederbringlich vorüber sind. Nun leben wir in einer multipolaren Welt mit einer Vielzahl regionaler Großmächte und wir müssen verstehen, dass es niemandem hilft – uns selbst am allerwenigsten – wenn wir uns außerhalb unseres eigenen direkten Umfeldes in die Konflikte und Auseinandersetzungen anderer Kontinente und Großräume einmischen.

Wer den Amtseid des Kanzlers ernst nimmt, in dem es heißt „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, … werde.“, für den sollte klar sein, dass die deutsche Position nur eine Position der Neutralität und Nichteinmischung sein kann. Hören wir endlich damit auf, derartige Fragen immer zu „Werte-Fragen“ zu machen und zu moralisieren. Dies verkompliziert nur alles. Klüger und langfristig gedeihlicher ist es, vernunftbasierte Interessenpolitik zu betreiben. In deutschem Interesse aber ist es, guten Handel mit China und der restlichen Welt zu treiben und darüber hinaus selbst in Frieden gelassen zu werden. Solange andere Staaten nicht unsere eigene Sicherheit oder unseren Wohlstand gefährden, gibt es keine Rechtfertigung, mit diesen in einen kriegerischen Konflikt zu treten. Handlungsleitend muss für deutsche Politiker stets das Wohl des deutschen Volkes sein!


 Zur Person:

Fabian Küble, 29 Jahre, kommt aus Baden-Württemberg und lebt in Sachsen. Er hat Politikwissenschaften studiert und ist stellvertretender Landesvorsitzender der JA Sachsen sowie Mitglied im JA-Bundesvorstand.