China und der Taiwan-Konflikt

Eine Bestandsaufnahme (3)

In seinem sechsteiligen Beitrag für FREILICH geht Fabian Küble ausführlich auf den Taiwan-Konflikt, allgemein die Situation Chinas sowie die Positionierung des Westens, Europas und vor allem Deutschlands ein. Im dritten Teil seiner sechsteiligen Textreihe geht es um das Entwicklungpotential Chinas und um die Stellung des Landes im Währungswettbewerb.

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6 Minuten Lesezeit

Dieser Text ist Teil einer sechsteiligen Artikelserie: Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 finden Sie hier.


China hat noch immer ein gewaltiges Wachstumspotential. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, kann China mindestens noch in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten in erheblichem Maße wachsen und dabei zur mit weitem Abstand größten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Damit kann es alle anderen, konkurrierenden Mächte weit überflügeln – sowohl volkswirtschaftlich als auch militärisch und machtpolitisch, da sich volkswirtschaftliche Macht zwangsläufig auch auf militärische Macht überträgt.

Das chinesische Entwicklungspotential

Bereits in den kommenden fünf Jahren wird erwartet, dass China beim Bruttoinlandsprodukt die USA überholt. Dann wäre China endgültig die weltgrößte Volkswirtschaft und von da an dürfte China den USA immer weiter enteilen. Denn während das Entwicklungspotenzial der USA als bereits vollentwickelte Industrienation stark begrenzt ist, ist jenes von China noch immer gewaltig. So sind etwa das Durchschnittseinkommen und das BIP pro Kopf nach wie vor um ein Vielfaches geringer als in den USA sowie auch im benachbarten Japan oder Südkorea, welche bereits mehrere Jahrzehnte früher eine umfangreiche Öffnung und Modernisierung ihrer Volkswirtschaft durchgeführt hatten.

Auf dem Wachstums- und Entwicklungspfad hat China erst den halben Weg vom Entwicklungs- und Schwellenland zum hochmodernen Industriestaat zurückgelegt. Technologisch befindet sich China gerade im Übergang von einer Volkswirtschaft, die in erster Linie Technik, welche von anderen entwickelt wurde, nur kopiert und produziert, hin zu einer Volkswirtschaft, die selbst innovativ ist, erfindet, weiterentwickelt und verbessert. Dieser Transformationsprozess wird zwar mit Sicherheit noch viele Jahre andauern, doch mit jedem Jahr wird China von „westlicher Technologie“ unabhängiger, entwickelt eigene, konkurrierende Standards und setzt sich selbst an die Spitze des technischen Fortschritts. Schritt für Schritt, Branche für Branche. In einigen Bereichen wie der Elektromobilität, dem autonomen Fahren und der KI ist China bereits ganz vorne mit dabei.

Auch was Bildung und Humankapital angeht, holt China immer weiter auf. Sind zur Jahrtausendwende noch über 90 Prozent der chinesischen Auslandsstudenten nach dem Studium im Ausland geblieben, um dort zu arbeiten, gehen mittlerweile über 80 Prozent wieder zurück nach China, um dort das Land voranzubringen. Auch die eigenen Hochschulen wurden und werden systematisch ausgebaut und mit viel Geld gefördert. Bei den internationalen PISA-Tests hat China die westlichen Konkurrenten schon lange abgehängt.

Bis 2050 wird daher von verschiedenen Analysten prognostiziert, dass sich das chinesische BIP noch einmal mehr als verdreifachen könnte. Die chinesische Staatsführung selbst hat in einem ihrer Pläne das Ziel ausgegeben, bis zum 100-jährigen Staatsjubiläum 2049, volkswirtschaftlich so groß zu sein wie die USA und die EU zusammen. Zeitgleich will man in wesentlichen Zukunftstechnologien wie beispielsweise der KI oder der Biotechnologie führend sein. Wie weit sich China tatsächlich diesem Ziel annähert, bleibt abzuwarten, doch niemand kann bestreiten, dass das Potential noch immer gewaltig ist.

China als Rohstoffmacht

China verfügt bereits heute über eine Monopolstellung bei vielen Rohstoffen, welche für moderne Technologie wie dem IT-Sektor oder für Anlagen zur „Energiewende“ von grundlegender Bedeutung sind. So kontrolliert China einen Großteil des weltweiten Abbaus und/oder Aufbereitung einer ganzen Reihe essenzieller Metalle. Unter anderem auch der „seltenen Erden“. So stammen etwa 90 Prozent dieser Metalle, die in Mobiltelefonen und Batterien Verwendung finden, aus China. Rund die Hälfte des Aluminiums und des Rohstahls weltweit kommt aus chinesischen Werken. Zudem dominiert China in vielen Nischenmärkten wie bei Gallium, Germanium oder Indium das Angebot. Die Vereinigten Staaten haben eine Liste erstellt, in der 35 mineralische Rohstoffe aufgeführt sind, die für die ökonomische und die nationale Sicherheit als kritisch eingestuft werden. Bei rund der Hälfte der Rohstoffe auf der Liste ist China der weltweit führende Produzent.

Chinesische Unternehmen dominieren auch bei Rohstoffen wie Kobalt oder Lithium. Bei Kobalt kontrollieren beispielsweise chinesische Firmen mehr als die Hälfte der Produktion im Kongo. Aus dem afrikanischen Land stammen zwei Drittel der weltweiten Kobaltförderung. Im Fall von Lithium, das ein wichtiger Bestandteil von Batterien für Elektrofahrzeuge ist, haben chinesische Unternehmen unter anderem in Chile, Argentinien und Australien Beteiligungen aufgebaut und sich damit Zugang zu knapp 60 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen verschafft. Mit diesem Vorgehen versucht China systematisch, weltweit einen großen Teil der wirtschaftlich relevanten Rohstoffe unter seine Kontrolle zu bringen. Rohstoffe, die nicht zuletzt für die im Westen so stark propagierte „Energiewende“ essenziell sind.

Bei vielen strategisch wichtigen Ressourcen war China damit bereits erfolgreich. Dieser strategische Vorteil ist durch das Bündnis mit Russland als dem zweiten großen Rohstofflieferanten dieser Welt umso größer, zumal Europa gerade den folgenschweren Fehler begeht und sich vom russischen Riesenreich mit seinen gigantischen Rohstoffvorräten isoliert. Während dadurch der Westen und hier vor allem die EU zusehends Probleme bei der Rohstoffbeschaffung bekommen und an Konkurrenzfähigkeit einbüßen wird, hat China nicht nur Zugriff über einen relevanten Teil der weltweiten Rohstoffe, sondern verfügt auch über das wirtschaftliche Potential, diese zu nutzen sowie das militärische Potential, diese zu sichern. Für die Industrienationen der EU, welche in erheblichem Maße von Energie- und Rohstoffimporten abhängig sind, sieht es hingegen zusehends düster aus. Umso wichtiger wäre für diese daher ein gutes Verhältnis zu Russland. Doch genau dieses zerstören diese gerade nachhaltig.


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China im Währungswettbewerb

Zugleich versucht China verstärkt die eigene Währung, den Renminbi, im internationalen Handel als Ersatz für den Dollar einzusetzen. Mit Saudi-Arabien und den arabischen Golfstaaten beispielsweise befindet sich China bereits in Verhandlungen darüber, Öl-Einkäufe zukünftig mit dem Renminbi begleichen zu können. Es wäre zugleich der Beginn des Endes des Petro-Dollars. Der Dollar droht daher langfristig seine Monopolstellung als weltweite Leitwährung zu verlieren. Da die USA einen Großteil ihres aktuellen Wohlstandes auf diese Monopolstellung ihres Dollars gründen und sich nach Verlust des exorbitanten Leitwährungsprivilegs bei weitem nicht mehr in dem Maße verschulden könnten, wie sie dies bisher taten, untergraben auch diese Entwicklungen die zukünftige Macht des Konkurrenten USA.

Auf Grund der Stellung als große Handelsmacht mit teils beträchtlichen Außenhandelsüberschüssen sowie der Kontrolle über wichtige, weltweit nachgefragte Rohstoffe hat China einen hervorragenden Hebel, um den Renminbi im internationalen Handel zu etablieren, zu stärken und langfristig zu einer bestimmenden Währung zu machen. Zwar bedarf es noch einiger chinesischer Reformen im Finanz- und Bankensektor, um den Renminbi international leichter handelbar zu machen und ihn so als ernsthafte, praktikable Konkurrenz zum US-Dollar in Stellung zu bringen. Doch die notwendigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Angriff auf die Stellung des Dollars und damit auch der USA sind gegeben. Die USA haben hingegen durch den Missbrauch des US-Dollars für ihre politischen Sanktionsregime das Vertrauen in den Dollar in den letzten Jahren selbst zusehends untergraben. Das Einfrieren der US-Dollar-Reserven der russischen Zentralbank war hierbei der ultimative Offenbarungseid. Alle Staaten, die nicht Teil des westlichen Bündnisses sind, alle Staaten, mit denen die USA irgendwie ein Problem haben, werden ganz genau registriert haben, was mit den russischen Einlagen passiert ist. Sie werden überlegen, ob und wenn ja, welche tragfähigen Alternativen es gibt und versuchen, ihre Gelder in andere Währungen zu transferieren.

Auch mit Russland hat China bereits Vereinbarungen getroffen, den Handel zukünftig in den eigenen Landeswährungen Renminbi und Rubel abzuwickeln. Angesichts immer größerer russischer Rohstoff- und Energielieferungen nach Asien ist dies durchaus relevant. Auf Grund der beispiellosen Kontrolle über wichtige Ressourcen könnten China und Russland theoretisch sogar ein durch diese Rohstoffe abgesichertes Währungssystem errichten. Ein auf einem solchen Rohstoffstandard basiertes Geldsystem wäre eines der härtesten und stabilsten weltweit. Ein reines Fiat-Geld, wie es der US-Dollar oder der Euro aktuell sind, könnten dagegen nur schwerlich bestehen. Innerhalb des BRICS-Formats, welches neben Russland und China noch weitere wichtige Schwellenländer umfasst, will man sich ebenfalls vom Dollar unabhängiger machen, sowohl im Handel untereinander als auch im Handel mit Drittstaaten. An Alternativen wird bereits gearbeitet.

Dasselbe gilt im Hinblick auf das internationale Zahlungsabwicklungssystem SWIFT, welches unter der Kontrolle der EU steht. Auch hierzu wurden von China und Russland bereits Alternativen entwickelt und werden zusehends etabliert. Der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System durch die EU hat der übrigen Welt deutlich gezeigt, dass es sich von den rein westlich kontrollierten Systemen unabhängig machen und Alternativen entwickeln muss, wenn es souverän bleiben und nicht den Launen der EU/USA unterworfen sein will. Genau dies geschieht bereits mit Hochdruck.


Zur Person:

Fabian Küble, 29 Jahre, kommt aus Baden-Württemberg und lebt in Sachsen. Er hat Politikwissenschaften studiert und ist stellvertretender Landesvorsitzender der JA Sachsen sowie Mitglied im JA-Bundesvorstand.