Bericht: Polen erwägt, Nord-Stream-Verdächtigem Asyl zu gewähren
Laut Medienberichten soll Polens Außenminister Radosław Sikorski erwägen, dem wegen der Nord-Stream-Sabotage verdächtigten Wołodymyr Ż. Asyl zu gewähren – und ihn sogar mit einem Orden auszuzeichnen.
Der polnische Außenminister Radosław Sikorski soll in vertraulichen Gesprächen mehrfach betont haben, dass er bereit sei, Wołodymyr Ż. in Polen Asyl zu gewähren.
© IMAGO / NurPhotoWarschau. – Am 26. September 2022 erschütterten Explosionen den Meeresgrund der Ostsee nahe der dänischen Insel Bornholm. Dabei wurden drei der vier Stränge der Nord-Stream-Pipelines zerstört, die seit Jahren russisches Gas nach Deutschland geleitet hatten. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe sprach später von einem „antikonstitutionellen Sabotageakt“.
Während die ersten Verdächtigungen in Richtung Russland zielten, führten die deutschen Ermittlungen schließlich zu einer siebenköpfigen Gruppe von Ukrainern. Einer von ihnen ist der Tauchlehrer und Klimatechniker Wołodymyr Ż., der im polnischen Pruszków wohnt.
Polnische Hilfe für die Flucht?
Am 21. Juni 2024 erließ Deutschland einen europäischen Haftbefehl gegen Ż. Doch kurz darauf, am 6. Juli, soll er Polen verlassen haben – in einem Wagen mit ukrainischen Diplomatenkennzeichen, der von einem Militärattaché gesteuert wurde. Polnische Behörden erklärten später, der Haftbefehl sei erst nach seiner Flucht eingetroffen.
Deutsche Ermittler reagierten irritiert und fragten, warum die polnischen Behörden nicht eingegriffen hätten. Aus polnischen Quellen habe es demnach geheißen: „Warum sollten wir ihn festnehmen? Für uns ist er ein Held.“
Sikorski soll Asylbereitschaft signalisiert haben
Laut Informationen der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita habe Außenminister Radosław Sikorski in vertraulichen Gesprächen mehrfach betont, dass er bereit sei, Wołodymyr Ż. in Polen Asyl zu gewähren und ihn sogar mit einem Orden auszuzeichnen. Gleichzeitig betonen polnische Stellen, dass Ż. bislang lediglich ein Verdächtiger sei, dem nichts nachgewiesen wurde.
Belastete Beziehungen
Die Affäre rund um die Sabotage überschnitt sich mit einem wichtigen Moment in den polnisch-deutschen Beziehungen. Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war am 2. Juli 2024 zu Regierungskonsultationen nach Warschau gereist – das erste Treffen dieser Art seit sechs Jahren. Deutsche Diplomaten hatten gehofft, unter Ministerpräsident Donald Tusk auf eine bessere Zusammenarbeit zählen zu können, da sie ihn für seriös und vor allem kooperationsbereit hielten.
Doch die Episode um Ż. belastete das Verhältnis schwer. Medienberichten zufolge hinderte Polen die Ukraine nicht nur nicht an der Verhaftung, sondern warnte sie sogar. Zudem sollen polnische Behörden monatelang die Kooperation mit deutschen Ermittlern verweigert und verschwundene Aufnahmen aus dem Hafen von Kołobrzeg ignoriert haben.
Sikorskis lange Kritik an Nord Stream
Laut Rzeczpospolita ist Sikorski seit Jahren ein scharfer Kritiker des Nord-Stream-Projekts. Bereits vor fast zwei Jahrzehnten, als er Verteidigungsminister war, verglich er die Pipeline demnach mit dem Hitler-Stalin-Pakt. Im Jahr 2022 teilte er nach den Explosionen ein Foto vom Ort des Geschehens in Sozialen Medien und schrieb dazu: „Danke, USA.“ Später löschte er den Beitrag jedoch wieder, nachdem er dafür Kritik erhalten hatte – auch aus Washington.