Zeitenwende in Deutschland: Diesen Fehler darf die AfD nicht machen
Immer mehr Politiker aus den Reihen von FDP, Grünen und Union zeigen sich entsetzt über die Bilder von Demonstrationen mit islamistischen Fahnen auf deutschen Straßen. Einige fordern nun eine Null-Toleranz-Politik und klingen immer mehr wie die AfD. Doch die muss sich jetzt vor Verwechslungen hüten.
Der Herbst in Deutschland ist oft verregnet, man bereitet sich auf den Winter vor und versucht noch einmal, die letzten Sommergefühle in den noch halb grünen Wäldern aufzusaugen. Dieser Herbst ist anders. Er wird als Zäsur in die deutsche Geschichte eingehen, ähnlich wie die Phase des linksextremen Terrors, die als „Deutscher Herbst“ in die deutsche Geschichte eingegangen ist – er wird der Punkt sein, an dem die herrschende Politik mit großer Wahrscheinlichkeit aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, in dem sie fernab jeder Realität von einer vielfältigen Gesellschaft träumte. Schaut man sich nämlich die Äußerungen mancher Kartellpolitiker an, ist man als Rechter zunächst selbst überrascht und muss sich die Augen reiben. AfD-Positionen, für die man im Mainstream geächtet wurde, werden inzwischen sogar von Grünen vertreten.
Was ist passiert? Seit dem Angriff der Hamas auf Israel vor einem Monat demonstrieren auf deutschen Straßen immer wieder pro-palästinensische Gruppen. In Essen wurden offen islamistische Fahnen gezeigt und das Kalifat gefordert. Für die Schickeria der Altparteien ist das Fass jetzt übergelaufen. Einige Beispiele. Manuel Ostermann, Polizeigewerkschafter und CDU-nah, veröffentlichte auf Twitter eine Liste mit Forderungen, die jetzt nötig seien: Abschiebehaft massiv ausweiten, „Erdogan“-Imame aus der Türkei zurück in ihre Heimat schicken, Aufklärung in Schulen über die Gefahren des radikalen Islam, Abschiebungen auch mit Doppelpass, Entzug der Staatsbürgerschaft, bundesweite Bekämpfung islamistischer Strukturen. Ein anderer Prediger der multikulturellen Gesellschaft, Hasnain Kazim, schrieb völlig fassungslos: „Wenn Typen – es sind nur Männer – in Deutschland bei 'pro-palästinensischen Demos' Taliban- und IS-Flaggen schwenken, ist das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Diese Typen gehören hart bestraft und, wenn möglich, hinausgeworfen. Und nein, sie sind nicht 'unser' Problem“.
Achtung bei der Feindauswahl!
Uff! Das sind harte Worte von der linksliberalen Elite, die man eigentlich von den Rechten gewohnt war. Erinnern wir uns: Immer wieder wurde Rechten Islamophobie vorgeworfen. Globalismus und das Phänomen des „großen Austauschs“ wurden als antisemitische Verschwörungstheorien abgetan. Patrioten, die sich dieser Politik widersetzten, wurden kriminalisiert. AfD-Politiker mussten unzählige Schikanen und Angriffe über sich ergehen lassen. Nun sieht man auf der rechten Seite, dass die Mitte und die Linke endlich anfangen, so zu denken wie man selbst – vorausgesetzt, wenn man den Aussagen und Forderungen eine gewisse Ernsthaftigkeit unterstellen will. So mancher AfD-Vertreter sieht jetzt seine Chance gekommen, endlich von der hinteren Bank, auf die er vom Lehrer polit-medialen Kartell verbannt wurde, nach vorne zu rücken und endlich mit den Coolen in der Klasse in gleichem Ton und gleicher Gestik alle zu beeindrucken. So zumindest der Wunsch.
In diesem Sinne trommeln inzwischen einige gegen die AfD und identifizieren Linke und Grüne als die großen Störenfriede im Klassenzimmer, denen man mit den erwähnten harten Jungs von Union und FDP in der ersten Reihe endlich eins auswischen will. Mit der sogenannten „bürgerlichen Mehrheit“ und neuem Selbstbewusstsein sollen die vielen Fehlentwicklungen der letzten Jahre (warum nicht Jahrzehnte, könnte man fragen) rückgängig gemacht werden. Die linke Republik soll wieder in die Mitte rücken, so der Traum. Gemeinsam mit Union und FDP werden demnächst massenhaft illegale Einwanderer abgeschoben und islamistische Moscheen geschlossen. Das Volk steht hinter einem. Ein verführerisches Narrativ – aber leider irreführend.
Die CDU gewinnt die Wahl – und ändert nichts
Der Grund ist einfach: Mehr als 50 Jahre haben Christdemokraten dieses Land regiert. Es war Merkel, nicht Habeck, die 2015 die Grenzen öffnete. Die Grünen sind nicht vom Himmel gefallen und haben das Schiff namens Bundesrepublik gekapert – die Union hat es ihnen mit viel Zuneigung überlassen. In immer mehr Bundesländern regieren Christdemokraten mit den Grünen – in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst bezeichnete die AfD als größten Feind „unserer Demokratie“. In Berlin hat die CDU – mit größter Unterstützung der ach so alternativen Medien wie Nius (unter dem Vorgängerportal Pleiteticker) und anderen – mit den Silvesterereignissen und katastrophalen Zuständen im Rücken die Wahl gewonnen und stellt nun in einer Koalition mit der SPD den Regierenden Bürgermeister. Das Ergebnis nach fast einem Jahr Regierungszeit: Abschiebestopp über den Winter, die Etablierung eines Queer-Beauftragten, „Meldeportale“ für antifeministische Aktivitäten und vieles mehr. Auch gegen die Pro-Palästina-Demonstrationen in Berlin wird nichts unternommen.
Das ist CDU-Politik pur. Warme Worte hier, harte Worte da, dabei alles aussitzen und dem linken Regierungspartner jeden Wunsch erfüllen. Hauptsache, man hat die Macht. Das Traurige ist, dass die AfD das zugelassen hat. Wie der Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser und der Verleger Philip Stein in ihrer Analyse des Wahlkampfes gut herausgearbeitet haben, haben die Wahlkampfstrategen der AfD einen großen Fehler gemacht: Während die CDU mit guten Slogans aufwartete („Berlin feiern, Senat feuern“) und mit Aktionen wie der Abfrage der Namen von Silvester-Krawallmachern, um auf deren Migrationshintergrund hinzuweisen, einen durchaus rechten Wahlkampf führte, hat die Berliner AfD mit Plakaten wie „Klima-Kleber in den Knast!“ und der Fokussierung auf die Grünen einen zahnlosen und zahmen Wahl„kampf“ geführt. Die eigenen Kernthemen wurden von der CDU übernommen und propagiert, als Hauptfeind wurden fälschlicherweise die Grünen ausgemacht. Das Ergebnis war dann ein Plus von zehn Prozentpunkten für die CDU und ein Minus von knapp fünf Prozentpunkten für die AfD.
Die CDU ist der Hauptfeind
Dieses Muster, die CDU zu schonen und gleichzeitig die Grünen zu bearbeiten, kann und darf sich nicht wiederholen. Es ist nun zu erwarten, dass die Union versuchen wird, sich mit einer unauthentischen Law-and-Order-Politik für ein gutes Wahlergebnis bei den nächsten Wahlen zu positionieren. Hier darf die AfD nicht zurückweichen und zustimmend nicken oder schlimmstenfalls Avancen machen. Man sollte sich hier keinen falschen Illusionen hingeben: Solange die AfD nicht die bestimmende Kraft ist und zum Beispiel bei Wahlen den ersten Platz belegt, wird die Christdemokratie trotz möglicher Koalitionen mit der AfD weiterhin linksliberale Politik machen. Die CDU will an die Macht und an die Fleischtöpfe – sie wird alles tun, was sie dorthin bringt. Erst eine nicht mehr zu ignorierende AfD wird die CDU brechen. Zu groß ist die Angst, Mandate und wichtige Posten zu verlieren.
Die AfD muss als penibler Wachhund jede CDU-Parole mit der Realität abgleichen und immer darauf achten, was die Christdemokraten auch wirklich umsetzen. Auf keinen Fall darf man jetzt auf die Grünen schießen, in der Hoffnung, CDU und FDP zu schonen, weil man im selben Team säße. Die Grünen sind auch ein Problem, aber Hinweise darauf, dass Claudia Roth sich mal mit einem iranischen Funktionär getroffen hat und dabei ein Kopftuch trug, führen am Ziel vorbei. Klar, das kann man auch kritisieren. Aber der Fokus muss auf der Union bleiben – hier kann es kritisch werden, wenn CDU und CSU mit harten Worten viele AfD-Wähler abwerben, um dann die gleiche Politik zu machen wie seit Jahren. Die AFD ist nicht angetreten, um die Union zu verbessern oder zu retten – nein, sie ist da, um sie zu ersetzen. Im Deutschland des Jahres 2023 ist kein Platz mehr für eine oppositionelle und vermeintlich konservative Partei – die AfD darf angesichts der aktuellen Wahlerfolge und Umfragen ruhig offensiver die Machtfrage stellen. Keine falsche Scheu!
Zur Person:
Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Im Sommer 2020 war er Mitgründer des konservativen Onlinemagazins konflikt. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei FREILICH. Seine Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.
Twitter: https://twitter.com/Bruno_Wolters