Verschenkte Mandate und mehr – Fünf wissenswerte Fakten zur Brandenburg-Wahl 2024

In Brandenburg verliert die SPD, die AfD gewinnt an Zustimmung. Was bedeutet das für die Parteienlandschaft? Martin Scheliga analysiert die Landtagswahl in Brandenburg.

Analyse von
23.9.2024
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3 Minuten Lesezeit
Verschenkte Mandate und mehr – Fünf wissenswerte Fakten zur Brandenburg-Wahl 2024

Wahlsieger Dietmar Woidke (SPD).

© IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Programmpartei statt Personenpartei

Infratest dimap erhob im Auftrag der ARD Daten zur Beliebtheit der Spitzenkandidaten der jeweiligen Partei. Anhand dieser war ersichtlich, dass der Brandenburger Spitzenkandidat, Dr. Hans-Christoph Berndt, im Gegensatz zu seinem Thüringer Pendant Björn Höcke an mangelnder Bekanntheit litt. In einer Umfrage, wen die Wähler direkt zum Ministerpräsidenten wählen würden, zog Berndt gegen Dietmar Woidke (SPD, 50 Prozent) mit neun Prozent deutlich den Kürzeren. Jan Redmann von der CDU kam wie Berndt auf neun Prozent. –

Bei der Frage nach der politischen Zufriedenheit mit der politischen Arbeit kam Berndt auch nur auf magere zwölf Prozent. Vor ihm liegen Woidke (61 Prozent) und Redmann (21 Prozent). Da Berndt erst 2018 in die Parteipolitik eingestiegen ist und auch erst nach der Ablösung von Birgit Bessin im Jahr 2020 Fraktionsvorsitzender der Brandenburger AfD-Fraktion ist, hat er anders als AfD-Thüringen-Gründungsmitglied Höcke über die Jahre nur wenig Bekanntheit erlangen können.

Dafür ist der Anteil derjenigen Wähler, die die AfD aus Überzeugung wählen, im Vergleich zu 2019 stark gestiegen (52 Prozent, 16 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren). Auch bei den Kompetenzen, die der AfD zugesprochen werden, hat die AfD im Laufe der vergangenen fünf Jahre Vertrauen von Wählern gewonnen, der höchste Sprung gelang bei den Themen Ostdeutsche Interessen (20 Prozent, +7 Prozentpunkte) und Arbeitsplätze (13 Prozent, +6 Prozentpunkte).

Der einst SPD-affine Norden Brandenburgs wird neues AfD-Stammland

Früher galt der Norden Brandenburgs als absolute SPD-Bastion. Bei der Wahl 2024 ergibt sich ein anderes Bild. Die einstige Hochburg der SPD erodiert. Etliche Gemeinden im Norden Brandenburgs wählten am Sonntag gegen den Brandenburger Trend und sorgten teils für sehr deutliche Verluste bei der SPD. In insgesamt drei Wahlkreisen fuhr die SPD ein schlechteres Ergebnis ein als 2019, alle drei liegen in der Prignitz und in der Uckermark.

Der Woidke-Faktor zog entsprechend der SPD-Zugewinne in den Wahlkreisen überwiegend im Berliner Umland sowie in den Städten über 50.000 Einwohnern. Während im Norden Brandenburgs die SPD mit Wählerschwund zu kämpfen hat, erschließt die AfD dort die meisten neuen Wählerschichten. In den Landkreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Uckermark gewinnt die AfD acht bis zehn Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2019 dazu.

AfD und BSW holen in einigen Landesteilen die absolute Mehrheit

In den Landkreisen Uckermark, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster knackten AfD und BSW zusammen die 50-Prozent-Marke. Hier lässt sich sagen, dass die Menschen von etablierten Parteien praktisch nicht mehr abgeholt werden, wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil der SPD-Wähler die SPD ausschließlich gewählt haben, um die AfD zu verhindern.

Allerdings wird das BSW in Regierungsverantwortung von jeweils mehr als zwei Dritteln aller CDU- und SPD-Wähler negativ gesehen. Eine weitere Spaltung der Wählerschaft und eine besonders kritische Begutachtung einer potenziellen Koalition mit SPD- und BSW-Beteiligung sind vorherzusehen.

Die AfD schenkt der SPD unnötig ein Direktmandat

Im Wahlkreis Teltow-Fläming II trat der Bürgermeister der Stadt Jüterbog, Arne Raue, als parteiloser, aber AfD-affiner Kandidat an. Raues Verbindung zur AfD gelten als intensiv, so sprach er bereits als amtierender Bürgermeister beim letzten AfD-Landesparteitag in seiner Stadt ein Grußwort. Um Raue zu unterstützen, verzichtete die AfD auf einen Gegenkandidaten aus den eigenen Reihen.

Erst kurz vor den Wahlen, lange nach der Aufstellung, fiel der Öffentlichkeit auf, dass nach brandenburgischem Wahlgesetz alle Zweitstimmen in einem Wahlkreis wegfallen, den ein Parteiloser direkt gewinnt. Damit hätte die Landes-AfD auf die Zweitstimmen aus Teltow-Fläming II verzichten müssen, falls Raue den Wahlkreis gewonnen hätte. Unter den Wählern sprach sich diese Tatsache herum und Raue wurde mit 23,4 Prozent deutlich auf den zweiten Platz hinter SPD-Mann Erik Stohn verwiesen. Zahlreiche AfD-Wähler scheinen sich, um ihre Zweitstimme geltend zu machen, für die Direktkandidaten von CDU und Freien Wählern entschieden zu haben.

Das Wachstum der AfD in großen Städten ist begrenzt

Während die AfD in Thüringen auch in den großen Städten wie Erfurt und Jena ordentliche Zuwächse verbuchen konnte, fielen in Brandenburg ähnlich wie in Sachsen die Zugewinne in größeren Städten nur spärlich aus. In der Landeshauptstadt Potsdam stieg das AfD-Ergebnis nur um etwa zwei Prozentpunkte, in den anderen kreisfreien Städten (Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder und Cottbus) konnte die AfD weniger als fünf Prozentpunkte zulegen.

Mit Ausnahme des Landkreises Potsdam-Mittelmark, der vom urbanen Berlin stärker soziologisch geprägt wird als die anderen Landkreise, hat die AfD im ländlichen Bereich deutlichere Zugewinne im Vergleich zu 2019 zu verzeichnen.

Über den Autor

Martin Scheliga

Martin Scheliga, Jahrgang 1997, ist studierter Master-Mathematiker und fertigt für verschiedene Auftraggeber politische Analysen an.

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