„Schlecht gedacht, noch schlechter gemacht“ – Die Bundeswehr und die Werbung um die Jugend
Mit dramatischer Musik und einem düsteren Auftritt will die Bundeswehr Stärke zeigen, doch das neue Imagevideo verfehlt sein Ziel krachend. Mike Gutsing analysiert, warum die Kampagne weniger militärische Entschlossenheit als vielmehr geistige Orientierungslosigkeit offenbart.
Ein Soldat auf einem Panzer – ein Sinnbild für eine Armee, die Stärke zeigen möchte, aber keinen Auftrag hat.
© IMAGO / Kirchner-MediaNachdem die US-Regierung zur Bildsprache der frühen 2000er zurückgekehrt ist und statt eines multiethnisch-diverssexuellen Paares nun wieder den weißen Mann als Liebling der Werbemaschinerie ihrer Streitkräfte entdeckt hat, scheint auch die Bundeswehr einen bildsprachlichen Imagewechsel vollziehen zu wollen. Bei düsterer Musik aus „Herr der Ringe“, die im Film eigentlich dem dunklen Herrscher Sauron und seinen Schergen vorbehalten ist, richtet Generalleutnant und Heereschef Christian Freuding einige Worte an die „kriegstüchtig“ ausgebildete Panzerbrigade 45 „Litauen“. Das Video, das diese Szenen zeigt, erinnert stark an Werbevideos anderer Armeen. Es leidet jedoch unter dem adynamischen Tonfall des Generals und einem Videoschnitt, den ein zwölfjähriger TikTok-Nutzer professioneller gestalten würde. Trotz dieser stilistischen Schwächen soll eine Botschaft klar werden: Das ist nicht mehr die Bundeswehr von „Flintenuschi“, die mit Kindertagesstätten in Kasernen werben möchte, sondern eine kampfbereite, man möchte beinahe sagen männliche Armee.
Die Reaktionen auf X und Instagram fallen jedoch gemischt aus. Während einige das überraschend martialische Auftreten und die klare Bildsprache befürworten, fühlen sich andere an die „dunkelsten Jahre“ der deutschen Geschichte erinnert. Andere spotten über die undurchdachte Kombination aus Wort, Musik und Bildmaterial. Einige Kommentatoren vermuten sogar, dass Künstliche Intelligenz die Bewegtbildproduktion geschaffen hat. Unabhängig von den konkreten Inhalten des Videos lässt sich jedoch attestieren: Schlecht gedacht, noch schlechter gemacht. Unverständlich bleibt, wie man in einer Zeit, in der schnell geschnittene Aufputschvideos jeder vorstellbaren Armee auf den gängigen Plattformen nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehen, ein derart unterdurchschnittlich schlecht produziertes Video auch noch über die offiziellen Kanäle der Bundeswehr teilen kann. Publikum und Auftrag der staatlichen Propaganda sind offensichtlich und wären wohl auch nur schwer zu verstecken gewesen. Wieso also diese halbgare Präsentation?
Das Problem trägt kein Flecktarn
Die Antwort auf diese Frage hat FREILICH-Autor Bruno Wolters unlängst in einem Kommentar bei Sezession im Netz gegeben: Der Bundeswehr fehlt der gesellschaftliche Rückhalt, aber auch ein Staat, der für seine Soldaten ein Ziel formulieren und zeigen kann, welche Rolle das Soldatische im Leben der Bürger spielen kann. Die Neurosen von Schuldkult und vollumfänglicher Demilitarisierung von Staat und Gesellschaft zeigen in den Scheindebatten um Wehrpflicht und Wehrhaftigkeit in Deutschland ihre schillerndsten Blüten. Eine Antwort auf die Fragen des Personal- und Materialmangels mag man mit Sondervermögen und verpflichtenden Dienstjahren vielleicht (teilweise) ausgleichen können, das gestörte Verhältnis der Deutschen zu ihren Streitkräften jedoch nicht. Wolters resümiert völlig richtig: „Wer über Pflicht reden will, muss zuvor über Sinn sprechen. Eine erneuerte, politisch unabhängige und geistig in nationalen Kategorien gefestigte Bundeswehr wäre die Voraussetzung für jede Form des Wehrdienstes.”
Opposition ohne Analyse
In dieser Hinsicht bleibt Deutschlands größte Oppositionspartei weiterhin schwach. Auf jeden Akteur, der auch die geistige Krise des deutschen Militärs und vor allem seiner Führung anprangert, finden sich Politiker wie der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen, der die AfD in Angelegenheiten der Verteidigungspolitik vertritt. In einem fast schon verstörend erratischen Kommentar auf X poltert er:
„Es ist bezeichnend wie Linke und Lumpen-Pazifisten (aber auch Teile der Meta-Rechten mit Bürostuhl-Ritterkreuz) über das Video des Deutschen Heeres herfallen. Sie eint, dass sie alle keine Erfahrung in der deutschen Militärkultur haben. […] Sie waren nie dabei, sind nicht Teil dieser Kaste und verstehen es nicht. Aber statt zu schweigen und sich zu fragen, warum sie in ihrem Leben nie einen Eid auf das deutsche Volk schwören wollten, zerreißen sie sich ihre Schandmäuler.“
Es müsste sich jetzt eine umfassende Milieustudie anschließen, die die Gründe für das Nichtdienen deutscher Rechter thematisiert. Leider kann die Partei in dieser Hinsicht jedoch nicht mit ambitionierten oder auch nur investigativen Arbeiten punkten. Lucassens Gepolter bleibt für sich stehen.
Deutschland, wie hältst du es mit deinem Militär?
Zweifellos werden die Donquixoterien der Bundesregierung gegenüber Russland auch zu einer Verstärkung der Mobilisierungsbemühungen gegenüber der eigenen Bevölkerung führen. Verteidigungsminister Pistorius kündigte bereits an, dass, wenn die Ergebnisse der freiwilligen Dienstjahre nicht ausreichen, eine Wehrpflicht unumgänglich wäre. Aus privaten wie politischen Beweggründen sollte jeder sehr sorgfältig abwägen, inwieweit eine Teilnahme oder Verweigerung unter derartigen Vorzeichen zu den eigenen Überzeugungen passt. Sollte sich bis zum Siedepunkt der aktuellen Ereignisse keine grundlegende Änderung der politischen Lage ergeben, sind alle weiteren Überlegungen ohnehin sekundär. Es bleibt zu hoffen, dass, sollte diese Veränderung ausbleiben, wenigstens die Qualität der Propagandavideos merklich verbessert wird – alles andere wäre eine Verschwendung.






