Politologe Münkler warnt vor dem „Ende des Westens“
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler warnt vor dem Ende des Westens. Die Politik Donald Trumps führe zu einem geopolitischen Bruch, der das transatlantische Bündnis in seiner bisherigen Form auflöse.
Der Politologe sieht in der aktuellen Phase den Beginn des „Endes des transatlantischen Westens“.
© IMAGO / Horst GaluschkaDer renommierte Politologe Herfried Münkler warnt vor einer epochalen Wendung in der globalen Ordnung. Donald Trump, so Münkler, ist eine zentrale Figur in einem geostrategischen Wandel, der das Ende des Westens, wie wir ihn kennen, markiert. Besonders ein Vorfall im Weißen Haus zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Trump wird dabei als Symbol für den dramatischen Kurswechsel betrachtet.
„Selenskyj wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit vor ein Tribunal gestellt“, betont Münkler. Der Politologe beschreibt das Treffen als inszenierte Machtdemonstration, keine spontane oder emotionale Geste, sondern ein geplantes Schauspiel. Nicht nur Trump selbst, sondern auch hochrangige Mitglieder seines Kabinetts seien anwesend gewesen - eine unmissverständliche Botschaft an die Ukraine und die westlichen Verbündeten. Trump habe „im imperialistischen Gestus Druck auf ein Land ausgeübt, das von Russland überfallen wurde und das militärisch mit dem Rücken zur Wand steht“, so Münkler.
Münkler sieht Demütigung der Europäer
Für Münkler ist diese Szene ein weiteres Zeichen für den Verfall des transatlantischen Bündnisses. Trump habe ein klares Signal an die Europäer gesendet: „Wenn ihr nicht nach unserer, der Washingtoner Pfeife tanzt, dann könnte es euch ebenso ergehen“, erklärt er. Die Europäer seien nun von der Diskussion über die Zukunft der Ukraine ausgeschlossen, was die geopolitische Ausrichtung des Westens grundlegend verändere. Für den Politologen ist dies der Beginn des „Endes des transatlantischen Westens“.
Münkler spricht von einer „zweiten Zeitenwende“, die weitreichender und folgenreicher sei als die Ukrainekrise von 2022. Zwar habe der Konflikt in der Ukraine weltpolitische Auswirkungen gehabt, doch erlebe die Weltordnung derzeit einen noch fundamentaleren Bruch. Man erlebe „die Auflösung des wichtigsten Pfeilers der bisherigen geopolitischen Ordnung“, so Münkler. Dieser Bruch werde durch die Politik Trumps vorangetrieben, der zunehmend auf eine Destabilisierung des westlichen Bündnisses hinarbeite.
Der Politologe sieht im Aufstieg Trumps das „definitive Ende jener Weltordnung, in der wir groß geworden und in die wir hineinsozialisiert worden sind“. Diese Ordnung, die in den vergangenen 80 Jahren Frieden und Wohlstand gebracht habe, werde nun zunehmend in Frage gestellt. Wer heute noch an eine Zusammenarbeit mit Trump glaube, sei „entweder ein Traumtänzer oder ein Einflussagent Russlands“.
Die drei Säulen des Westens
Münkler erklärt, was den Westen so stark gemacht hat: „Der transatlantische Westen beruhte auf drei Voraussetzungen.“ Erstens ein gemeinsames Werteverständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, zweitens die geopolitische Einheit des Atlantiks und drittens der wirtschaftliche Zusammenschluss in Form des Atlantischen Wirtschaftskreises. Insbesondere die Rolle der USA als nukleare Schutzmacht habe den Westen gesichert. Doch Trump und seine Politik stellen diese Errungenschaften nun in Frage.
Die Frage, ob Trump nur umsetzt, was schon seine Vorgänger wie Barack Obama gefordert haben, nämlich dass Europa mehr für seine Verteidigung tut, führt Münkler zu einem ernüchternden Befund: „Trump hat die russischen Narrative übernommen“, stellt er fest. Das sei ein klarer Bruch mit der bisherigen regelbasierten Ordnung. Trump verschiebe den Fokus auf Machtpolitik, Werte und Normen spielten keine Rolle mehr. Münkler sieht darin eine Annäherung an eine machtbasierte Ordnung, in der sich Staaten nur noch durch militärische, wirtschaftliche und technologische Stärke behaupten können.
Ein neuer geopolitischer Raum
In dieser neuen geopolitischen Ära sieht Münkler auch Österreich und die Schweiz unter Druck. Die Neutralität dieser Staaten, einst sicherer Rückzugsraum im Kalten Krieg, sei in einer veränderten Weltordnung nicht mehr tragfähig. Vielmehr sieht Münkler darin „eine kostenlose Teilhabe an Sicherheitsleistungen, die andere erbringen“. Der wachsende Druck auf diese Länder werde sie zwingen, ihre sicherheitspolitische Rolle zu überdenken.
Schließlich sieht Münkler auch eine Neuordnung Europas unter der Führung Wladimir Putins. Dieser würde „die baltischen und osteuropäischen Staaten wieder unter russische Kontrolle bringen“ wollen. Die USA hätten sich aus Europa zurückgezogen, die NATO sei verschwunden, die EU existiere nur noch in stark reduzierter Form. „Es geht Putin nicht nur um die Ukraine, sondern um den ganzen europäischen Raum“, so Münkler.