Demografische Schieflage: Sollen Rentner ihr Wahlrecht verlieren?
Die deutsche Demokratie steuert auf eine gefährliche Schieflage zu, denn immer mehr politische Entscheidungen orientieren sich an den Interessen der älteren Generation. Bruno Wolters fordert deshalb eine mutige Debatte über Generationengerechtigkeit und das Wahlrecht der Zukunft.
Bruno Wolters plädiert für mutige Überlegungen zur Wiederherstellung der Generationengerechtigkeit – etwa in Form eines Familienwahlrechts. (Symbolbild)
© IMAGO / photothekDie Demokratie lebt vom Interessenausgleich – zwischen Klassen, Regionen, Geschlechtern, ja, auch zwischen den Generationen. Doch gerade Letzteres ist in der Bundesrepublik gründlich aus dem Lot geraten. Der demografische Wandel hat nicht nur ökonomische, sondern auch politische Verwerfungen zur Folge. Mit dem wachsenden Anteil älterer Wähler verschieben sich die Prioritäten der Politik immer weiter – weg von Zukunftsfragen, hin zur Rentenaufstockung und zum Status quo für die Nachkriegs- und Boomergenerationen. Die Mehrheit der Wähler lebt inzwischen von einem System, das sie selbst nicht reformiert hat, das aber die arbeitende junge Generation finanziell an die Wand fährt.
Seit Jahrzehnten war das strukturelle Defizit des Umlagerentensystems bekannt – und doch geschah nichts. Aus Bequemlichkeit, aus Eigennutz oder schlicht aus mangelndem Verantwortungsgefühl. Die nunmehr politisch dominierende Generation der Babyboomer hat versäumt, Reformen auf den Weg zu bringen. Heute erleben wir die Konsequenz: Eine junge Erwerbsbevölkerung, die zunehmend enteignet wird, um ein System zu stützen, das ihr selbst keine Perspektive mehr bietet. Und das alles in einem politischen Klima, in dem die demografisch dominanten Senioren auch noch darüber entscheiden, wie dieses System weitergeführt wird – meist zu ihren Gunsten.
Reformen waren nicht gewollt
Natürlich: Jeder Bürger hat das Recht auf politische Teilhabe. Doch wenn jemand dauerhaft keine Beiträge mehr zur Gesellschaft leistet, wenn die Lebenswirklichkeit vollständig von der erwerbstätigen Bevölkerung entkoppelt ist, dann muss zumindest die Frage erlaubt sein, wie weit dieses Mitspracherecht reichen darf. Zumal dort, wo Pflegeheime zur Hochburg für Wahlbetrug werden können, wenn nicht mehr der Wähler selbst, sondern Pflegepersonal oder Angehörige das Kreuz machen .Aus politischen, moralischen und verfassungsrechtlichen Gründen steht es ohnehin nicht zur Debatte, Rentnern das komplette Wahlrecht zu entziehen – eine Lösung brauchen wir trotzdem!
Statt weiterhin tatenlos in eine gerontokratische Sackgasse zu marschieren, braucht es mutige Überlegungen zur Wiederherstellung der Generationengerechtigkeit. Denkbar wäre etwa ein Familienwahlrecht: Kinder bekämen eine Stimme, ausgeübt durch die Eltern bis zur Volljährigkeit. Damit würde nicht nur die Interessenvertretung der kommenden Generationen institutionell verankert – es würde auch das Gewicht jener Familien gestärkt, die Verantwortung übernehmen und Zukunft gestalten wollen. Und ja, das würde vor allem konservative Wählerschichten stärken – jene, die noch bereit sind, Pflichten vor Rechte zu stellen.
Korrekturen sofort notwendig!
Alternativ ließe sich auch über eine altersabhängige Stimmgewichtung nachdenken – oder ein Wahlrecht, das an gesellschaftliche Teilhabe gekoppelt ist. Was für 16-Jährige gilt, sollte auch für 86-Jährige gelten: Wer politisch mitentscheiden will, sollte zumindest geistig präsent und in irgendeiner Form gesellschaftlich verankert sein. Ein Jugendlicher versteht politische Entwicklungen genauso wenig wie ein Demenzkranker – aber letzterer darf trotzdem wählen.
Die Bundesrepublik braucht keine Rentnerdemokratie, sondern ein Gleichgewicht der Generationen. Ohne Korrektur droht ein System, in dem die Jungen zahlen und schweigen sollen, während die Alten wählen und kassieren. Wer unter 50 lebt, weiß längst: So kann es nicht weitergehen. Nun muss auch der politische Wille folgen – und der Mut, ein lange verdrängtes Thema zur Debatte zu stellen.