Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

„Brandmauer“-Beschluss in Dortmund: Bezirksregierung erklärt Ratsentscheidung für rechtswidrig

Ein Ratsbeschluss in Dortmund, der jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt, hat die Bezirksregierung Arnsberg auf den Plan gerufen. Diese hält das Vorgehen für rechtswidrig. Der Oberbürgermeister widerspricht dem entschieden.

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„Brandmauer“-Beschluss in Dortmund: Bezirksregierung erklärt Ratsentscheidung für rechtswidrig

Thomas Westphal (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, sieht im „Brandmauer“-Beschluss nichts Beanstandungswertes.

© IMAGO / Cord

Dortmund/Arnsberg. – Am 13. Februar 2025 fasste der Rat der Stadt Dortmund mit den Stimmen von SPD, Grünen, „Die Linke+“, der Fraktion „Volt + Vielfalt“ sowie von „Die Piraten“ den Beschluss „Erklärung des Rates – Wir sind die Brandmauer“. Damit wollte man sich klar von jeglicher Zusammenarbeit mit rechten Parteien wie der AfD abgrenzen. Die FDP unterstützte einige Punkte des Antrags, lehnte ihn in anderen jedoch ab. CDU und AfD stimmten hingegen geschlossen gegen die Resolution. Der Beschluss blieb allerdings nicht ohne Kontroversen und Folgen, sondern beschäftigt die Politik auch Monate später noch.

Kritik der Bezirksregierung Arnsberg

Wie aus einem Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg an den Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) hervorgeht, stufte die Bezirksregierung den Beschluss nach Prüfung als rechtswidrig ein. Dies hat schließlich zu einer Auseinandersetzung geführt. In dem Schreiben, das FREILICH vorliegt, wird etwa die Verbandskompetenz der Gemeinde für den gefassten Beschluss als „zumindest fragwürdig” beanstandet.

In der Resolution bezogen sich die Parteien ganz konkret auf Vorgänge im Deutschen Bundestag, nämlich auf die Annahme eines Antrags mit Unterstützung der AfD. „Diese haben wohl keinen Bezug auf Angelegenheiten im Rat der Stadt Dortmund“, heißt es im Schreiben. Zudem gebe es mangels vorheriger Vorkommnisse „wohl keinen kommunalpolitischen Anlass als spezifischen Ortsbezug“. Demnach habe es bisher keine Abstimmungen im Rat der Stadt Dortmund gegeben, in denen ein Beschluss erfolgreich mit den Stimmen der AfD-Ratsmitglieder verabschiedet werden konnte. „Der Bezug auf die Bundesebene überwiegt scheinbar die Intention für den Rat der Stadt Dortmund mit lokalem Bezug.“

Beschluss gegen die eigene Ordnung?

Der Beschluss vom Mitte Februar sei zudem „materiell rechtswidrig“. Er verstoße beispielsweise gegen das Statusrecht auf Intraorgantreue der von dem Beschluss betroffenen Ratsmitglieder der AfD. Laut Gesetz sind „sämtliche Organe und Organteile dazu verpflichtet, sich loyal zu verhalten, gegenseitig Rücksicht zu nehmen und die jeweiligen Kompetenzen so auszuüben, dass der rechtliche Status der anderen Organe bzw. Organteile geachtet wird“, heißt es in dem Schreiben an den Oberbürgermeister weiter. Zwar würden den AfD-Ratsmitgliedern ihre Rechte „weder ausdrücklich entzogen noch sonst eingeschränkt“. Dennoch verletze der Beschluss die betroffenen Ratsmitglieder in ihrem aus dem Gesetz abgeleiteten Statusrecht auf Intraorgantreue.

Konkret wird beanstandet, dass sich im Rahmen des Beschlusses nicht mehrere Ratsfraktionen darauf verständigt hatten, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten oder mit ihr Mehrheiten für Abstimmungen zu bilden, sondern dass konkret ein Ratsbeschluss als hoheitliches Mittel gewählt worden sei, „um als Organ 'Gemeinderat' diese Aussage zu treffen“.

„Ratsmitglieder zweiter Klasse“

Der Beschluss verletzt nach Ansicht der Bezirksregierung darüber hinaus auch den Grundsatz der Gleichheit der Parteien. Laut Gesetz ist der Rat verpflichtet, alle Ratsmitglieder jeglicher politischer Ausrichtung gleich zu behandeln. „Auch der Ratsmehrheit politisch unliebsame Ratsmitglieder haben einen Rechtsanspruch darauf, vom Rat als dem obersten Verwaltungsorgan einer Kommune nicht ausgegrenzt zu werden“, heißt es in dem Schreiben weiter, „erst recht nicht in Form eines (in öffentlicher Sitzung) gefassten Ratsbeschlusses“. Durch den Beschluss würden AfD-Ratsmitglieder in ihrem Statusrecht herabgesetzt beziehungsweise zu einem „Ratsmitglied zweiter Klasse“ stilisiert und ausgegrenzt beziehungsweise diskriminiert.

Die Bezirksregierung weist außerdem darauf hin, dass Staatsorgane allen zu dienen und sich neutral zu verhalten haben. Der Beschluss hätte allerdings zur Folge, dass das Teilhaberecht der AfD an der Ratsarbeit infrage gestellt würde. Dies wäre im Ergebnis auch eine erhebliche Verletzung des Neutralitätsgebots.

Der Beschluss führe letztlich dazu, dass die Mandatsträger, insbesondere der AfD, aber auch einzelne Mitglieder anderer Fraktionen oder fraktionslose Ratsmitglieder, in der praktischen Ausübung ihres Mandats beeinträchtigt würden. Zwar sei der Beschluss nicht als „(rechtlich) bindender Auftrag“ an alle Mandatsträger zu verstehen, doch sei auch eine „niederschwellige Einflussnahme“ wie die Erklärung einer Ratsmehrheit im „Brandmauer“-Beschluss als Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit zu werten.

Reaktion des Oberbürgermeisters

Bereits Mitte Mai war Oberbürgermeister Thomas Westphal aufgefordert worden, „die negative Auswirkung dieses Ratsbeschlusses zu beseitigen“. Die Bezirksregierung hatte ihm eine Frist von drei Wochen gesetzt, um zu reagieren. Diesem Ersuchen kam er zunächst nicht nach. Erst am 3. Juli folgte nach nochmaliger Aufforderung seine Antwort, in der er die Kritik beiseitewischte: „Nach eingehender rechtlicher Prüfung bin ich der Auffassung, dass die Einschätzung der Bezirksregierung Arnsberg zur Rechtslage offensichtlich fehlerhaft ist“, so Westphal in dem Schreiben an die Ratsmitglieder, das FREILICH ebenfalls vorliegt. Daher beabsichtige er, „zum Schutz des der Stadt Dortmund von Verfassungs wegen zustehenden Selbstbestimmungsrechts (...), der angeordneten Beanstandung nicht zu folgen“.

Widerstand gegen rechtliche Bedenken

Er begründet seine Entscheidung damit, dass die Bezirksregierung Arnsberg in ihrer Anweisung „schon ganz grundlegend“ verkenne, dass dem Beschluss keinerlei Regelungswirkung zukomme. Es handele sich lediglich um eine „politische Absichtserklärung, von der keine nachteiligen Wirkungen ausgehen“. Vielmehr komme darin der Abschluss eines Willensbildungsprozesses zum Ausdruck, „von dessen Lebendigkeit die Ratsarbeit im Sinne eines demokratischen Diskurses lebt“, so der Oberbürgermeister.

Die Bezirksregierung verkenne zudem, dass einzelne Ratsmitglieder weder an das Neutralitätsgebot gebunden seien noch übersteigerten Sachlichkeitsanforderungen unterlägen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass sich Ratsmitglieder offensiv und parteiisch positionieren dürfen. Gleiches gelte sowohl für die Ratsfraktion als auch für den Rat insgesamt. Zusätzlich kritisiert er, dass die Bezirksregierung „mehrfach“ die Rechte einzelner Fraktionen mit denen der „dahinterstehenden“ Parteien vermische, obwohl eine Trennung beider Organisationseinheiten rechtlich zwingend geboten sei. Sein Schreiben schließt Westphal mit dem Hinweis, dass darüber hinaus „offensichtlich“ auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Organtreue vorliege.

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