Unruhige Wahlen voraus: Deutsches Bürgernetzwerk wirbt um Wahlbeobachter

Im Superwahljahr 2024 stehen für die Menschen in Mitteldeutschland richtungsweisende Wahlen an. Ein Dresdner Bürgernetzwerk wirbt schon jetzt um Unterstützung bei der Durchführung.

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Unruhige Wahlen voraus: Deutsches Bürgernetzwerk wirbt um Wahlbeobachter
Stimmzettel für die Wiederholung der Wahlen zum Deutschen Bundestag.© IMAGO / Sabine Gudath

Auch wenn in diesem Jahr kein neuer Bundestag gewählt wird und nur in drei der 16 Bundesländer Landtagswahlen stattfinden, könnte dieses Jahr richtungsweisend für die Politik der kommenden Jahre werden. Das liegt vor allem an der Stärke der AfD, die in Sachsen, Brandenburg und Thüringen die Chance hat, stärkste Kraft zu werden. Vor allem in Sachsen und Thüringen könnten etablierte Parteien wie die FDP, die SPD oder auch die Grünen sogar ganz aus dem Landtag fliegen – alle liegen nahe an der Fünf-Prozent-Hürde.

Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, hat das Bürgernetzwerk „Ein Prozent“ auch in diesem Jahr wieder Wahlbeobachter aufgerufen, Störungen im Ablauf zu melden. Dafür haben die Köpfe um den Vorsitzenden und Verleger Philip Stein sogar digitale Schulungsprogramme entwickelt, um auch Unerfahrene mit den zahlreichen Vorschriften vertraut zu machen. Denn nicht nur die Wahlkabinen müssen frei von politischer Werbung sein, auch die Kleidung der Wahlhelfer beispielsweise darf keine Botschaften enthalten, die den Wähler in seiner Entscheidung beeinflussen könnten.

Sorgen mit Grund

Insbesondere das Wahldesaster bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin hat für Verunsicherung gesorgt und nicht wenige befürchten ähnliche Fehler oder gar Manipulationen bei den kommenden Wahlen. Die wenigen dokumentierten Fälle von Wahlfälschungen gingen bisher selten über die kommunale Ebene hinaus, aber kaum eine Wahl in der jüngeren deutschen Geschichte hatte eine solche Brisanz. Denn neben Landtags- und Europawahlen finden in vielen anderen Bundesländern auch Kommunalwahlen statt. Wie wichtig die Wahlbeobachtung dabei ist, macht „Ein Prozent“-Geschäftsführer Philip Stein auf der Website des Vereins deutlich: „Wer immer einen Weg gesucht hat, um repressionsfrei und lokal aktiv zu werden, der findet ihn bei der Wahlbeobachtung.“

Das Bürgernetzwerk „Ein Prozent“ mit Sitz in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden wirbt bereits seit 2016 für eine aktivere Beteiligung an Wahlvorgängen. Dabei deckten sie unter anderem bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen massive Verstöße gegen das Wahlrecht auf. Seien es unverschlossene Wahlurnen oder selbstherrliche Wahlvorstände, die Wahlbeobachter aus den Räumen drängen wollten: Die Praxis zeigt, dass Wahlbeobachter nicht nur für Sicherheit an den Urnen sorgen, sondern auch andere Helfer sofort professioneller arbeiten.

Mehr als ein Kreuz auf dem Papier

Dies liegt bislang vor allem an fehlenden Alternativen: Zwar gab es bereits in der Vergangenheit niedrigschwellige Möglichkeiten, Wahlergebnisse und -protokolle zu übermitteln, etwa über die App „Wahlmission“, doch wurden diese weder öffentlichkeitswirksam beworben noch flächendeckend genutzt. Hinzu kommen gravierende Mängel im Wahlrecht, die die Glaubwürdigkeit der Briefwahl, das Wahlgeheimnis und die Stimmenauszählung nachhaltig beschädigen können. Auch hierzu hat „Ein Prozent“ einen Blogbeitrag veröffentlicht, der diese Themen aufgreift und Änderungen fordert.

Ob aus aktivistischem Tatendrang oder aus Misstrauen – die Arbeit als Wahlhelfer oder Wahlbeobachter ist nicht nur ein prestigeträchtiges Ehrenamt, sondern auch eine wichtige Stütze der Demokratie. Die Werbekampagne von „Ein Prozent“ ist in dieser Hinsicht einzigartig, denn anders als die Europäische Union oder die OSZE ruft die Bürgerinitiative dazu auf, auch im eigenen Land ein kritisches Auge zu behalten. Damit treffen sie zumindest nach eigenen Angaben einen Nerv: Vor allem seit den letzten Landtagswahlen sei die Zahl der Interessierten stark gestiegen, berichten die Verantwortlichen auf der eigenen Website. Für die kommenden Wahlen bleibt zu hoffen, dass sich mindestens ebenso viele Menschen melden, um Wahlskandale wie in Berlin zu verhindern.