Wie der Krieg eine kleine ukrainische Elite reich macht
Während Millionen Ukrainer unter dem Krieg leiden, schafft sich eine kleine Elite ein Vermögen. Fünf Unternehmer profitieren massiv von Kriegsaufträgen, internationalen Partnerschaften und dem Wiederaufbau.
Kiew. – Während sich der Krieg in der Ukraine ins vierte Jahr zieht, wird er für eine neue Klasse ukrainischer Unternehmer zur lukrativen Geschäftsgrundlage. Wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtet, stehen dabei fünf Namen exemplarisch für eine neue Elite im Land: Andri Stawnizer, Andri Koboljew, Olexander Hereha, Andri Kolodjuk und Wasil Chmelnizki. Sie sind in den Bereichen Energie, Bauwirtschaft, Finanzen und Logistik tätig und zeigen sich patriotisch, prowestlich und gesellschaftlich engagiert. Die Unternehmer investieren in den Wiederaufbau, liefern Baumaterialien, exportieren Güter und bauen Infrastruktur – stets mit Nähe zur Regierung oder zu internationalen Partnern.
Getreide, Hafenlogistik und Reha-Kliniken
Als russische Truppen seine Villa in Butscha in eine Artilleriestellung verwandelten, ließ Andri Stawnizer das Gebäude gezielt von der ukrainischen Armee zerstören. Der 43-Jährige steht an der Spitze der Trans-Invest-Service-Gruppe, des größten privaten Hafenlogistikunternehmens des Landes, und ist gleichzeitig Österreichs Honorarkonsul in Odessa. Vor Kriegsbeginn wurde sein Vermögen auf 215 Millionen Dollar geschätzt. Stawnizer, den das Magazin Forbes zu den hundert reichsten Menschen der Ukraine zählte, arbeitet nun Hand in Hand mit den Ministerien für Infrastruktur und Gesundheit sowie mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Bei der Umgehung der russischen Seeblockade spielte er eine Schlüsselrolle. In Lwiw eröffnete er die Rehabilitationsklinik „Superhumans“ für verwundete Soldaten. Bei der Eröffnung war auch Olena Selenska, die Frau des Präsidenten, anwesend.
Baumärkte, Korruptionsverdacht und Kriegsaufträge
Der langjährige Abgeordnete Olexander Hereha betreibt mit „Epicentr K” ein Netzwerk aus Baumärkten und Einkaufszentren. Sein Vermögen wird auf bis zu 2,2 Milliarden Dollar geschätzt. Dank für ihn günstig formulierten Ausschreibungen etablierte sich Hereha als wichtiger Lieferant des Staates, berichtet die NZZ weiter.
Andri Kolodjuk ist Vorsitzender der Ukrainischen Vereinigung für Risikokapital und war an der Entwicklung des „Reconstruction Investment Fund USA-Ukraine“ beteiligt. Damit positionierte er sich laut der NZZ als Vermittler im Zentrum eines neuen strategischen Sektors: des Abbaus und der Verarbeitung kritischer Rohstoffe wie Lithium, Titan und Kobalt.
Wasil Chmelnizki, Investor und Gründer der UFuture-Gruppe, investiert in die Bereiche Infrastruktur, Bildung und Gesundheit. Er soll ein Vermögen von schätzungsweise 500 bis 800 Millionen Dollar angehäuft haben. Über seine Organisation K.Fund liefert er humanitäre Hilfsgüter in die Ukraine und organisiert soziale Projekte.
Selenskyjs Drahtseilakt mit den neuen Millionären
Trotz der engen Zusammenarbeit mit den Ministerien ist das Verhältnis zum Präsidentenamt nicht immer harmonisch. Vor allem Andri Koboljew, der ehemalige Chef des staatlichen Gaskonzerns Naftogaz, gilt als potenzieller Konkurrent.
Heute leitet Koboljew das Energieunternehmen Eney, das von der amerikanischen Entwicklungsbank DFC mit 150 Millionen Dollar gefördert wird. Wie seine Mitstreiter hat er sich in der Kriegswirtschaft etabliert – und blickt bereits über diese hinaus: Der Frieden, so hoffen sie, wird noch viel lukrativer sein.