Wer in Afrika nicht zu Herrschenden gehört, sollte besser nicht krank werden
Afrikas Eliten investieren ihr Geld lieber in Auslandsreisen als in funktionierende Gesundheitssysteme. Volker Seitz kritisiert diese Doppelmoral, durch die arme Patienten im Stich gelassen werden und reformfähige Strukturen verhindert werden.
Eine kleine medizinische Klinik in Kenia.
© IMAGO / Pond5 ImagesDer ehemalige nigerianische Präsident Muhammadu Buhari ist am Sonntag, dem 13. Juli, im Alter von 82 Jahren in London gestorben. Buhari war 1984 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen. Zwei Jahre später wurde er jedoch von General Ibrahim Babangida abgesetzt. Später bezeichnete er sich als Demokrat, trat 2015 zu Wahlen an und löste als erster nigerianischer Präsident einen amtierenden Amtsinhaber durch Wahlen ab. Wieder stirbt ein hoher afrikanischer Politiker im Ausland. Warum ist das so?
Afrikanische Eliten lassen Krankenhäuser in ihren Ländern verkommen und qualifizierte Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern verlassen die Länder. Sie werden dann teilweise durch Europäer im Rahmen der Entwicklungshilfe mit hoch dotierten Verträgen ersetzt.
Ein Systemversagen mit Ansage
Wäre es nicht sinnvoller, afrikanisches Gesundheitspersonal aus der Diaspora wenigstens zeitweise für eine Rückkehr in ihr ursprüngliches Heimatland zu gewinnen? Denn europäische Ärzte legen oft westliche Maßstäbe an, wie ich beobachtet habe. Afrikaner, auch wenn sie schon lange in Europa leben, kennen die lokalen Besonderheiten, Werte, Traditionen und Machtstrukturen. In der Entwicklungshilfe wird soziokulturellen Faktoren nicht genug Raum gegeben.
In Ghana gibt es eine geringe Ärztedichte: Nur ein Mediziner kommt auf 10.000 Einwohner, das sind derzeit ca. 3.000 Ärzte. In Großbritannien arbeiten mindestens genauso viele ghanaische Ärzte. In Frankreich arbeiten mehr beninische Ärzte als in Benin selbst. In den USA sind etwa 12.000 Mediziner aus dem subsaharischen Afrika zugelassen. Das sind mehr Ärzte, als es derzeit in den Ländern Äthiopien, Ghana, Liberia, Tansania, Uganda, Sambia, Sierra Leone und Simbabwe zusammen gibt.
Der stille Exodus des medizinischen Personals
37 Prozent der in Südafrika ausgebildeten Ärzte arbeiten in OECD-Ländern. Die Migrationsbewegung des Gesundheitspersonals wird in Zukunft zunehmen, wenn afrikanische Regierungen nicht durch eine bessere Bezahlung (mit speziellen Anreizen für die Arbeit in abgelegenen Gegenden) und eine bessere Ausstattung der Krankenhäuser gegensteuern. Der schmerzliche Aderlass betrifft die meisten Länder Afrikas und ist gefährlich. In allen Ländern, in denen ich gearbeitet habe, gab es zu wenige Krankenhäuser, mangelnde Hygiene, administrative Unzulänglichkeiten, mangelhaft ausgebildetes medizinisches Personal, keine Nothilfestationen, kaum Krankenwagen, medizinische Hilfe nur gegen Vorleistung, teure Medikamente, die oft durch unsachgemäße Aufbewahrung unbrauchbar wurden.
Selbst die größten Krankenhäuser haben nicht immer Strom, fließendes Wasser oder Isolierstationen. Gemein ist vielen Ländern südlich der Sahara, dass Kranke kilometerweit bis zur nächsten Arztpraxis oder zum nächsten Krankenhaus gehen müssen.
Gesundheit nur gegen Geld und Glück
Die Summen, die ein Patient zusätzlich bezahlen muss, um gut behandelt zu werden, können sehr hoch sein. Manche nennen das Korruption, andere machen die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals dafür verantwortlich. Ein leistungsfähiges soziales Sicherungssystem existiert nicht. Krankenversicherungen sind, mit Ausnahme von Ruanda, weitgehend unbekannt oder bestehen nur ansatzweise, wie in Kamerun. Die Gesundheit der Bevölkerung leidet enorm. Viele Menschen sterben an Krankheiten, die problemlos heilbar wären oder durch Vorsorge vermieden werden könnten.
Die Armen sterben, die Mächtigen reisen
Wer in Afrika nicht zu den Herrschenden gehört, sollte besser nicht krank werden. Staatliche Kliniken sind oft in einem erbärmlichen Zustand. Es fehlt überall an einer grundlegenden Gesundheitsversorgung – nicht, weil die Mittel nicht vorhanden sind, sondern weil die Regierenden, ihre Beamten und deren Angehörige sich nicht im eigenen Land behandeln lassen. Genolier Swiss Medical Network (GSMN) in der Schweiz ist seit 1970 für den medizinischen Tourismus afrikanischer Machthaber bekannt. Wer Genolier in Anspruch nimmt, kann darauf vertrauen, dass der Aufenthalt nicht an die Öffentlichkeit gelangt.
In den Haushalten einiger afrikanischer Länder sind sogar eigens Mittel für solche Reisen eingestellt. Das reformiert das eigene Gesundheitswesen natürlich nicht. Wenn die Eliten selbst krank werden, haben sie die Möglichkeit und ziehen es vor, sich in Europa oder den USA behandeln zu lassen. Deshalb sterben auch so viele afrikanische Staatschefs im Ausland.
Zweiklassenmedizin auf Kosten der Öffentlichkeit
Wie eine Studie des afrikanischen Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer ergibt, die in 36 afrikanischen Staaten durchgeführt wurde, hat rund die Hälfte der Menschen keinen oder nur unzureichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung. Den besten Zugang zu ärztlicher Versorgung haben die Menschen in Mauritius, Botswana, Ruanda und Kap Verde. Das dürfte kein Zufall sein, da diese Länder seit vielen Jahren gut regiert werden.