Frankreich ignoriert EGMR-Entscheid und schiebt polizeibekannten Gefährder ab

Die französische Regierung hat zum ersten Mal ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ignoriert und einen usbekischen Staatsbürger mit Verbindungen zu terroristischen Organisationen in sein Heimatland abgeschoben.

/
/
1 Minute Lesezeit
Frankreich ignoriert EGMR-Entscheid und schiebt polizeibekannten Gefährder ab
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hat sich über eine Entscheidung des EGMR hinweggesetzt.© IMAGO / ZUMA Wire

Paris. – Wie die französische Tageszeitung Le Monde am vergangenen Freitag berichtete, hat Frankreich am 14. November einen 39-jährigen Migrant abgeschoben, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen das Innenministerium entschieden hatte, weil ihm bei einer Rückkehr nach Usbekistan Folter drohe. „Das ist ein Wendepunkt“, sagte Lucie Simon, die Anwältin des Betroffenen. „Das Innenministerium verstößt bewusst gegen ein Urteil des Gerichtshofs, das für Frankreich gilt“, fügte sie hinzu.

Darmanin beharrt auf Entscheidung

Der französische Innenminister Gérald Darmanin beharrte auf der Entscheidung seines Ministeriums und betonte, dass der Migrant „der Polizei wegen seiner Verbindungen zur pro-dschihadistischen Bewegung bekannt“ sei und deshalb in sein Herkunftsland zurückgeschickt wurde, nachdem er einige Zeit in einem Gefängnis im Val-de-Marne verbracht hatte.

Darmanin hatte nach dem Terroranschlag in Arras, bei dem ein tschetschenischer Islamist am 13. Oktober den Lehrer Dominique Bernard erstochen hatte, darauf gedrängt, dass die französische Regierung die Abschiebung mutmaßlicher Dschihadisten verstärkt. Darmanins Büro teilte dem französischen Nachrichtensender Mediapart am Freitag mit, es habe die Zahl der Ausweisungen seit dem Attentat im Vergleich zum Rest des Jahres um 30 Prozent erhöht.

In einem Interview mit dem Journal du Dimanche am 22. Oktober sagte Darmanin, die Sicherheit der französischen Bürger habe Vorrang vor den Menschenrechten der mutmaßlichen Dschihadisten. „Ich gehe davon aus, dass wir nicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte warten werden, wenn das Verwaltungsgericht, das Berufungsgericht und der Staatsrat zugunsten des Staates entschieden haben“, sagte er.