Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

Jenseits des Klischees: Wer sich heute dem patriotischen Lager in Wien anschließt

In Wien formiert sich immer stärker eine junge rechte Szene, die sich jenseits bekannter Klischees bewegt. Zwischen burschenschaftlicher Tradition, intellektuellem Protest und politischem Aktivismus entsteht ein vielschichtiges, patriotisches Milieu.

Kommentar von
13.7.2025
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3 Minuten Lesezeit
Jenseits des Klischees: Wer sich heute dem patriotischen Lager in Wien anschließt

Inzwischen ist die patriotische Szene in Wien breit gefächert und hat auch abseits der Burschenschaften einiges zu bieten. (Symbolbild)

© IMAGO / Pond5 Images

Das Bild vom urbanen Studentenleben ist fest in der öffentlichen Wahrnehmung verankert: liberal, progressiv, individualistisch. Doch die Realität in Wien ist komplexer. Gerade in der scheinbar geschlossenen linken Hegemonie der Großstadt finden sich junge Menschen, die sich bewusst davon abgrenzen – aus unterschiedlichen Gründen. Sie streben nach Identität, Ordnung, geistiger Tiefe oder schlicht nach Zugehörigkeit. Dabei schließen sie sich verschiedenen patriotischen Gruppen an, die von parteinahen Jugendorganisationen bis hin zu kulturpolitisch orientierten Zirkeln reichen. Wer sind diese jungen Rechten? Was treibt sie an? Und worin unterscheiden sich ihre sozialen Milieus?

Die Desillusionierten vom Land

Ein wiederkehrendes Muster: Junge Männer, teils auch Frauen, die aus ländlichen Regionen nach Wien zum Studieren kommen, erleben einen Kulturschock. Nicht selten prallt ihre konservativ geprägte Sozialisation auf eine urbane Umgebung, in der nicht nur Sprache und Umgangsformen fremd erscheinen, sondern auch die politische Kultur. Diese Entfremdung erzeugt Widerstand – nicht selten mündet sie in politischem Engagement.

Für viele dieser Studenten bietet eine burschenschaftliche Verbindung den vertrauteren sozialen Raum. Dort treffen sie auf Werte wie Heimatverbundenheit, Männlichkeit und Ordnung – oft in ritualisierter, historisch aufgeladener Form. Hier wird ihnen nicht nur Gemeinschaft geboten, sondern auch Orientierung in einem Milieu, das sich von der anonymen Universitätskultur deutlich abhebt.

Die Entwurzelten aus der Stadt

Paradoxerweise sind es nicht nur Landkinder, die in rechten Strukturen ihre politische Heimat finden. Auch viele in der Stadt sozialisierte junge Erwachsene, vor allem aus dem bildungsbürgerlichen Milieu, fühlen sich zunehmend von der ideologisierten Sprache und Gleichförmigkeit der urbanen Linkskultur abgestoßen. Ihre Kritik ist weniger emotional, oft philosophischer oder metapolitischer Natur.

In diesen Fällen finden sich viele bei Organisationen wie der „Aktion 451“ oder der Identitären Bewegung (IB) wieder. Beide Gruppen bieten einen intellektuell aufgeladenen Raum für systemkritisches Denken, verbunden mit dem Anspruch, gesellschaftliche Gegenmodelle zu formulieren. Der Reiz liegt in der Kombination aus kulturellem Protest, ästhetischer Abgrenzung und der Suche nach geistiger Tiefe – nicht selten verbunden mit einem Hang zur symbolhaften Rebellion.

Zwischen Bewegung und Beharrlichkeit: Wer wo andockt

Strukturen wie der Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) oder der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) sprechen vor allem jene an, die einen klaren politischen Karriereweg anstreben. Hier geht es weniger um kulturelle Fragen als um politische Organisation und Kampagnenfähigkeit. Besonders der RFJ in Wien fällt durch eine aggressive und jugendnahe Ansprache auf, die von provokanten Social-Media-Kampagnen bis hin zu lokaler Vernetzungsarbeit reicht.

Zwischen Aktionismus und Lebensstil 

Die Aktion 451 bildet das intellektuelle Gegenstück zur parteinahen Jugendpolitik. Geprägt von Lesekreisen, Literaturseminaren und einer an der französischen Neuen Rechten orientierten Theoriearbeit, zieht sie vor allem Studenten an, die metapolitische Fragen verhandeln möchten. Der überdurchschnittlich hohe Frauenanteil legt nahe, dass es hier nicht um vordergründige Provokation, sondern um geistige Positionierung geht.

Die IB verkörpert den Versuch, Theorie und Aktion zu vereinen. Ihre Mitglieder rekrutieren sich aus verschiedenen Milieus: teils aus rechten Subkulturen, teils aus akademisch gebildeten Intellektuellen. Der gemeinsame Nenner: ein erklärter Wille zur sichtbaren Rebellion gegen die herrschende Ordnung. Die IB funktioniert nicht nur als Protestbewegung, sondern auch als Lebensstilangebot – visuell codiert, medienwirksam, risikobereit.

Wer sich weniger für politische Kampagnen, dafür aber umso mehr für lebensweltliche Kontinuität interessiert, findet in den Burschenschaften ein kulturelles Zuhause. Der Eintritt in diese konservativen Männerbünde (in Wien fast ausschließlich männlich) ist selten spontan, sondern Ausdruck einer tiefgehenden sozialen Selbstverortung.

Hier steht nicht der politische Aktionismus im Vordergrund, sondern die Pflege einer elitären Gemeinschaft. Dazu gehören Mensuren, Couleur, geschichtspolitische Feiern, aber auch karrierefördernde Netzwerke. Für viele ist die Burschenschaft ein Gegenmodell zur entgrenzten Moderne – ein Rückzugsort, aber auch ein Traditionsspeicher.

Fazit: Vielfalt statt Einfalt im patriotischen Lager

Das patriotische Milieu in Wien ist weit vielfältiger als gemeinhin angenommen. Es reicht vom parteinahen Aktivisten über den urbanen Dissidenten bis hin zum traditionsbewussten Turnvereinsmitglied. Allen gemein ist die Ablehnung des herrschenden kulturellen Mainstreams – doch die Wege, mit dieser Ablehnung umzugehen, unterscheiden sich fundamental. Es gibt keine „rechte Jugend“, sondern eine Vielzahl junger Menschen, die aus unterschiedlichen biografischen und sozialen Gründen zu einem patriotischen Weltbild gelangen. Ihre Organisationen spiegeln diese Unterschiede wider – als politische Plattform, als intellektuelle Gegenkultur oder als gelebte Tradition.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Christoph Albert

Christoph Albert, Jahrgang 2003, ist Student aus Wien.

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