Warum Fratzscher mit seiner Studie zur Sozialpolitik der AfD falsch liegt

Die AfD sei unsozial und ihre bisherigen Wähler würden von ihrer Politik nicht wirklich profitieren, schreibt DIW-Chef Marcel Fratzscher in einer aktuellen Studie. Warum diese Behauptung so nicht stimmt, erklärt Bruno Wolters in seinem Kommentar für FREILICH.

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24.8.2023
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4 Minuten Lesezeit
Warum Fratzscher mit seiner Studie zur Sozialpolitik der AfD falsch liegt
Marcel Fratzscher ist Chef des DIW, des größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts.© IMAGO / Klaus W. Schmidt & Sven Simon

Aktuell erhitzt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die Gemüter. Selbst das CDU-Wahlkampfmagazin Nius hat inzwischen darüber berichtet. So schreibt Jan David Sutthoff, Chefredakteur des Reichelt-Magazins, mit süffisantem Unterton: „Wenn nun auch noch die Rechte von Mietern massiv beschränkt und die Rechte vermögender Vermieter im gleichen Maße gestärkt werden, entsteht ein Ungleichgewicht, das auch die überzeugtesten AfD-Anhänger nachdenklich machen müsste.“ Dass dieser Satz aus einer CDU-nahen Plattform heuchlerisch klingt, liegt auf der Hand. Eine einfache Frage genügt: Wer hat die heutige wirtschaftliche Situation und das soziale Ungleichgewicht überhaupt erst ermöglicht? Es waren die mehr als 50 Jahre, in denen die CDU regierte.

Doch zurück zur DIW-Studie. Der Tenor ist klar: Die AfD sei unsozial und ihre bisherigen Wähler würden von ihrer Politik nicht wirklich profitieren. Aber ist es wirklich so einfach, wie uns das Institut glauben machen will? Zunächst ein paar Informationen zu den Autoren der sogenannten Studie. Das DIW und sein Chef Marcel Fratzscher werden von Beobachtern eher als links beziehungsweise sozialdemokratisch eingestuft. Das ist insofern wichtig zu wissen, weil jeder Akteur im politischen Raum unbewusst seine eigene Meinung einfließen lässt – auch in der Wissenschaft. Fratzscher demonstriert dies in der Studie par excellence, wie weiter unten gezeigt wird.

Die Wählerschaft der AfD ist heterogen

Kommen wir zum ersten Punkt. Fratzscher vereinfacht die AfD-Wähler für seine Studie fahrlässig. Er beschreibt sie grob als männlich und aus strukturschwachen Regionen stammend. Das Einkommen sei eher niedrig. Es gebe viele Arbeitslose und Arbeiter. Sprich: das Prekariat. Wie Daniel Fiß vom Feldzug-Blog schon mehrfach gezeigt hat, ist die Wählerschaft der AfD im wahrsten Sinne des Wortes bunt gemischt. Es sind vor allem Leistungsträger im besten Alter, die nach Studium und Ausbildung merken, wie wenig vom Brutto übrig bleibt. Und nicht nur diese, sondern auch eher gut verdienende Wähler finden sich inzwischen bei der AfD. Ein Indiz mag dies verdeutlichen: So trauen die Demoskopen der AfD inzwischen sogar Direktmandate in Baden-Württemberg zu – die AfD breitet sich von Ost nach West aus.

Zudem unterlaufen Fratzscher einige Kategorienfehler. So vermischt er einfach gesellschafts- und innenpolitische Themen mit wirtschafts- und finanzpolitischen Themen. Interessant wird es, wenn er daraus vermeintlich unsoziale Politik ableitet. So bezeichnet er die Forderungen der AfD, beispielsweise islamistische Lobbyverbände aus der Politik zu drängen oder die LGBT-Ideologie nicht weiter um sich greifen zu lassen, als unsozial. Das ist abenteuerlich argumentiert. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Indem die AfD konservative Gesellschaftspolitik macht und zum Beispiel die traditionelle Familie stärken will, macht sie echte soziale Politik, weil sie die Familie aus dem Markt herausnimmt und vor dem ungezügelten Kapitalismus schützt. Wer aber gegen das Wahlalter von 16 ist, ist nicht unsozial.

Falsche Schlüsse

Kommen wir zum Kernpunkt, den finanz- und wirtschaftspolitischen Forderungen der AfD, die Fratzscher als neoliberal und unsozial bezeichnet. Doch zunächst soll Fratzschers Wirtschaftsverständnis kurz skizziert werden: Für ihn kann dem Prekariat nur durch Umverteilung geholfen werden. Steuersenkungen bedeuten für den Ökonomen automatisch unsoziale oder neoliberale Politik. Das ist sehr eindimensional, um nicht zu sagen schlicht falsch. Fratzscher argumentiert in diesem Sinne also weiter: Die AfD wolle Spitzenverdiener entlasten, den Sozialstaat abschaffen und die Sozialsysteme kürzen. Das Gegenteil ist der Fall. Das auf dem Parteitag in Kalkar beschlossene sozialpolitische Konzept macht deutlich, wie die AfD Sozialpolitik versteht.

Die AfD steht zur sozialen Marktwirtschaft und will nicht durch pauschale Umverteilung alle besser stellen, sondern den Kuchen größer machen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland neben Belgien zu den Ländern mit der höchsten Steuerbelastung gehört. Die Idee der AfD und der sozialen Marktwirtschaft ist es, den Bürgern die besten Chancen zu geben, sich selbst zu helfen, indem sie selbst Unternehmen gründen, Arbeitsplätze schaffen und Erfolg haben. Eines ist klar: Mit hohen Steuern und langsamer Bürokratie geht das nicht. Nicht der Staat soll für alles und jeden sorgen, sondern die Bürger selbst. Mit klugen Steuersenkungen und einem Stopp der Geldverteilung an Zuwanderer und so genannte Flüchtlinge würde der Haushalt und der Bürger wieder viel mehr Spielraum bekommen.

Eine Pro-EU-Politik ist nicht automatisch sozial

Die Argumente von Fratzscher, dass die Klima- und Europapolitik der AfD ihren Wählern schaden würde – nun ja. Dazu gibt es nichts mehr zu sagen. Die EU profitiert von Deutschland, nicht umgekehrt. Und noch einmal die Frage: Wie sozial ist Deindustrialisierung im Sinne des Klimaschutzes? Nach Fratzschers Logik würde Deutschland sozialer, wenn mehr Menschen arbeitslos würden und Bürgergeld bekämen. Für einen Linken mag das Sinn machen, für einen Rechten nicht. Umverteilung allein kann nicht das Ziel rechter Sozialpolitik sein, ebenso ist der Grad der Umverteilung nur ein schlechter Gradmesser dafür, wie sozial eine Politik und ein Staat wirklich sind.

Zusammengefasst: Die Studie geht von falschen Annahmen über die AfD-Wähler und die Sozialpolitik der AfD aus. Es werden Forderungen aus der Innenpolitik genommen, um die AfD als unsozial zu bezeichnen. Fratzscher geht es darum, die AfD zu diffamieren. Das ist der Sinn der Studie – wenn man das vorliegende Papier überhaupt als Studie bezeichnen will. Denn eines ist jedenfalls sicher: Besonders wissenschaftlich kann es nicht sein – der Autor hat alle seine Sätze brav widerlegt. Mit anderen Worten: Es ist kein gutes Zeugnis für die Mainstreamökonomie, dass so etwas heute veröffentlicht wird.


Zur Person:

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Im Sommer 2020 war er Mitgründer des konservativen Onlinemagazins konflikt. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei FREILICH. Seine Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

Twitter: https://twitter.com/Bruno_Wolters

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