Vom Berliner Scheitern zum Hamburger Durchmarsch – Klimareligion und Kulturkampf in der Postdemokratie
Der Hamburger Zukunftsentscheid ist ein Lehrstück grüner Machtpolitik. Frank-Christian Hansel analysiert, wie die Klimabewegung den demokratischen Prozess in ein moralisches Ritual verwandelt hat.
Ein Plakat vom Hamburger Zukunftsentscheid, über den zuletzt abgestimmt wurde.
© IMAGO / Hanno BodeDer Hamburger Zukunftsentscheid markiert eine neue Stufe der grünen Machterweiterung. Was in Berlin 2023 noch scheiterte, ist nun gelungen: eine moralisch überhöhte Umgestaltung einer ganzen Stadt, demokratisch verbrämt, aber politisch gelenkt. Mit der Parole der „Zukunft“ und der Rhetorik des Gewissens hat sich die Klimabewegung einen Weg geschaffen, politische Ziele in Gesetzesform zu gießen – ohne parlamentarische Mehrheiten, aber mit moralischem Druck.
Berlin als Testlauf der Klimabewegung
Der Berliner Volksentscheid „Klimaneutral 2030“ war der erste Versuch, die repräsentative Demokratie in ein moralisches Bekenntnisritual zu verwandeln. Die Aktivisten wollten die gesetzlich verankerte Klimaneutralität von 2045 auf 2030 vorziehen – eine faktische Selbstverpflichtung zum ökonomischen Selbstmord. Doch die Berliner verweigerten die Gefolgschaft: Das Quorum wurde verfehlt, das Projekt scheiterte. Nicht, weil die Idee unpopulär war, sondern weil die Menschen instinktiv spürten, dass hier eine Minderheit die Mehrheit moralisch überrennen wollte. Berlin war das Labor des Scheiterns – und die Bewegung hat gelernt.
Hamburg als strategischer Durchbruch
In Hamburg wurde der Versuch wiederholt – aber klüger inszeniert. Das Ziel wurde entschärft (2040 statt 2030), die Fassade verbreitert (Gewerkschaften, Sportvereine, Kirchen), die Sprache entgiftet („Zukunft“ statt „Notstand“). So entstand eine gesellschaftlich scheinbar breite Allianz, die in Wahrheit ein Bündnis des moralischen Establishments war. Mit 53,1 Prozent Zustimmung wurde die Klimaneutralität zur Zwangsverordnung: Heizungen müssen getauscht, Gasnetze stillgelegt, Straßen beruhigt, Betriebe umgerüstet werden – koste es, was es wolle. Ein Volksentscheid als trojanisches Pferd der ökologischen Planwirtschaft.
Grüne Postdemokratie
Was sich hier zeigt, ist kein Aufbruch der Demokratie, sondern ihre Simulation. Die Form bleibt demokratisch – doch der Inhalt wird moralisch vorgegeben. Eine orchestrierte Minderheit inszeniert sich als Mehrheit, die Bürger dürfen zustimmen, aber nicht entscheiden. So verwandelt sich die Demokratie in ein moralisches Ritual, und der Staat wird zum Vollstrecker einer neuen Zivilreligion: der Klimareligion.
Diese Religion hat ihre Dogmen (CO₂ als Erbsünde), ihre Priester (Aktivisten, Experten, Journalisten) und ihre Rituale (Verzicht, Buße, Umerziehung). Sie duldet keinen Widerspruch – und sie heiligt jede Maßnahme, solange sie im Namen des „Planeten“ erfolgt. Das Ziel ist nicht Umweltschutz, sondern die Disziplinierung der Gesellschaft. Der Klimadiskurs dient als autoritärer Hebel zur grünen Schrumpfung á la Ulrike Herrmann.
Der Kulturkampf um die Freiheit
Die Rückabwicklung dieser Klimareligion ist kein Randthema, sondern der Kern des gegenwärtigen Kulturkampfes. Wer Freiheit verteidigen will, muss diesen Kampf bewusst führen – gegen die Überhöhung des Politischen zum Moralischen im Sinne linker Gewissensethik und gegen den Totalitätsanspruch einer Ideologie, die sich als Wissenschaft tarnt. Es genügt nicht, auf die immensen Kosten der Wärmewende oder die Illusion der E-Fuels oder unrealistischer Wasserstofflösungen hinzuweisen.
Der eigentliche Konflikt verläuft tiefer: zwischen Realität und Ideologie, zwischen Vernunft und Moral, zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik, zwischen Freiheit und Zwang. Nicht derjenige, der CO₂ reduziert, sondern derjenige, der Freiheit bewahrt, handelt fortschrittlich.
Wenn die Hamburg-Strategie Schule macht, wird die Republik Schritt für Schritt moralisch umgebaut – unter dem Beifall derer, die den Umbau bezahlen. Die Rückeroberung der Vernunft gegen die Klimareligion ist damit eine kulturpolitische Überlebensfrage. Und sie wird – realistisch betrachtet – nur mit einer politischen Kraft zu führen sein, die bereit ist, diesen Konflikt offen auszutragen: mit der AfD.