Streit um Familienpolitik: Das sagen Familienpolitiker der AfD zu möglichen Änderungen
Aktuell sorgen Berichte über eine mögliche Änderung des Wahlprogramms der AfD in Bezug auf Passagen zum traditionellen Familienbild und zum Lebensschutz für große Aufregung und dürften auch innerhalb der Partei für Diskussionsstoff sorgen. Einige Vertreter haben sich nun dazu geäußert.
Die Berichterstattung über mögliche Änderungen im Wahlprogramm der AfD sorgt aktuell für kontroverse Diskussionen. Besonders Passagen aus einem Zeit-Artikel, in dem ein Vorstandsmitglied zur Abkehr von konservativen Positionen in Familienpolitik und Lebensschutz zitiert wird, sorgten für Aufregung. Laut dem Bericht soll ein Vorstandsmitglied nämlich gesagt haben: „Wir sollten nicht die Partei sein, die die Frau hinter dem Herd haben will“. Wie Corrigenda berichtet, geht aus dem Zeit-Bericht, der hinter einer Bezahlschranke steht, weiter hervor, dass auch der Glaubensgrundsatz der AfD, die Familie bestehe aus Vater, Mutter, Kindern, aufgegeben werden soll.
Lebensschutz: Abschwächung der Positionen?
Auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch zeichnen sich Änderungen ab: „So soll etwa Schwangerschaftsabbruch im Wahlprogramm nicht mehr verteufelt werden. Die Forderungen parteiinterner sogenannter Lebensschützer, die Beratung zu verstärken und den Müttern Bilder der Föten vorzuhalten, setzte sich in der internen Programmdiskussion nicht durch“, heißt es in dem Zeit-Artikel weiter.
Ein Mitglied der Programmkommission bestätigte gegenüber Corrigenda, dass die Forderungen nach verpflichtenden Maßnahmen gestrichen wurden. Solche Maßnahmen passten nicht zu einer freiheitlichen Partei, wie die AfD es sei, hieß es. Dennoch betone man weiterhin den Wert ungeborenen Lebens und fordere mehr Hilfe für ungewollt Schwangere. Ein anderes Kommissionsmitglied sieht in den Anpassungen primär kosmetische Änderungen: „Es ist ein Wettstreit zwischen Pragmatisten und Idealisten.“
Familienbild: Anpassungen für breitere Wählerschaft
Die Diskussionen über das traditionelle Familienbild wurden Berichten zufolge von Co-Parteichef Tino Chrupalla angestoßen. Er argumentierte, dass die Betonung dieses Konzepts mögliche Wahlchancen der Kanzlerkandidatin Alice Weidel beeinträchtigen könnte. Weidel lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und zieht gemeinsam mit ihrer Partnerin zwei Kinder groß. Laut einem weiteren Mitglied der Programmkommission seien Begriffe wie „traditionelle Familie“ zwar weiterhin Teil des Wahlprogramms, doch die Formulierung „bestehend aus Vater, Mutter und Kindern“ wurde gestrichen, um Alleinerziehende besser anzusprechen.
Mitglieder betonen jedoch, dass diese Änderungen nur das Wahlprogramm betreffen und nicht das Grundsatzprogramm der Partei. Dort fordere die AfD weiterhin eine „Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene.“ Das bestätigten auf FREILICH-Anfrage auch mehrere AfD-Abgeordnete. Zacharias Schalley, familienpolitischer Sprecher der AfD Nordrhein-Westfalen, erklärte, dass die familienpolitische Ausrichtung der AfD trotz der Streichung der Formulierung zum klassischen Familienbild unverändert bleibe. „Das Familienbild der AfD ist ein konservatives“, betonte er und unterstrich, dass sich die Fraktion für eine „Willkommenskultur“ für Neugeborene einsetze.
AfD-Vertreter: Familie als Keimzelle der Gesellschaft
Auch Gordon Köhler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, stellte klar, dass das Leitbild der klassischen Familie weiterhin zentral bleibe: „Die AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt hält selbstverständlich am Leitbild der Vater-Mutter-Kind-Familie fest, deren Schutz und Unterstützung Ziel familienpolitischen Handelns sein muss“. Man sei sich der besonderen Bedeutung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft bewusst. Ebenso wie der Tatsache, dass nur aus der Verbindung von Mann und Frau Kinder als Träger der Zukunft hervorgehen könnten. „Nichtsdestotrotz erkennen wir an, dass aus unterschiedlichen Gründen davon abweichende Modelle zur Realität in unserer Gesellschaft gehören“, so Köhler.
„Ohne die klassische Familie in ihrer Bedeutung herabzuwürdigen, kann sich jeder, der sich dafür entscheidet Kinder zu bekommen und diese groß zu ziehen, unserer Unterstützung gewiss sein.“ Das Wohl der Kinder müsse im Mittelpunkt stehen. Nichts liege ihnen aber ferner, „als die für die Entwicklung von Kindern erwiesenermaßen beste Voraussetzung, nämlich das Aufwachsen mit Vater und Mutter, in irgendeiner Weise zu untergraben“, so Köhler. „Gesellschaftspolitisch ist eine Rückbesinnung auf die traditionelle Familie daher zu begrüßen. Eine Verklärung von alternativen Familienmodellen, wie sie gerne von der 'woken' Politik betrieben wird, lehnen wir hingegen ab“.
Das Leitbild der Familie, klar definiert mit Vater, Mutter, Kind, müsse „normal“ bleiben. „Es gibt nichts Normaleres als die Familie bestehend aus Vater, Mutter und Kindern“, so Köhler. Hier gelte das Sprichwort „Ausnahmen bestätigen die Regel“. „Gerade der Versuch, die Ausnahmen künstlich zur Regel, also zum 'Normalen' zu erheben, bestätigt das ja.“ Diesen Versuchen erteile man eine klare Absage.
„Idealbild muss geschützt werden“
Die AfD-Fraktion in Hamburg betonte ebenfalls, dass die klassische Familie im Mittelpunkt ihrer sozialpolitischen Maßnahmen stehe: „Die AfD-Fraktion betrachtet das traditionelle Familienmodell, in dem die klassische Familie aus Vater, Mutter und Kindern im Mittelpunkt steht, als ein gesellschaftliches Ideal, das gefördert und geschützt werden soll“, erklärte der Sprecher für Soziales, Arbeit und Integration, Marco Schulz. Alternative Lebensentwürfe würden dadurch weder diskriminiert noch werde ihnen die Existenzberechtigung abgesprochen. Gleichzeitig orientiere sich die Fraktion an den programmatischen Grundsätzen der Alternative für Deutschland. „Sollte es zu Änderungen in der Programmatik kommen, werden wir diese im Rahmen unserer parlamentarischen Arbeit respektieren und nicht aktiv widersprechen“, so Schulz.
Auch die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg stehe hinter dem traditionellen Familienbild Vater-Mutter-Kind. Unverändert heiße es im AfD-Grundsatzprogramm: „Vätern und Müttern, die Kinder großziehen gehört die höchste Aufmerksamkeit und Unterstützung der Gesellschaft“. Dazu wolle die Partei eine „Willkommenskultur“ für Kinder entwickeln, „ganz unabhängig davon, ob es sich um die klassische und vorherrschende Vater-Mutter-Kind- Familie, um Patchwork-Familien oder Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften handelt“. Eine strukturelle Veränderung der Ausrichtung sei nicht zu erkennen. „Inwieweit die von der Parteispitze vorgeschlagenen Neuformulierungen einiger familienpolitischer Aspekte Eingang in das Bundestagwahlprogramm finden, werden die Mitglieder der AfD entscheiden“. Niemand solle aber glauben, „dass die Alternative für Deutschland im laufenden Wahlkampf ihren Markenkern – und dazu gehört ihr Familienbild – aufgibt, in der Hoffnung auf ein paar Stimmen an der Wahlurne mehr“, hieß es aus Baden-Württemberg.
Vertreter würden Abkehr nicht mittragen
Die Berichte über eine mögliche Streichung der Passage zum Familienbild haben unterdessen noch nicht alle AfD-Abgeordneten erreicht. Der Fachsprecher für Familienpolitik und Gleichstellung in Thüringen, Stephan Steinbrück, erklärte, ihm sei nichts dergleichen bekannt. Auch die familienpolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Petra Federau, hat keine Kenntnis von möglichen abweichenden Formulierungen. Die Fraktion sehe auch nicht, dass eine Streichung beabsichtigt sei, erklärte sie. Dennoch wollte auch sie betonen, dass die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, die Keimzelle der Gesellschaft sei und dieses Bild auch das „normale“ Familienbild bleiben müsse.
In Brandenburg habe es wegen der Behandlung anderer Anträge noch keine Diskussion über das Bundestagswahlprogramm gegeben, erklärte die AfD-Landtagsabgeordnete Birgit Bessin gegenüber FREILICH. Sie gehe aber davon aus, dass über einen Änderungsantrag auf dem Programmparteitag über die Formulierung abgestimmt und dann klargestellt werde, „dass sich an der familienpolitischen Ausrichtung nichts geändert hat und nichts ändern wird“. Eine Abkehr von der Position, „dass die Förderung der traditionellen, Nachwuchs hervorbringenden Familien von großer Wichtigkeit ist, kann ich mir angesichts dessen, dass wir die Familie als Rückgrat der Gesellschaft und als wichtigsten Bezugspunkt ansehen, nur schwerlich vorstellen“, so Bessin. Sie würde dies auch nicht unterstützen, erklärte sie. Bessin betonte aber, dass die Förderung des politischen Leitbildes der traditionellen Familie aus Vater, Mutter und Kindern nicht bedeute, andere Lebensmodelle zu diskriminieren oder auszugrenzen: „Es soll jeder die Lebensweise für sich finden, mit der er oder sie glücklich wird“.
Entscheidung im Januar 2025
Der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete, Franz Schmid, betonte gegenüber FREILICH, er sei sich sicher, dass der AfD-Bundesparteitag „eine Aufweichung des Familienbegriffs ablehnen“ werde. „Dafür trete auch ich in aller gebotener sachlicher Härte ein“, so Schmid. „Die Familie als Vater, Mutter, Kinder ist das Ideal, das unter dem besonderen Schutz des Grundgesetztes steht“. Dieses Ideal entspreche auch der christlich-abendländischen Tradition. „Linkswoke Experimente, unter Familie alles zu verstehen, was irgendwie zusammenlebt, lehne ich ab“, betont Schmid und erklärte, es müsse wieder Grenzen geben. „Niemand hat etwas gegen sexuelle abnorme Orientierungen. Keiner kann in der Regel etwas dafür, dass er sein Kind allein aufziehen muss“. Im Gegenteil: Hier bedürfe es der staatlichen Hilfe. Die Familie aus Vater, Mutter, Kind sei aber normal und bleibe auch das Leitbild, das man anstrebe. Abtreibungen hingegen seien „keine normale Sache“. Man brauchen eine „Willkommenskultur“ für Neugeborene. „Jede nur minimale Abweichung von diesem Grundsatz der AfD wird keinen Einzug in unser Wahlprogramm finden“, so Schmid.
Der weitere Verlauf beziehungsweise das Ergebnis der Debatte ist allerdings noch offen. Bis Mitte Januar können die Mitglieder Änderungsanträge zum Wahlprogramm einreichen. Über diese wird auf dem Parteitag im Januar 2025 abgestimmt. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Formulierung zur Familie erneut zur Debatte stehen wird.