Freilich #36: Ausgebremst!

Historische Doppelmoral? Warum die deutsche Rechte Polens Geschichtspolitik kritisieren muss

Die deutsch-polnische Debatte über historische Schuld und Verantwortung reißt nicht ab. Dominik Kaufner kritisiert die einseitige polnische Erinnerungspolitik und fordert eine ehrliche Auseinandersetzung auf Augenhöhe.

Kommentar von
7.11.2025
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4 Minuten Lesezeit
Historische Doppelmoral? Warum die deutsche Rechte Polens Geschichtspolitik kritisieren muss

Der AfD-Politiker Dominik Kaufner will das deutsch-polnische Verhältnis von „liebgewonnenen Geschichtsmythen“ befreien und das beiderseitige Verhältnis damit auf Augenhöhe neu definieren.

© IMAGO / Jürgen Heinrich

Die stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Polen in Deutschland e.V., Anna Wawrzyszko, hat jüngst in einem Beitrag für das FREILICH-Magazin meine Antwort an den polnischen Abgeordneten Krzysztof Bosak scharf kritisiert. 

Im Bund der Polen in Deutschland schätze man die offene Debatte über die deutsch-polnische Geschichte und begrüße jede ehrliche Diskussion über unsere gemeinsame Vergangenheit, betont sie – gleichwohl spricht sie im Hinblick auf meine Darstellung der Politik der ethnischen Säuberungen und militärischen Aggressionen Polens in der Zwischenkriegszeit von „abenteuerlichen geschichtspolitischen Thesen“. Dass hier eine ehrliche Diskussion gemeint oder gewünscht ist, muss daher bezweifelt werden. Denn über die Interpretation historischer Ereignisse kann und sollte man freilich diskutieren – wenn ob ihrer Faktizität hingegen bereits kein Konsens besteht, wird die Auseinandersetzung schwerfällig.

Zwischen Opferrolle und Selbstgerechtigkeit

Viel mehr deutet sich auch bei Frau Wawrzyszko eine defensive Position an, die bereits nationalchauvinistische Positionen als wertneutrale Grundlage annimmt. Sie verrät uns nämlich einleitend, welche Vorstellungen sie von der Diskussion über die deutsch-polnische Geschichte hat: Als Vorbild nennt sie ausgerechnet die Ausführungen des polnischen Historikers Andrzej Nowak jüngst im Bundestag, der dort allen Ernstes die steile These aufstellte, dass Polen in der deutschen Erinnerungskultur zu wenig als Opfer anerkannt sei, der kritisierte, dass für die deutschen Kriegsverbrechen in Polen oft nicht der Begriff „Völkermord“ verwendet werde – ein Begriff, den Frau Wawrzyszko wohlgemerkt für die ethnischen Säuberungen gegen Deutsche nicht hören möchte – und der gleich noch eine Reihe an politischen Forderungen für seine Gastgeber im Gepäck hatte.

Kaum weniger anmaßend ist es, dass Frau Wawrzyszko meine angebliche „Unkenntnis der deutsch-polnischen Geschichte“ und „völlige Verdrehung von Ursache und Wirkung“ mit einer festen Verankerung der deutsch-polnischen Geschichte im deutschen Schulwesen künftig verhindern will. Ihr schwebt dabei offenbar eine Geschichtsklitterung wie in polnischen Schulen vor, die vermutlich ein wesentlicher Grund dafür ist, dass viele Polen gerne von ihrer Rolle als Opfer sprechen, aber von ihrer Rolle als Täter nichts wissen und auch nichts hören wollen.

Geschichtspolitik als Machtinstrument

Hier liegt denn auch der Kern meiner Kritik an den Äußerungen des Herrn Bosak. Sie sind gedacht als moralische Erpressung und stellen eine Entkontextualisierung von Gewalt in einem geschichtlichen Moment dar, der auf tragischste Weise die deutsche und polnische Nation im Negativen miteinander verband. Zweifelsohne haben die Polen aufgrund ihrer militärischen Niederlage im Jahre 1939 bis zum Ende des Weltkrieges unter Besatzung großes Leid erfahren (im Übrigen auch unter sowjetischer Besatzung), aber dies ändert nichts an den Taten des polnischen Regimes der Zwischenkriegszeit, dessen innenpolitische Unterdrückung gerade der deutschen Minderheit und einer am Ende gescheiterten, überheblichen Außenpolitik ein Grund für den Ausbruch des Weltkriegs lieferten. Dies weiß Herr Bosak, wie die meisten Polen, leider komplett auszublenden und die Geschichte des 20. Jahrhunderts auf deutsche Aggression zu reduzieren – und Polens Rolle als reines Opfer, ohne politische und ethische Verfehlungen. Eine Methode, die über viele Jahre hervorragend funktionierte und ohne die die regelmäßigen Forderungen nach Reparationen undenkbar sind.

Die hier angestoßene erinnerungspolitische Debatte steht dann auch am Ende einer langen Reihe von Entgleisungen, die sich polnische Politiker jüngst geleistet haben: Der Deutsche als ewiger Feind, mit dem nur Verräter oder Idioten befreundet sein könnten, der Nachbar, dessen Nationalfarben man öffentlich als Dartscheibe missbraucht und die Äußerungen offizieller Stellen im Zusammenhang mit Nord Stream II sind nur eine aktuelle Auswahl der Dreistigkeiten, die in Deutschland meist unwidersprochen bleiben.

Zwischen Fakten und Mythen

In der Vergangenheit wurde der Muttersprachenunterricht der deutschen Minderheit in Polen als Druckmittel gegen Deutschland genutzt, um Sonderrechte für die in Deutschland lebenden Polen zu erzwingen, wie sie keine andere Migrantengruppe hier besitzt. Die Förderung der polnischen Sprache in Deutschland, wie sie auch Frau Wawrzyszko fordert, ist aber eben nicht dasselbe. Polen hat nach dem Zweiten Weltkrieg ein Viertel des deutschen Staatsgebietes erhalten und die Einwohner gemeinsam mit der Roten Armee vertrieben oder ermordet. Es ist das Mindeste, dass die wenigen Deutschen, die diese Zeit überlebt haben, einen Minderheitenstatus genießen, den die in den letzten Jahren im Zuge der europäischen Freizügigkeit zugewanderten Polen in Deutschland eben nicht in Anspruch nehmen können – wo kommen wir hin, wenn künftig alle Zuwanderer darauf bestünden, hier Unterricht in ihrer Muttersprache zu erhalten?

Für ein selbstbewusstes Deutschland

Mir geht es nicht darum, das deutsch-polnische Verhältnis zu belasten, sondern es zu befreien – nämlich von liebgewonnenen Geschichtsmythen – und das beiderseitige Verhältnis damit auf Augenhöhe neu zu definieren. Das ist für viele Polen ungewohnt, schließlich kennen sie nur die Kniefall-BRD mit ihrem Überfall-Narrativ – das übrigens die USA ihrem Vasallen verordnet haben. Es muss uns klar sein: Wer sich ständig selbst erniedrigt, der wird auch nicht ernst genommen.

So waren meine Zuschreibungen „pseudo-konservativ“ und „pseudo-rechts“ auch nicht konkret auf Bosak gerichtet, wie Frau Wawrzyszko es verstand, sondern auf Politiker aus den Reihen von PiS und Konfederacja, denen ihre nationalen Chauvinismen des 20. Jahrhunderts wichtiger sind als der Kampf um Europa als Heimat der Europäer.

Wir müssen uns ehrlich machen: Die antideutschen Reflexe der polnischen Politik sind keine Kleinigkeit und das einseitige Selbstverständnis als Opfer der Geschichte vergiftet die deutsch-polnischen Beziehungen und verhindert eine gemeinsame Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, es irritiert zudem auch andere europäische Rechte, deren Länder zwar nicht so im Fokus von Reparationsforderungen stehen, aber denen dennoch historische Feindschaften ab und zu mal wieder vorgehalten werden. Das zu ändern, dafür braucht es manchmal deutliche Worte. Und bei aller europäischen Freundschaft muss die deutsche Nationalehre hier und da mal verteidigt werden – auch, wenn sich dies offenbar kaum ein deutscher „Patriot“ mehr zu trauen scheint.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Dominik Kaufner

Dominik Kaufner ist promovierter Historiker, seit 2014 Mitglied der Alternative für Deutschland und seit der letzten Landtagswahl Abgeordneter im brandenburgischen Landtag.

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